Abiturjahrgang 1966 – Frühjahr
Sonderfall Kurzschuljahre 1966 und 1966/67
Zum Sommer 1967 wurden die Versetzungstermine auf den 1. August eines jeden Jahres umgestellt.
Bis dahin hatte es die Versetzungszeugnisse immer zu den Osterferien gegeben und die Halbjahreszeugnisse zu den Herbstferien.
Um diese Umstellung zu bewerkstelligen, wurde deshalb 1966/67 in zwei Kurzschuljahren unterrichtet. Im Frühjahr 1966 verließ der letzte Jahrgang, der noch nach dem alten Terminplan unterrichtet worden war, die Schule.
Am 1. Dezember 1966 endete das erste Kurzschuljahr; das zweite ging dann bis zu den Sommerferien 1967. Damit war die Umstellung abgeschlossen.
So kommt es, dass 1966 an zwei Terminen Abiturprüfungen abgenommen wurden und somit im Frühjahr und im Herbst Abiturienten antlassen wurden.
Aus diesem Grunde finden Sie hier auch einen Frühjahrs- und einen Herbsttermin mit den jeweiligen Abiturienten.
Abiturjahrgang 1966, Frühjahr:
Klasse 13F:
Rainer Hehmann; Ludwig Kiel; Gerd Kotzer; Horst Kriete; Bernd Leichert; Wilfried Lippitz; Werner Pentermann; Karsten Schmidt; Jochen Vahrenhorst; Peter Wagner; Rolf Wittenbrock; Andreas Volkmer
Klasse 13M:
Heinrich Otto Geisemeyer; Hans-Holger Gschwind; Harald Hinze: Wolfgang Hönle; Reinhard Martens; Hans-Jürgen Menzel; Gerhard Meyer zu Hörste; Eberhard Roth; Hartmut Ruchert; Klaus Rybak; Burkhard Schmiester; Wolfgang Schneider; Eckehard Schütz: Hans Westmeyer; Horst Witte; Manfred Zschau
Klasse 13L:
Hartmut Büscher; Gerhard Donner; Michael Hagemann; Hartmut Hehmann; Werner de Joung; Peter Kloster; Christian-Michael Köller; Friedrich Panknin; Heino Schulz; Hans Winzek; Klaus Wittemann




Rede für den Abiturjahrgang: Michael Hagemann
Sehr verehrter Herr Oberstudiendirektor! Sehr geehrte Damen und Herren des Kollegiums! Verehrte liebe Eltern! Meine lieben Mitabiturienten!
Nachdem die geistige Anstrengung der Reifeprüfung und die physischen Strapazen der folgenden Festivitäten glücklich überstanden sind, haben wir uns in dieser Stunde noch einmal zusammengefunden, um den Abschluß unserer Schulzeit würdig zu begehen. Diese Gelegenheit möchte ich nutzen, um mich mit einigen Problemen unseres Schülerdaseins auseinanderzusetzen.
Ich spreche hier nicht nur für meine eigene Klasse, sondern als Vertreter aller Abiturienten. Besonders in den letzten Jahren hatte sich ein Gefühl der Verbundenheit unter uns entwickelt, und das Bewußtsein des gemeinsamen Zieles überwand das Trennende, das in unserem Schulsystem so sehr in Erscheinung tritt. Die Aufteilung begann schon in der 7. Klasse, als wir zwischen Latein und Französisch als zweiter Fremdsprache zu wählen hatten, die dann ja den Charakter des Unterrichtes bestimmte. In der 11. Klasse schieden sich die Geister wiederum in einen sprachlichen und einen mathematischen Zweig, wodurch bis zum Ende der Unterprima eine Vermischung insofern herrschte, als die Mitglieder der M-Klasse, die aus der ehemaligen 10L stammten, den Lateinunterricht weiterhin zusammen mit uns genossen, bis zu ihrem Latein-Vorabitur. –
Neben diesen Hauptgliederungen bestanden aber noch weitere Fächerungen: Während die einen es vorzogen, sich von Musik berieseln zu lassen, betätigten die anderen sich lieber im Kunstunterricht klecksographisch (- wobei mir persönlich die Bezeichnung „Kunst“ im Gegensatz zu „Musik“ immer etwas diskriminierend für letztere erschien); und während die einen im Chemieraum Giftgase inhalierten, sezierten die Genossen im Biologieraum Frösche.
