1. Abiturjahrgang 2005

Abiturjahrgang 2005

Ahlert, Daniel; Akyildiz, Berivan; Balinski, Kamil; Bartke, Laura; Becker, Max; Bender, Karina; Berger, Dimitriy; Bergin, Michelle; Bickel, Alina; Bluschke, Anna; Brake, Lea; Breger, Denis; Brosig, Rene; Deicke, Britta; Disterhoft, Anastasia; Eberhard, Tobias; Ehrenbrink, Patrick; Ens, Viktoria; Fischer, Marina; Flaspöhler, Lea; Flore, Markus; Franke, Melanie; Freiberger, Lilli; Ginnergardt, Oliver; Gloser, Patrick; Goloborodko, Galina; Goloborodko, Tatiana; Grewe-Hortebusch, Tanja; Gödiker, Jennifer; Hackmann, Bastian; Hassan, Ali; Heinz, Nora; Held, Oksana; Hermanns, Natascha; Hetke, Alla; Hirschfeld, Anna; Hirschfeld, Tatjana; Horn, Ksenia; Hörnschemeyer, Julia; Kallmeyer, Svenja; Kast, Tatjana; Kisi, Yasemin; Knäuper, Silvana; Konieczny, Thekla; Korman, Eugenija; Koulkova, Lolita; Kozaczek, Michal; Kramme, Tanja; Kuhlmann, Jessica; Lehmann, Manuela; Lehmann, Vladimir; Litau, Stefanie; Lysenko, Dmytro; Madla, Oliver; Maria, Sandra; Masur, Marius; Mitjaschina, Svetlana; Muhl, Ilja; Müller, Elena; Mönkedieck, Jan; Nier, Silke; Ogrzal, Sascha; Petkowski, Alexander; Pflaum, Tanja; Pleger, Julian; Polinski, Julia; Pracht, Heiko; Quebbemann, Nadine; Rotärmel, Alisa; Röwekamp, Tim; Sandfort, Matthias; Sauthoff, Sören; Scharmacher, Maike; Scheimeyer, Viktor; Schmock, Lucas; Schröder, Anna; Schröder, Dieter; Schulte, Tanja; Schäfer, Kristina; Seltmann, Paul; Sen, Denis; Silbermann, Stanislav; Steinmetz, Waldemar; Stutz, Andy; Thörner, Maike; Tiemann, Ann-Kathrin; Trtovac, Emina; Wahmhoff, Roswitha; Vassermann, Jelena; Wessels, Tim; Wiemeyer, Annika; Winnik, Lydia; Völker von dem Brinke, Christian

Die Reden:

> für den Jahrgang: Maike Thörner
> für die Eltern: Hans-Peter Scharmacher
> für die Schule:Helmut Brammer-Willenbrock

 

Für den Abiturjahrgang: Maike Thörner

Liebe Abiturientinnen und Abiturienten!

Heute ist der letzte offizielle Tag unserer Schullaufbahn, so jung kommen wir nie wieder zusammen! Vor 13 Jahren, bei Einzelnen liegt es etwas länger zurück, haben wir zu unserer Einschulung das erste Mal eine Schule betreten. Wir waren aufgeregt, hatten Schultüten randvoll mit Süßigkeiten und viel zu große bunte Schulranzen dabei. Wir standen am Anfang eines Weges, von dem wir noch nicht ansatzweise wussten, dass er uns heute hierhin führen würde. Heute ist der letzte Tag dieses Weges, wir schließen ein Kapitel ab, um – wahrscheinlich nicht weniger aufgeregt – den nächsten Teil unseres Lebens zu meistern.

Hier trennen sich unsere Wege, außer natürlich die Wege von Anna und Ela, von denen man aber auch wohl kaum erwarten kann, dass sie etwas alleine machen!

Zum Teil sind wir seit der ersten Klasse zusammen, haben uns kennen und lieben gelernt, Freundschaften sind gewachsen und wir haben erkannt, dass Leute, die man auf den ersten Blick doof findet, richtig nett sein können.

