Abiturjahrgang 1961

Klasse 13sa (Klassenlehrer: StR Dr. Georg Nauke)
G. Mitschke schreibt: “Wir waren Georg Naukes letzte Klasse. Er ging nach uns direkt in Pension.”
Dietrich (Kalle) Babucke; Lothar Blaudszun; Horst Friedlein; Bernhard Göller; Hans-Christhard Heß; Robert Lauxtermann; Gerd Middelschulte; Gerd Mitschke; Günther Nierste; Klaus Ridder; Wolfram Sadowski; Hans-Ludwig (Louis) Schauer; Karl-Heinz Schneider; Karl Steinkamp; Walter Schweppe; Peter Voß

Klasse 13sb (Klassenlehrer: OStR Alfred Schiller, “der in der gesamten Oberstufe unser Klassenlehrer war und dafür sorgte, dass zwar nur noch 14 Mann in der Oberprima waren; die bestanden dann aber auch – was seinerzeit keineswegs selbstverständlich war,” schreibt H.-G. Gern.)
Volkmar Elsässer; Peter Fiebig; Eckhardt Flender; Hans-Gerhard Gern; Artur Hanefeld; Peter Heide; Klaus Hudel; Axel Hüttmann; Rolf Klanke; Jochen Lücke; Werner Müller; Peter Schütte; Gerhard Thor; Wolfgang Wortmann

Klassen13sa mit Klassenlehrer Nauke – Foto: H.G. Gern (privat)

 

Klasse 13sb mit Klassenlehrer Schiller – Foto: privat

 

 

Für den Abiturjahrgang 1961

In der Schulzeitschrift „neue realität“ ist die Abschiedsrede für die Abiturientia 1961 abgedruckt:

ABSCHIEDSREDE
des Sprechers der Abiturienten
Klaus-Dieter Paulich

Verehrte Damen, meine Herren!
Für uns ist der heutige Tag, diese Stunde, ein Augenblick des Abschieds. Ein Abschied vielfältiger Art; ein Abschied von diesem Gebäude, in dem wir nun neun Jahre (und einige auch mehr) zugebracht haben. Ein Abschied von unseren Lehrern und der großen Schulgemeinschaft. Für viele von uns ist dieser Tag gleichbedeutend mit der Trennung von Elternhaus und Heimatstadt, kurz, von alle dem, was uns in den Jahren unserer Jugend lieb geworden ist.
Dieses Abschiednehmen ist aber nicht mit einem flüchtigen „Auf Wiedersehen!“ abgetan, sondern es ist ein Abschied in tiefer Dankbarkeit und Freude.
Dankbarkeit allen denen gegenüber, die uns bis hierher geführt haben, und Freude – ein ganz klein wenig – über die eigene Leistung.
Darum ist ein wesentlicher Teil meiner Aufgabe, die ich hier für meine Conabiturienten zu erfüllen habe, dankzusagen.
Dankzusagen allen denen, die es uns ermöglichten, daß wir diese Stunde – wohl eine der größten und schönsten in unserem bisherigen Leben – erleben dürfen.
Unser Dank gilt zunächst und ganz bewußt denen, die uns neben dem Elternhaus in geistiger, charakterlicher und sittlicher Hinsicht zu dem formten, was wir heute sind, unseren Lehrern und unserem verehrten Herrn Direktor. Ihnen sei der Dank, den wir im Laufe unserer Schulzeit oft vermissen ließen, besonders herzlich zuteil. Wir wissen, daß gerade der Lehrerberuf nicht nur ein hohes Maß an fachlichem Können voraussetzt, sondern den ganzen Menschen fordert.
Nicht nur fachliches Wissen vermittelnd, sondern sich mit der ganzen Kraft ihrer Persönlichkeit zum Wohle ihrer Schüler einsetzend, so haben wir unsere Lehrer kennengelernt.
Tiefbeschämt aber stehen wir heute vor den Herren, denen von unserer Seite nicht immer die ihren wissenschaftlichen und menschlichen Werten entsprechende Anerkennung und Achtung gezollt wurde, und bitten um Verzeihung. Wir sind uns der Schuld, in der wir Ihnen gegenüber, meine Herren, stehen, wohl bewußt; dessen seien Sie versichert.
Als weiteres gilt unser Dank der niedersächsischen Verwaltung und dem Rat der Stadt Osnabrück. Ihnen ist es in erster Linie zu verdanken, daß uns – besonders durch großzügige Erweiterung der naturwissenschaftlichen Sammlung – neue Gebiete der Schulwissenschaft erschlossen werden konnten, daß durch kluges Planen und Handeln kostspielige Arbeitsgemeinschaften durchgeführt werden konnten, neue Räume geschaffen wurden und durch viele Kleinigkeiten Lehrern und Schülern das Arbeiten in diesem Gebäude erleichtert und verschönert wurde. Wir wissen, vieles ist noch zu tun, aber wir dürfen hoffen, daß von Schülergeneration zu Schülergeneration eine weitere Steigerung deutlich werden möge.
Dank sei auch unseren Eltern gesagt, die in diesem Augenblick vielleicht ihre persönlichen und finanziellen Opfer, die sie für uns gebracht haben, vergessen. Uns aber werden sie jetzt erst deutlich bewußt. Sie haben mit einer uns beschämenden Selbstverständlichkeit unsere vielen großen und kleinen Sorgen geteilt und uns oft mit einem väterlichen oder mütterlichen Rat zur Seite gestanden.
Nicht zuletzt gilt unser Dank dem Staat und der Regierung und besonders der arbeitenden Welt unseres deutschen Volkes. Durch ihre Arbeit und ihren Einsatz konnten wir unsere Ausbildung in Ruhe und Sicherheit beenden.
So stehen wir nun an einer Wende, in einer Stunde, in der wir freudig und dankbar in die Vergangenheit und ernst in die Zukunft blicken.
Ernst ist der Blick in die Zukunft, weil die Freude und die Dankbarkeit über das, was wir in der Vergangenheit empfangen haben, eine große und schwere Verpflichtung für uns einschließt. Es war eine große Gemeinschaft, die uns bis jetzt getragen hat, viele, viele sind ungenannt geblieben, doch nun beginnt diese Gemeinschaft Forderungen an uns zu stellen.
Denn in einer Gemeinschaft ist jeder einzelne Empfangender und Gebender zugleich. Bis jetzt waren wir Empfangende, nun aber müssen wir zu Gebenden werden.
Vor 50 Jahren hat sich für unsere heute „goldenen Abiturienten“ diese gleiche Wandlung in ihrem Leben vollzogen. Auch sie waren einer Gemeinschaft verpflichtet. Damals, kurz vor dem ersten Weltkrieg, war ihr Blick auf die Gemeinschaft des deutschen Volkes gerichtet. Sie haben uns in dieser Gemeinschaft ein schweres Erbe hinterlassen. Politisch ist sie zerbrochen, menschlich ist sie im Wanken begriffen. Sie aufzufangen, politisch zu festigen und zu vereinen, darin liegt eine unserer Hauptaufgaben.
Der Unterschied zu unseren „goldenen Abiturienten“ liegt für uns aber darin, daß unser Blick nicht auf Deutschland beschränkt bleiben darf. Unser Blick muß ausgerichtet sein auf die Gemeinschaft Europas, ja der ganzen Welt. Die heutige Menschheit ist in ihrer Differenzierung und Spezialisierung eine Entwicklung gegangen, die es keinem Menschen mehr ermöglicht, losgelöst aus der Gemeinschaft zu leben. Ein Robinsondasein ist in der heutigen zivilisierten Welt nicht mehr möglich. Jedem ist in dieser Gemeinschaft ein ganz bestimmter Platz eingeräumt, ein ganz bestimmtes Betätigungsfeld offengelassen, dem er sich zu stellen hat. So wie der einzelne auf die Gemeinschaft angewiesen ist, so ist die Gemeinschaft letztlich auf jeden einzelnen angewiesen. Unsere Verpflichtung ist es also, konstruktiv an der Gemeinschaft tätig zu sein, Aufgaben zu übernehmen und alles das, was wir mitbekommen haben, nach besten Kräften und Gewissen zum Wohle aller zu verwerten und anzuwenden.
Noch ein weiteres unterscheidet uns, die Abiturientia 1961, von den „goldenen Abiturienten“: dem Naturwissenschaftler und Techniker ist durch den ungeheuren Fortschritt der Forschung eine weit größere Verantwortung auferlegt als vor 50 Jahren. Allein in seinem Gewissen kann die Entscheidung liegen über Sein und Nichtsein der gesamten Menschheit. Sich dieser Verantwortung bewußt zu werden und der Wissenschaft nur zum Wohle der Menschheit zu dienen, darin liegt die besondere Aufgabe unserer Generation.
Wenn wir gleich aus der Hand unseres Herrn Direktors die Reifezeugnisse erhalten, so bedeutet das Fazit und Abschluß eines Ausbildungsweges. Ausbildungswege gibt es heute viele, und wir wissen, daß beispielsweise die Fachschulen tüchtige Techniker und Kaufleute heranbilden, Menschen, die hinsichtlich ihres fachlichen Könnens uns Abiturienten weit, weit überlegen sind, die gleich tatkräftig in ihren Beruf, in die Arbeit an der Gemeinschaft einsteigen können.
Das heutige deutsche Gymnasium will aber gar keine perfekten Techniker und Kaufleute heranbilden, sondern versucht das in dem Schüler zu wecken, was dem Menschen am ureigensten ist, das Menschliche im Menschen. Sie will den Schüler zu den schönen Dingen des Lebens führen, ihm eine Gesamtschau vermitteln. Sind wir deshalb aber unbrauchbar für die Gemeinschaft, wir Phantasten, Idealisten und Schwärmer? – Nein! Der Mensch in der heutigen Gesellschaft neigt dazu, die Verantwortung, die er innerhalb dieser Gemeinschaft trägt, allzusehr in materieller Hinsicht zu sehen. Dieses aber nimmt ihm den Blick für die schönen Seiten des Lebens, er verliert die Gesamtschau. Diese Gemeinschaft braucht Menschen in ihrer Mitte, Menschen, die ihr – neben ihrem fachlichen Können – zu Kündern einer höheren, schönen Welt werden, Menschen, die klar und nüchtern den harten Realitäten des Lebens gegenüberstehen, die aber verstehen, wie St. Exupéry sagt, „mit dem Herzen zu schauen“.
Gebe Gott, daß wir diesen Verpflichtungen gerecht werden können. Denn wir wissen, auch wenn wir nachher unser Reifezeugnis in der Hand halten, so sind wir doch nichts, nichts als ganz kleine Anfänger, die vor einer ungeheuren Aufgabe stehen.
Aber mit dem heutigen Tag sind wir verantwortlich gemacht, verantwortlich vor uns selbst, vor Gott und den Menschen.

Quelle: „neue realität„, Heft 10 (Sommer 1961)

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