So entstanden neben den eigentlichen Klassen in den genannten Fächern noch völlig andere Gruppierungen, und in jedem Fall waren sie wieder anders zusammengesetzt – oder auch zusammengestaucht, denn im Sporte übten sich L und F gemeinsam. (Doch große Seelen dulden still.)
Diese Spezialisierung mit ihren vielen Möglichkeiten, die gar nicht so ‚leicht zu überschauen sind in ihrem Nebeneinander und Durcheinander, führte also einerseits zu einem gewissem Auseinanderleben, zu Aufweichung der Klassen, andererseits jedoch zu erweitertem Gedankenaustausch untereinander. Eigentlich sollte man annehmen, daß auch fachbezogene Gedanken getauscht wurden. Das war jedoch weniger der Fall; es ist mir jedenfalls nicht begegnet, daß sich etwa die Chemiker der Klasse mit den biologischen Kameraden über Probleme der Chemie oder Biologie unterhalten hätten. Dieser Effekt der Teilungen existiert wohl mehr im Wunschdenken der Pädagogen.
Der Vielfalt der Möglichkeiten innerhalb einer Schule, die schon ein wenig an das amerikanische Schulsystem erinnert, steht aber heute das Bestreben gegenüber, das in zunehmendem Maße aufgesplitterte Schulwesen wieder zu vereinheitlichen, die Verbindungen zwischen Volks-, Mittel- und Oberschule durchlässiger zu machen, sie in der Anzahl der Schuljahre einander anzugleichen und somit auch ihre Unterschiede zu verwischen. Ob das als positiv zu bewerten ist, mag dahingestellt sein, es scheint jedoch fast im geheimen in Richtung auf eine Einheitsschule zu tendieren, wenn die Entwicklung so weitergeht.
Was kann nun ein junger Mensch von der Schule erwarten? Sie steht ja immerhin beherrschend über fast eineinhalb Jahrzehnten seines Lebens! Er kann erwarten, daß sie ihn durch ihre Erziehung lebenstüchtig macht, fähig, in der Arbeitswelt zu bestehen, sich zu beweisen, zu bewähren.
Nun ist es nicht Ziel des Gymnasiums, praktisches Wissen zu vermitteln als unmittelbare Vorbereitung auf den Beruf – ja, paradoxerweise wurde uns sogar öfter erklärt (von einem Naturwissenschaftler übrigens), wer später Mathematik studieren wolle oder etwa Physik, solle besser den sprachlichen Zweig besuchen; als sprachlich Vorgebildeten nähmen ihn die naturwissenschaftlichen Fakultäten viel lieber an, das Fachwissen erhalte er ja dort auf der Universität. – Nein, die Schule will eine Allgemeinbildung vermitteln als die Grundlage, auf der dann Spezialwissen aufgebaut und zu der es in Beziehung gesetzt werden soll.
Mit dem Ziel einer Allgemeinbildung befindet sie sich Im Gegensatz zB. zur amerikanischen Schule, die das Schwergewicht auf die Ausbildung des Menschen als Gemeinschaftswesen legt, als Zoon politikon, wie Aristoteles es nennt. Durch eine Unmenge von Klubs, Gemeinschaftsveranstaltungen, durch ausgedehnte Selbstverwaltung usw., die eine beachtliche Bedeutung haben, soll der junge Mensch auf seine Rolle in der Gesellschaft vorbereitet werden.
Dieses Prinzip des Zusammenarbeitens ist allerdings auch bei uns in gewisser Weise zu finden in der Form des Arbeitsunterrichtes, in dem der Stoff nicht den Schülern einfach vorgesetzt und nach Schulbuch abgefragt, sondern Im Klassengespräch erarbeitet wird.