Wenn wir heut zurückschauen, wissen wir, dass wir stolz auf uns sein können, denn wir haben für das, was wir jetzt in den Händen halten, hart gearbeitet, wir waren fleißig und zielstrebig und im Gegensatz zu manch bösem Gerücht wird einem an dieser Schule nichts geschenkt, so dass wir viel Zeit in das Lernen für Prüfungen und Klausuren gesteckt haben.

Es war ein Traum, mit Euch in einem Jahrgang zu sein, und es gibt viele Argumente dafür:
Wir sind die letzten Abiturienten ohne Zentralabitur.
Wir haben Buddy und Sören im Jahrgang, die dieses Jahr beide endlich ihr Abitur bestanden haben.
Wir haben tolle Kursfahrten gemacht, Wettkämpfe und Turniere bestritten und auf Kurstreffen zusammen gefeiert.

Wir haben gelernt, dass man für einen Latte Macchiato bei Burger King nur knapp mit einer Schulstunde auskommt, dass man dem Deutsch-Französischübersetzer von Lycos auf keinen Fall trauen darf und dass die klügsten Schüler auch nicht weniger faul als die anderen sind. Wir haben um den Kaffeeautomaten getrauert und den Brand unserer Schule überlebt. Wir werden bestimmt das Briefchen schreiben vermissen und die Antihaltung von Matze gegenüber allem und jedem. Uns wird das Durak spielen und das Zahlenspiel fehlen, wir werden nicht mehr Svennis und Mischis stündlichen Toilettengang mitbekommen sowie Tobis und Brittas Dauergeknutsche. Es wird keine Gerüchteküche mehr brodeln und wir können nicht mehr die Cafeteria plündern.

Egal wohin euch euer weiterer Weg führen wird, sollten wir auf keinen Fall unsere Nettetalparties vernachlässigen! Es war ’ne geile Zeit mit euch.

Liebe Freunde und Verwandte,
danke für die Unterstützung, die Hilfe und die Liebe, mit der Ihr uns auf unserem Weg bis hierhin begleitet, beobachtet und beschützt habt! Danke dafür, dass Ihr uns den Rücken gestärkt habt und mit uns gelitten und Euch mit uns gefreut habt! Danke an alle Mamas und Papas für Euer Vertrauen, die vielen Schulbrote und Trinkpäckchen. Danke dafür, dass Ihr an uns glaubt und stolz auf uns seid! Auch wenn wir das nicht immer anerkennen, sind wir doch sehr froh, dass wir Euch haben!

Liebe Lehrerinnen und Lehrer,
danke für die Vorbereitung auf das Abitur, danke dafür dass Sie uns nicht nur den normalen Unterrichtsstoff, sondern auch für das Leben wesentliche Dinge beigebracht haben. Danke für alle Lebensweisheiten und Sprüche, die Sie an uns weiter gegeben haben, und danke, dass wir gelernt haben, so schlimm sind Sie alle gar nicht! Danke für die Stunden in der Cafeteria und für Hitzefrei im Sommer.

Lieber Herr Brammer,
vielen Dank für Iserv und die daraus resultierende gute Kommunikation via Internet.

Liebe Frau Harms,
danke für die Unterstützung in meiner Derby-Vorbereitungsphase und Ihre Aufmunterung nach meiner mündlichen Abiturprüfung.

Liebe Frau Kowalinski und liebe Frau Mock,
vielen Dank für Ihre Fürsorge, Ihr Organisationstalent, Ihre Mühen und für die gute Laune, mit der man immer im Sekretariat empfangen wird.

Liebe Ehemalige,
danke dass Sie uns gezeigt haben, dass man auch mit einem Abitur vom EMA etwas werden kann. Ich kann nur hoffen, dass wir in einigen Jahren so wie Sie hier sitzen werden und mit Zufriedenheit auf die frisch gebackenen Abiturienten schauen, wohl wissend, dass wir mit diesem etwas erreicht haben.