Dabei gibt es allerdings auch Unterschiede je nach Person des Lehrers, bzw. seiner Überzeugung von der Richtigkeit der eigenen Meinung: Der eine läßt zwar jeden Schüler seine Ansicht zu- einem Problem äußern (- und geht sogar so weit, zu behaupten: „Ihr könnt ruhig sagen, ich sei dumm; ihr müßt’s mir nur- beweisen.“), überzeugt ihn dann aber durch geschickte und natürlich meist begründete Argumente und durch gewandte Rhetorik, daß doch die eigene Ansicht die einzig richtige sei.
Ein anderer dagegen läßt jede geäußerte Meinung (, wenn sie nicht gar zu abwegig ist,) gelten, was oft auch verwirrend wirken kann, indem da sich eigentlich widersprechende Betrachtungsweisen nebeneinander bestehen bleiben und man sich fragt, wie sich die Sache denn nun wirklich verhalte.
Dieses – demokratische – Prinzip des Arbeitsunterrichtes führt dazu, daß von der vorgesehenen Stoffmenge nur ein Teil zur Durcharbeitung gelangt, weil eben durch endlose, oft sich in abseitige Gassen verirrende oder im Kreise drehende Diskussionen viel Zeit verloren geht. Aber es steht ja völlig außer Frage, daß es sinnvoller ist, Einzelnes gründlich durchzuarbeiten als bei Vielem an der Oberfläche zu plätschern, zumal, wenn man die Macht des Vergessens in Betracht zieht: Von oberflächlichem Breitenwissen bliebe nach längerer Zeit nur noch ein grauer Dunst, bei der anderen Methode wirken wenigstens manche tieferen Eindrücke fort.
Die heutzutage immer größer werdende Stoffülle und der daraus resultierende Zwang zur Besinnung auf weniges Wichtige sind es wohl auch, die dazu geführt haben, daß wir in den Oberklassen nicht mehr in Biologie und Chemie, nicht Musik und Kunst, sondern nur noch in einem naturwissenschaftlichen (im sprachlichen Zweig) und einem künstlerischen Fach unterrichtet wurden, – was einerseits zwar im Hinblick auf die Ersparnis einiger Unterrichtsstunden und der entsprechenden Hausarbeiten freudig begrüßt wurde, andererseits aber auch bedauerlich ist, weil dadurch interessante Querverbindungen und gemeinsame Aspekte unberücksichtigt bleiben mußten.
Ein besonderes Kuriosum in dieser Beziehung ist das Fach Gemeinschaftskunde, dessen Bestimmung es sein sollte, die übergreifenden geistigen Gehalte der Geographie und der Historie vermittels Behandlung der beiden Gebiete in einem einzigen Unterrichtsfach transparent zu machen. –
„Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Wörter hört, es müsse sich dabei doch auch was denken lassen.“ Die übergreifenden geistigen Gehalte … Welch leuchtender Gedanke .‘
Doch was zuerst stutzen ließ, war die Tatsache, daß zwei Lehrer in diesem Fach unterrichten sollten: ein Geograph und ein Historiker. Nun – man sah den Grund ein: es gibt halt noch keine Gemeinschaftskunde-Spezialisten. Naive Gemüter, die nun aber annahmen, die zwei Pädagogen würden etwa im Wechsel- oder Streitgespräch oder gar gleichzeitig redend unterrichten, sahen sich bitter getäuscht. Nein – die geographischen Aspekte wurden in einer Gemeinschaftskundestunde, die historischen in einer anderen der Betrachtung unterzogen.
Was kam also aus der aufsehenerregenden Neuerung heraus? – Die gute alte Geschichte und die bekannte Erdkunde, wie sie schon immer gewesen waren. (Wogegen wir allerdings nichts einzuwenden hatten.) Das wohlklingende Wort von den übergreifenden geistigen Gehalten wurde aber sprichwörtlich.
Fragt man, was uns die Schule gegeben hat, so ist wohl zu sagen, daß die beherrschenden Eindrücke von den Fächern ausgingen, nach denen die drei Klassen benannt sind, also Latein, Französisch und Mathematik. Zwar hat man es nicht fertiggebracht, daß wir nun perfekt Englisch sprechen oder Französisch – und die abwertende Bezeichnung „Schulenglisch“ ist durchaus nicht aus der Luft gegriffen. Aber das war ja auch nicht das alleinige Ziel. Man wollte eher durch. die Beschäftigung mit der fremden Sprache eine Vorstellung von dem Wesen des anderen Volkes vermitteln und Verständnis für sein Denken wachrufen.
Während aber Englisch und Französisch dennoch moderne, „lebende“ Sprachen sind und uns ihre Kenntnis zB. bei Auslandsreisen praktischen Nutzen bringt, gilt das Gesagte besonders für Latein, dessen Bedeutung heute von vielen unterschätzt wird. Sie sehen es als tote Sprache an, deren Studium nur dazu gut ist, die Schüler zu plagen, und allenfalls für Pfarrer, Juristen und Apotheker, um sich gelehrt auszudrücken, und deren Entfernung aus dem Lehrplan keineswegs einen ernsten Verlust bedeutet.
Aber vom Küchenlatein der Apotheker reden wir ja nicht. Uns wurde durch die intensive Beschäftigung mit der Sprache der Römer ein plastisches Bild jener großen Zeit entwickelt, die die Ursprünge unserer Kultur trug. Und aus den Fortwirkungen römischen Wesens und der lateinischen Sprache bis in unsere Tage muß sich einem Betrachter, der nicht an der Oberfläche der .Dinge stehenbleibt, unweigerlich die Erkenntnis auf tun, daß Latein durchaus noch lebt.
Mancher wird sich eines unbehaglichen Gefühles nicht erwehren können ob dieses Lobes einer Sprache, die ihn unter ihrem harten Joch der Regeln nicht selten arge Kopfschmerzen hat erleiden lassen und deren Klippen auch einigen unserer früheren Kameraden zum Verhängnis geworden sind. Aber das ist nur natürlich, das liegt ja im ureigensten Wesen der Schule und ihres unabdingbaren Muß, das hinter allem steht. Der Schüler müßte erst noch erfunden werden, der etwa tagtäglich voll fröhlicher Begeisterung in die Schule gepilgert wäre, um andachtsvoll am Born des Wissens zu nippen.
Wer hätte wohl in der unterschiedlich gemixten Kost des Vormittags die verschiedenen Gesichter des Lehrkörpers mit ständig aufrichtigem Lächeln an sich vorüberziehen lassen und wäre sich immerdar bewußt gewesen, in einer höheren Lehranstalt der Bildung zu frönen?
War es nicht eher so, daß man sich so manche Unterrichtsstunde durch allerlei Scherzchen mannigfaltigster Art interessanter zu gestalten bemüßigt fühlte und über den Ausfall einer Stunde gar in kindliche Freude ausbrach?
Und was man gelernt hat, bzw. daß man überhaupt etwas gelernt hat, beginnt man es nicht jetzt erst langsam zu spüren, wo alles überstanden ist? Während der Unterrichtszeit hatte man doch nur zu oft gedacht: „Das Unzulängliche, hier wird’s Ereignis!“ und sich, wenn wieder ein Vormittag verstrichen war, gefragt: Wozu war denn dieser Zeitaufwand eigentlich gut? Wissen wir jetzt etwa mehr als gestern?
Doch diese Sorglosigkeit um den Zweck des ganzen Mühens ist doch ein Symptom der Geborgenheit, in der man sich bis heute befand, ein bezeichnender Zug des gesicherten, behüteten Kreises, der unsere Welt war. Die Klasse im engeren, die gesamte Schule im weiteren Sinne, war eine in sich ruhende, feststehende Gemeinschaft, in der sich jeder – wenn er nicht gerade ein allzugroßer Einzelgänger war – zurechtzufinden vermochte, in der er mit Gleichgestellten und Gleichgesinnten alles besprechen konnte, was ihn bewegte, und in der sich ergebende Schwierigkeiten gemeinsam überwunden wurden.