Danke schön.

Für die Eltern: Hans-Peter Scharmacher

Sehr geehrter Herr Bruns, sehr geehrtes Lehrerkollegium,
liebe Eltern, Gäste und Freunde, liebe Ehemaligen und liebe Abiturientinnen und Abiturienten!

Als ich bei der Planung der diesjährigen Abiturentlassungsfeier von den Schülervertretern gefragt wurde, ob ich denn stellvertretend für die Eltern ein paar Worte sagen würde, da habe ich nicht lange überlegt und gern diesen Part übernommen.
Es ist mir eine große Ehre und erfüllt mich mit besonderem Stolz, zum Ende meiner 13-jährigen Tätigkeit als Elternvertreter an dieser Schule hier heute zu Ihnen sprechen zu dürfen.
Und so habe ich mich denn auch für eine etwas andere Art der Rede entschieden, abweichend von dem, was sonst zu derartigen Anlässen als Vortrag gewählt wird. Vielmehr möchte ich ein paar Dinge ansprechen, die mir als Elternvertreter besonders am Herzen liegen.
Nach dem erfolgreichen Schulabschluss auch unseres zweiten Kindes an dieser Schule geht nun für mich eine Ära zu Ende.
Und so ist es mir auch nicht ganz leicht gefallen, mich auf der letzten Schulelternratssitzung von meinen Kollegen verabschieden zu müssen, auch wenn mir der Abschied durch ein kleines Geschenk im wahrsten Sinne des Wortes “versüßt” wurde, wofür ich mich auf diesem Wege noch einmal recht herzlich bedanken möchte.
Elternarbeit hat an dieser Schule eine große Tradition. Und ich bin sicher, dass diese erfolgreich fortgesetzt werden wird, um die zukünftigen Aufgaben gemeinsam mit Schulleitung, Lehrkräften und Schülern bewältigen zu können – zum Wohle unserer Schule.

Liebe Abiturienten!
Heute ist ein besonderer Tag für Euch und Ihr könnt es wahrscheinlich kaum noch erwarten, endlich Eure Abschlusszeugnisse in den Händen zu halten.
Genießt diesen Tag und feiert ihn, haltet dabei aber auch einen Moment inne und besinnt Euch auf das Vergangene.
Ihr habt nun nach 13 Jahren die Schule erfolgreich beendet und mit dem Bestehen der Abiturprüfung das Reifezeugnis erworben.
Dazu möchte ich Euch die herzlichsten Glückwünsche aussprechen.

Wir Eltern sind heute mindestens genauso glücklich wie Ihr und stolz auf Euch – unabhängig von eurer Durchschnittsnote – , wie auch Ihr auf Eure eigene Leistung stolz sein könnt.
Mit dem Ende Eurer Schulzeit beginnt nun ein neuer Lebensabschnitt für Euch.
Der gewohnte Schulalltag ist vorbei und es gilt, sich neu zu orientieren und zu organisieren.
Gleich welchen Weg Ihr eingeschlagen werdet, ob erstmal ein Auslandsaufenthalt, um sich vom Schulstress zu erholen und weil Ihr Euch vielleicht noch nicht entschieden habt, ob Zivildienst, Bundeswehr, Studium oder eine Berufsausbildung, meine besten Wünsche begleiten Euch.

Und vielleicht denkt Ihr dabei auch mal an Eure “alte Schule” zurück.
War die Zeit wirklich so schlecht, die Lehrer wirklich so ungerecht und die Mitschüler so schlimm ?
Blickt optimistisch in die Zukunft und geht Euren eigenen Weg.
Lasst Euch nicht anstecken vom dem Virus, der zur Zeit in unserem Land Depression und Resignation verbreitet und die Aktivitäten der Menschen lähmt, weil sie keine Perspektive mehr sehen.
Zeigt den Menschen, dass Ihr mit Eurer Aufbruchstimmung etwas bewegen wollt.
Und macht auch den Politikern klar, dass, wenn sie von Euch mehr Mobilität und Flexibilität fordern, dieses auch für sie zu gelten hat.
Nur wenn die Politik die richtigen Rahmenbedingungen schafft, sind die Menschen auch bereit, den gemeinsamen Weg mitzugehen.