Und die Lehrer waren es die diesen Kreis absicherten, die unsere Entwicklung ständig überwachten. – Nie wurde das so offenbar wie im letzten Jahr, wo alles Wirken darauf abzielte, uns heil durch die Abschlußprüfung zu führen, – wo sich ein gewisser Pädagoge sogar schon ein halbes Jahr vorher um passende Themen mühte, damit in der Abiturarbeit auch ein jeder die Möglichkeit hatte, seinen Geist voll zur Entfaltung zu bringen.
Ich vermute, daß die Gremien dieser Prüfung die letzten waren, die sich in solcher Weise um das gute Bestehen ihrer Kandidaten sorgten. Ich meine – sie müssen es schließlich nicht! Es wurde ja oft genug betont: „Wenn wir wollen, können wir jedem seine Unwissenheit beweisen…“ Aber sie tun es doch (in den allermeisten Fällen). Ich persönlich zum Beispiel habe jedenfalls schon einen deprimierenden Eindruck erhalten von der von Grund auf erst einmal ablehnenden Haltung künftiger Prüfkommissionen.
Wir müssen uns nun in die neue Situation hineinfinden, in die Situation der Anonymität, die für die Hörsäle unserer Tage leider so typisch ist. Ais einer unter Tausenden sitzen wir dann da, einsam in der Masse, und können selber sehen, wie wir zurechtfinden. Vom Ernst des Lebens zu sprechen, der jetzt beginne, ist äußerst abgegriffen – und auch recht oberflächlich gedacht, denn diese Redewendung unterstellt stillschweigend, daß das Bisherige kindliche Spielerei war, das, was einen ernsthaften jungen Menschen manche Mühe kostete. Falls man das Wort aber so deutet, daß wir nun in unserer Arbeit und Lebensführung völlig auf uns selbst angewiesen sein werden – im Gegensatz zu der bisherigen ständigen Leitung und Lenkung – dann hat es schon seine Berechtigung.
Bevor uns aber das Gespenst der Einsamkeit in der Universität oder Hochschule – oder auch im Beruf, in den einige von uns direkt hineingehen – anfallen wird, erwartet die meisten noch etwas anderes, ein besonderes Bonbon im Prozeß unserer menschlichen Reifung: Die Bundeswehr (handschriftlicher Zusatz: Hier muß ich jedoch einen Sprung machen, denn der diesbezügliche Abschnitt fiel der Zensur zum Opfer öffnet weit ihre allumfassenden, mit aller Staatsgewalt gestärkten Arme, um uns, die jungen Staatsbürger mit dem Bildungspapier, in ihre wohlgeordneten Reihen aufzunehmen. Sie empfiehlt uns wärmstens, dieses so liebenswürdige Angebot nicht abzulehnen – was ja auch unklug wäre, denn welch herrliche Zeit entginge uns dann!- die Zeit der kurzen Haare (- bei einigen meiner Kameraden ist sie schon angebrochen). .
Doch was macht’s? „Kurze Haare sind bald gekämmt“, wie überhaupt uns hier das rechte Gefühl für Einfachheit und Geradheit, für Kameradschaft und echte Mannhaftigkeit eingetrichtert werden soll; ja, die hohe Virtus der hehren Heerführer Roms, hier feiert sie fröhliche Urständ‘!
Doch zunächst einmal gilt es, das intellektuelle Außenseitertum einzudämmen, die Aburenten (sic; das war damals ein gebräuchlicher Ausdruck) sollen sich nur nichts auf ihre Bildung einbilden! Wo kämen wir hin, wenn jeder seinen kritischen Verstand mit in die Kaserne brächte? – Doch tröstet euch, Kameraden, der Verstand steigt mit dem Dienstgrad; und da wir schon als Offiziersanwärter eingestuft werden, sind wir nach Abschluß unserer Dienstzeit in dieser „Schule der Nation“ gewiß wieder auf der alten geistigen Höhe! – Ende des weggelassenen Passus)
Jedenfalls sind wir auch nach diesem Intermezzo militare recht gerüstet, in den Bau der Wissenschaften einzutreten, in die Universität, die (nach Karl Jaspers) die Gesamtheit der Wissenschaften repräsentiert: Zwar wird sich uns wohl kaum noch die Wissenschaft in ihrer Gesamtheit offenbaren angesichts der immer unerträglicher werdenden. Überfüllung, die zu einem unpersönlichen Massenbetrieb führt, und der fortschreitenden Spezialisierung.