Was bedeutet nun das Ende der Schulzeit unserer Kinder für uns Eltern?
Viele der heute hier anwesenden Abiturienten habe ich als Vorsitzender der Klassenelternschaft seit der 7. Klasse bis hin zum Abitur mit begleitet.
Dabei habe ich auch Sie, liebe Eltern, kennen und schätzen gelernt.
An zahlreichen Elternabenden haben wir zusammen gesessen, um gemeinsam mit dem Klassenlehrer über Schulfahrten, Probleme im Unterricht und auch manch Persönliches zu sprechen.
Und das gehört nun genauso der Vergangenheit an wie die zahlreichen Gesprächsrunden an den Elternsprechtagen unserer Schule, um etwa die Wartezeiten auf den Fluren zu überbrücken.

Und vielleicht geht es ja manchem genauso wie mir- irgendwie werde ich das alles vermissen.

An dieser Stelle gilt mein besonderer Dank dem Lehrerkollegium für seine geleistete Arbeit.
Ihrem unermüdlichen Einsatz haben wir es zu verdanken, dass unsere Kinder das nötige Rüstzeug bekommen haben, um auf ihrem zukünftigen Lebensweg weiter voranzukommen.
Und dass es nicht immer ganz leicht ist, den Schülern etwas beizubringen, kann ich aus meiner eigenen Sport-AG, die ich seit einem Jahr an dieser Schule nebenbei gebe, nur bestätigen. Leider aber wird der inzwischen harte Job eines Lehrers von vielen Außenstehenden immer noch verkannt.
Eltern sollten daher vielmehr für die Arbeit in der Schule interessiert werden, denn dann würde der Beruf des Lehrers hoffentlich auch wieder mehr Anerkennung finden.

Zum Schluss möchte ich mich noch einmal an Euch wenden, liebe Abiturienten !

Wie Ihr vielleicht wisst, bin ich nun mal mit Leib und Seele Sportler.
Und – nicht nur als Sportler, setzt man sich immer wieder neue Ziele.
Mein Traum wäre es z.B., eines Tages als Trainer mit einer Tischtennismannschaft dieser Schule im Bundesfinale in Berlin zu stehen.
Ich weiß auch, dass es im Moment eine Illusion ist – und vielleicht auch bleiben wird.

Aber, liebe Abiturienten, bewahrt Euch Eure Träume,
denn manchmal werden Träume eben auch wahr
– man muss nur hart genug dafür arbeiten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Hans-Peter Scharmacher

 

 

Für die Schule: Helmut Brammer-Willenbrock

Liebe Abiturientia,

die Schule entlässt Euch in wenigen Minuten ins Leben. Sie hat nun keine Macht mehr über Euch. Schauen wir zurück. Ich bin in Lüneburg zur Schule gegangen und habe an dem ehrwürdigen Johanneum mein Abitur gemacht. Beim ´Rausgehen blickten wir auf zwei steinerne Kugeln mit der Aufschrift:

BONUS INTRA MELIOR EXI! (Als guter (Mensch) tritt ein, als besserer gehe wieder hinaus.)

Aha. Hat die Schule Euch gebildet, gar zu besseren Menschen gemacht? Seid Ihr gerne zur Schule gegangen? Was habt Ihr mitgenommen?
Sehen wir zu. Wenn man Leute fragt, ob sie gern zur Schule gehen oder gegangen sind, so ist die Reaktion oft wortloses Lächeln, manchmal verächtliches Schnauben. Zunächst wird die Schule ja oftmals als unangenehm, als Ort des Zwanges empfunden. Woran liegt das?