Das studium generale vergangener Zeiten, das dem Studium eine der vier Hauptfakultäten vorausging und das man in letzter Zeit neuzubeleben versucht hat, gibt es nicht mehr. Zu verstehen ist es ja, wenn man sich vor Augen hält, in welch ungeheurem Umfang wir an Erkenntnissen auf allen Gebieten reicher geworden sind. Es wäre nur möglich, ein breitgestreutes Halbwissen hervorzubringen; und die Bildung durch eine solche Bildungsfakultät wäre nur die Pflege einer wirklichkeitsfremden, abgesonderten Geistigkeit.
Die Spezialisierung ist heute sicherlich notwendig. Aber sie hat natürlich ihre negativen Seiten. Der wissenschaftlich Tätige verliert ja nicht nur die Fühlung mit den übrigen Teilen der Wissenschaft, nein, auch innerhalb seines eigenen Faches muß er sein Arbeitsgebiet immer weiter zusammenziehen. Ortega y Gasset nennt diesen Typ des Spezialisten einen „gelehrten Ignoranten“. „Er ist nicht gebildet, denn er kümmert sich um nichts, was nicht in sein Fach schlägt; er ist aber auch nicht ungebildet, denn er ist ein Mann der Wissenschaft und weiß in seinem Weltausschnitt glänzend Bescheid“.
Mit der Konzentrierung seines Blickfeldes entfernt er sich aber immer weiter von einer deutenden Durchdringung des Ganzen. Nicht mehr die Suche nach der Wahrheit, sondern die Vorbereitung auf den Beruf steht heute im Mittelpunkt der Universität.
Aber selbst wenn es noch darum ginge, das Ganze, die Idee, zu erfassen, – ohne unendliche Mühe und Arbeit wäre es nicht möglich. Lernen und Üben sind der Kern des Wissens und die Grundlage alles Weiteren. Und dieses lernen ist uns ja in langer Schulpraxis zur Gewohnheit geworden – oder sollte es wenigstens, geworden sein.
Die „Akademische Freiheit“, von der oft gesprochen wird als Gegensatz zum Zwang des Schulunterrichtes, ist eben ein Trugschluß. „Man kann die Knechtschaft bedeutend vergrößern, indem man ihr den Schein der Freiheit gibt“ sagt Ernst Jünger treffend. Noch schreibt niemand im einzelnen vor, wie die akademischen Jahre zu nutzen sind, und nicht in jedem Fall fragt der Universitätslehrer durch Zwischenprüfungen nach, ob das Studium überhaupt genutzt wurde.
Vielmehr hängt alles jetzt von unserem eigenen Verantwortungsbewusstsein ab; und das ist wahrhaftig eine ernstere Verpflichtung als die bisherige ständige Kontrolle durch die Schulmeister, die zwar lästig war, innerhalb derer man sich aber verhältnismäßig sorglos bewegen konnte.
Und hier ist nun der Zeitpunkt gekommen, unsern Lehrern Dank zu sagen für die Mühe, die sie sich mit uns gegeben haben, für die Sorge, mit der ihnen unser Wohlergehen am Herzen lag, und für die Geduld, die sie ungeachtet mancher Enttäuschungen und kleiner oder großer Ärgernisse mit uns hatten. (Ich weiß, „im Deutschen lügt man, wenn man höflich ist“ – aber dennoch!)