Vielleicht muss man jetzt über zwei Begriffe nachdenken: Macht und Autorität.
Mit beidem hattet Ihr zu tun, mit beidem werdet Ihr zu tun haben. Und wie die Schule sich in diesem Spannungsfeld bewegt, so kann sie ihrem hohen Anspruch mehr oder weniger gerecht werden.
Im Geschichtsunterricht hört man oft, wenn davon die Rede ist, was denn Politiker, Könige, Herrscher umtreibe: „Er wollte mehr Macht.“ „Er strebte nach Macht.“ Das scheint alles zu erklären. Was ist das? Fragen wir mal nach.
Macht ist erotisch, Erotik der Macht, so sagt man. Na ja. Die gefurchte Stirn des Bundeskanzlers soll wohl Nachdenklichkeit ausdrücken. Der U-förmig dem Erdboden zustrebende, nach unten gezogene Mund von Frau Merkel und das vorgereckte Kinn von Herrn Gerhardt, der uns wohl als einer der Aspiranten auf das Amt des Außenministers ins Haus steht, das Kinn, das wohl Entschlossenheit signalisieren soll – erotisch?

Spaß beiseite. „Macht“ ist zunächst die Möglichkeit, einem anderen seinen Willen aufzuzwingen. „Wißu waß auffe Schnautße ham?“ wurde man auch früher schon in Lüneburg und Hamburg oft von Rockern gefragt, die Streit suchten mit langhaarigen Gymnasiasten. Das war nackte, primitive Gewalt. Aber – Definition – „Macht beruht auf der Möglichkeit, zu Zwangsmitteln zu greifen. Macht ist gesellschaftlich mehr oder minder institutionalisiert, sie beruht in der Regel auf Befugnissen. Die Ausübung von Macht stellt eine spezifische gesellschaftliche Rolle dar. In diesem Sinne kann von Macht der Staatsorgane, von Macht eines Vorgesetzten, von Wirtschaftsmacht etc. gesprochen werden.“

Die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler ist eine dreifache, sie ist zuerst eine intellektuelle, je älter, desto mehr, vom Bildungsauftrag her, sie ist eine zwischen Menschen, also immer schon eine persönliche, mehr oder minder harmonische, auch manchmal ganz unharmonische, aber der Sache der Bildung untergeordnet, und – sie ist auch eine Beziehung von Subjekt und Objekt von Macht. Jeder Schüler weiß, dass der Lehrer auch Macht über ihn hat. Er kann ihn mit Sanktionen belegen. Er kann ihn schikanieren. Aber können Schüler das nicht auch, einen Lehrer so richtig auflaufen lassen, ihn in die Ecke drängen? „Klamms Krieg“ lässt grüßen …

Nebenbei: Denken Schüler mal darüber nach, wie viel Zeit sie eigentlich so vertrödeln? So billig wie an der Schule gibt’s Bildung und Wissen nie wieder. Aber da kauft einer in Rom lieber Schuhe statt auf die Kuppel des Petersdoms zu gehen, da chattet man lieber irgendwelches Zeugs und schiebt in O-ätz-Community Punkte hin und her statt dieses großartige Internet für das Nachschlagen von wichtigen Dingen zu nutzen. Das kann nicht nur an der Schule und den Lehrern liegen; da fehlt auch das, was früher mal „Lust am Lernen“ hieß, heute heißt das Motivation, intrinsische nämlich.

Aber zurück.

„Der Ausübung von Macht entspricht auf Seiten der Unterlegenen […] Gehorsam, ein Sich-Fügen aus Interesse: Man will Sanktionen, die bei einem Andershandeln zu befürchten sind, vermeiden, oder man erhofft von einem erwartungsgemäßen Verhalten Vorteile.“
Das leuchtet ein, es beschreibt genau unser Verhalten.