Es war gewiß nicht leicht, mit einer Gruppe aggressiver Primaner fertigzuwerden, die nicht wie die lieben Sextaner dem Wort des Lehrers und seiner Allwissenheit gläubig vertrauten, sondern voller Opposition steckten (- wenn sie nicht gerade müde waren) und oft nur darauf lauerten, daß der Magister sich einen Fehler leistete, um ihm diesen dann genüßlich zu beweisen oder ihn hinter der Hand sarkastisch zu kommentieren.
Oder um noch einmal auf die Müdigkeit zurückzukommen: Es ist geradezu erstaunlich, mit welcher heiteren Ausgeglichenheit in gewissen anderen Stunden (- meine Kameraden wissen vielleicht, welche ich meine .-) der Lehrer weitgehende Geistesabwesenheit während seines Unterrichtes tolerierte bzw. ignorierte und sich nicht einmal durch ständiges Murmeln und nur mühsam unterdrücktes Gähnen aus der Ruhe bringen ließ – von seltenen Explosionen abgesehen. Das wissen wir hoffentlich alle anzuerkennen!
Über die Einzelpersonen (oder Persönlichkeiten, wie man will) -hinaus richtet sich unser Dank aber auch an die Schule als Institution, als Einrichtung der Bildung und Erziehung, wobei diese vielleicht eine ebensolche Bedeutung einnahm wie die Erziehung durch die Eltern. Es waren ja zwei Lebensbereiche, die gleichzeitig, aber voneinander unabhängig ihren Einfluß auf uns ausübten: einerseits die Welt des Elternhauses, andererseits der Kreis der Lehrer und Schulkameraden. Von welcher Seite der Einfluß stärker gewesen ist, wird individuell verschieden sein.
Dank gebührt auch dem Staat und dem Träger dieses Gymnasiums, die die Voraussetzungen geschaffen haben, daß wir eine höhere Schule besuchen konnten. Früher scheiterte der Vorsatz, den Kindern eine weiterführende Schulbildung angedeihen zu lassen, oft genug an den mangelnden Mitteln. Das ist heute weitgehend nicht mehr der Fall, aber dennoch haben unsere Eltern zT. große Opfer gebracht,- Opfer beispielsweise auch der Art, daß ein Vater in Nacht und Nebel stundenlang im kalten Volkswagen auf die Rückkehr der Klasse von einer Theaterfahrt harrte, damit es seinem Sohn auf diese Weise noch möglich war, in das entfernte Dorf zu kommen.
Und man darf nicht vergessen, daß es letzten Endes die Eltern waren, deren Wille uns auf diese Schule führte; mancher hat vielleicht von sich aus gar nicht die Neigung verspürt, sich den Anstrengungen eines Gymnasiums zu unterziehen. Aber wer hätte wohl nicht früher oder später erkannt, daß diese Entscheidung für ihn die beste war? Dafür haben wir wirklich allen Grund, unseren Eltern sehr herzlich zu danken.
Daran möchten wir aber gleichzeitig die Bitte knüpfen, daß sie uns künftig, wenn die meisten von uns ihre Wohnstätte fern des heimischen Herdes in einer dumpfen Untermieterbude suchen werden, weiterhin mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Michael Hagemann
Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium
Samstag, 5. März 1966
25 min
Abitur Frühjahr 1966 – Die Reifeprüfungsaufgaben
Deutsch
Klasse 13m:
1) „Technisch sind wir Übermenschen, moralisch sind wir noch nicht einmal Menschen — das ist das Problem der Gegenwart.“ Erläutern Sie diesen Ausspruch von Aldous Huxley, und nehmen Sie kritisch Stellung zu dieser Sentenz!
2) Ist das Üben von Kritik in einem freien demokratischen Staate ein Recht, eine Pflicht, eine Gefahr?
3) Was verstehen wir unter einem Entwicklungsland? Welche Gründe könnten Sie veranlassen, eine Zeitlang in einem solchen Lande zu arbeiten?
Klasse 13 F:
1) Christian Morgenstern glaubt: »Der Welt Schlüssel heißt Demut. Ohne ihn ist alles Klopfen, Horchen, Spähen umsonst.“ Sehen Sie Beispiele oder Anzeichen dafür, daß dieses Wort auch in unserer Gegenwart noch Gültigkeit hat?
2) „Das Leben ist das einzige Eigentum, das nur dann etwas wert ist, wenn wir es nicht achten. Verächtlich ist es, wenn wir es nicht leicht fallen lassen können, und nur der kann es zu großen Zwecken nutzen, der es leicht und freudig wegwerfen könnte.“ Machen Sie diese Aussage Heinrich v. Kleists zum Gegenstand einer kritischen Betrachtung!
3) „Ich hasse die Leute, die nichts bewundern; denn ich habe mein Leben damit hingebracht, alles zu bewundern,“ sagt Goethe. Welche Geisteshaltung steht hinter diesem Bekenntnis, und wie ist es — recht verstanden – in unserer vielfach als so gelassen-sachlich charakterisierten Gegenwart zu werten?
Klasse 13 L:
1) Interpretieren und vergleichen Sie die folgenden beiden Gedichte:
Hermann Hesse, über die Alpen Hugo von Hofmannsthal, Reiselied
2) Die Parolen „Revanche“, „Wacht am Rhein“ und „splendid Isolation“ haben die Beziehungen zwischen Frankreich, Deutschland und England entscheidend mitbestimmt. — Können diese Erscheinungen heute als überwunden gelten?
3) Würden Sie die Aufforderung „Zurück zur Natur!“ nur als Schlagwort betrachten oder als einen Aufruf zur Besinnung beherzigen?
Latein
Klasse 13 L
M. Tullius Cicero, de leg. III 2-5
(Gehorsam gegen die Obrigkeit)
Englisch
Klassen 13 F und 13 L:
a) Reproduction The Sniper
(eine Geschichte aus dem irischen Bürgerkrieg)
Der Autor ist Liam O’Flaherty.
b) Supplementary Question
„Do you think that this episode from the Irish Civil War is an effective’example of anti-war literature?“
Französisch
Klasse 13 F:
Reproduction L’humanite vainc la haine
(eine Episode aus dem 1. Weltkrieg)
von Noelle Roger
Physik
Klasse 13m
Drei Versuche sind aufgebaut (Lehrerversuche):
1. Hertzsche Wellen (λ=3,2 cm), moduliert mit 50 Hz, werden von einem Sender, dessen Dipol waagerecht steht, ausgestrahlt. Sie werden an der Vorderwand eines Paraffinprismas (Kantenlänge ca. 25 cm, y = 60°, Grundfläche waagerecht) reflektiert. Die Stärke des reflektierten Strahls wird in Ab hängigkeit vom Einfallswinkel gemessen. Die Meßergebnisse des gleichen Versuchs mit senkrecht gestelltem Dipol werden angegeben.
2. Der Wellenstrahl wird durch das Prisma gebrochen. Einfallswinkel und Austrittswinkel werden gemessen.
3. Die Ladung eines Plattenkondensators wird gemessen a) mit Luft, b) mit Paraffin als Dielektrikum.
Aufgaben: 1. Beschreiben Sie die Versuche und geben Sie für Versuch 1 den Parallelversuch mit sichtbarem Licht und dessen Ergebnis an. Können Sie durch den Versuch 1 den Begriff Polarisationsrichtung bei sichtbarem Licht präzisieren?
2. Werten Sie die Versuchsergebnisse quantitativ aus, wobei Sie für Versuch 2 das Ergebnis des Versuchs 1 benutzen können.
3. Prüfen Sie, ob unsere Messergebnisse mit derelektromagnetischen Lichttheorie vereinbar sind.
4. Berechnen Sie die Ausbreitungsgeschwindigkeit Hertzscher Wellen in Paraffin und leiten Sie die dabei zu benutzende Formel mit Hilfe der allgemeinen Wellentheorie ab.
Quelle: „neue realität“, Heft 26 (Frühjahr 1966)
Extemporale im Fach Latein (Kl. 10L)

Musikfreizeit Kl. 10 in Tecklenburg

Pompeji