Was aber ist Autorität? (Die allererste Autorität im Leben eines Menschen sind übrigens die Eltern.) Autorität bedarf keiner äußeren Machtmittel, keiner Demonstration von Macht, keines Gepränges, sie bedarf keines erzwungenen oder erbrüllten Gehorsams. Einer Autorität ordnet man sich freiwillig unter, ihr Wort hat Gewicht, man horcht auf, gleichgültig ob es ein Popstar ist – Bono von U2 oder Sir Bob Geldof, der vor 20 Jahren die bedeutendsten Rockstars der Welt zum LiveAid-Konzert zusammenbrachte und übermorgen Live8 aufführen lassen wird – oder der verstorbene Papst Johannes Paul II., vor dem auch ein Atheist sich in Respekt verneigt.

Noch ein Aspekt: „Unter sozialer Autorität soll verstanden werden die anerkannte Befähigung von Personen, bestimmte Sachaufgaben zu meistern. Solche Befähigung beruht in aller Regel auf fachlicher Kompetenz; sie entspringt den bestehenden Formen der Arbeitsteilung. Kennzeichen von Autorität ist, dass sie einer Kontrolle des Erfolgs unterliegt und daher verlorengehen kann, wenn der Erfolg für längere Zeit ausbleibt.“ Macht muss deshalb nicht unbedingt abtreten.

Es gehört Authentizität dazu, Aufrichtigkeit. John Kerry hat in der letzten der drei Fernsehdebatten im Wahlkampf 2004 gesagt, worauf es ankomme in dem Amt des mächtigsten Mannes der Welt: „Just three words – integrity, integrity, integrity.“ Geht die verloren, geht auch die Autorität schnell verloren. Man stelle sich nur vor, ein Lehrer bestiehlt seine Schüler, macht Schüler oder Schülerinnen an, kommt gar nicht mehr zum Dienst – Autorität weg, Angst vor der Macht bleibt.

Einer Autorität folgt man ohne Zwang, allein wegen der Kraft der Überzeugung. Die Faszination, die von dem verstorbenen Papst Johannes Paul II. ausging, beruht sicherlich auch darauf, dass er unbeirrbar seine Grundsätze lebte, nicht Wasser predigte und Wein trank, nicht Ehrlichkeit sagte und log, der nicht Frieden sagte und einen Krieg vorbereitete. Man glaubte ihm eben, und das weit über den Kreis der gläubigen Katholiken hinaus. Denn er stand zu sich und auch zu seiner Krankheit, sogar zu seinem Sterben – das alles gehört ja zum Leben dazu – und verleugnete sich selbst nicht.

Im Idealfall verbinden sich Macht und Autorität. Stalin steht für nackte Macht und Willkür. „Wieviele Divisionen hat der Papst?“ fragte er einmal spöttisch. Nun, das konnte man auf dem Petersplatz in Rom sehen, als Johannes Paul II. zu Grabe getragen wurde. Der hat Autorität ohne Macht verkörpert. Wer verkörpert aber beides? Für die USA Franklin D. Roosevelt, die Brüder Kennedy, für die eine Hälfte heutzutage auch Bush. Für die Deutschen sicherlich Adenauer und Brandt, unbedingt Gorbatschow (für viele Russen aber gar nicht).

Kommen wir zu den kritischen Fällen, die das Kino, aber auch das Leben so schreibt: Was ist, wenn jemand in eine Position gelangt, der betrogen hat, durch Schiebung also? Halt, ganz wichtig: Autorität hat zunächst offenbar mit Wahrhaftigkeit als Eigenschaft zu tun. Also:

Man stelle sich vor, da wird einer Präsident, und bei den Wahlen geht es nicht mit rechten Dingen zu, sagen wir, es verschwinden Stimmzettel, es gibt Streit darum, welche Stimme gültig sei usw.; nehmen wir auch an, es wird das endgültige Zählen verhindert.
Man stelle sich vor, jemand habe Zeugnisse gefälscht und praktiziere als Arzt, operiere sogar. Sowas steht in den Zeitungen.
Man stelle sich vor, ich hätte mich auf eine Stelle beworben. Um diese zu erhalten, müsste ich eine Unterrichtsstunde vorführen. Um die Konkurrenz auszuschalten, übte ich die Stunde ein paar Mal, alles wäre reine Show. – Mir würde übel, und ich könnte nie wieder in den Spiegel schauen.
Man stelle sich vor, ein Schüler erhielte vor einer Prüfung schon mal die Aufgaben – und würde glänzend beurteilt. Neulich ging so etwas durch die Presse und das Internet, als er aufgeflogen war.
Man stelle sich vor, einer schreibt seine Hausarbeit, Facharbeit irgendwo ab und gibt sie als eigenes Werk aus. Plagiate sind ja an Universitäten und mitunter auch an Schulen – referate.de, hausaufgaben.de to name but few – eine Landplage geworden.

(Wie glaubwürdig oder unglaubwürdig diese Beispiele sind, mögen Sie selbst beurteilen.)

Mir geht es übrigens nicht um den juristischen Gehalt von solchen Schiebereien.
Mir geht es hier um die moralischen Verwüstungen, die sie anrichten.

Begriffsklärung: auctor bedeutet lt. Georges wörtl. etwa der Förderer, d.i. der, der etwas noch nicht Vorhandenes … ins Dasein fördert […] Autorität kommt von lat. auctoritas,Gültigkeit, Gewähr, Bürgschaft“, daraus folgt Ansehen, Gewicht, Einfluss.

Wie soll einer, der sich durch Betrug und Schiebung einen Vorteil erschlichen hat, noch Autorität sein können? Wie soll er Selbstachtung empfinden können? Ich stelle mir vor, dass so einer dann doch ständig auf der Hut sein muss, denn er weiß ja nicht, was andere wissen. Wenn das alles ’rauskommt! Wie viel Energie wird absorbiert durch das stete Auf-der-Hut-sein? Berlusconi in Italien kommt oft kaum zum Regieren, weil er entweder wegen Betrugs oder aktiver Bestechung vor Gericht stehen muss oder weil er mit Amnestie-Gesetzen, die er auf seine Person zuschneiden lässt, befasst ist – summum ius, summa iniuria – auf die Spitze getriebenes, formalisiertes Recht kann höchstes Unrecht bedeuten.
Jedenfalls: Ein solches moralisches Desaster wuchert vor sich hin wie ein Geschwür und frisst sich durch ein Sozialsystem. Also: Ziel für ihn erreicht. Moral kaputt. Selbstachtung kaputt. Wahrheit=Lüge. Orwells doublespeak läst grüßen.

Was ist also mit der Autorität? Das schnippisch-arrogant-höhnisch-dümmliche Grinsen von George W. Bush ist einmal – ich meine, es war der Theologe und Psychoanalytiker Eugen Drewermann –mit dem Satz charakterisiert worden: „Der Gesichtsausdruck sagt: Wenn das alles auffliegt …“
Der Rest ist bekannt.

Donald Rumsfeld – Bushs Verteidigungsminister – hat einmal auf die Frage, wieso die USA so am Völkerrecht, der Weltmeinung, und dem Weltsicherheitsrat vorbei in den Irak einmarschiert seien, schneidig und mit schnarrender Stimme geantwortet: „Because we could do it!“ („Weil wir es konnten!“) Ganz einfach, ganz stumpf. Das ist ehrlich, und es zeigt die Arroganz der Macht – lupenrein: Wir können tun und lassen, was wir wollen. Lasst sie alle nölen und keifen. Uns kann nichts passieren. Autorität? Unnötig. (Ist solche Macht erotisch?

Aber: Ganz offensichtlich spielen hier auch Psychologie und die Selbstwahrnehmung hinein: Bush ist ja der Überzeugung, dass die Apokalypse naht und dass der Kampf des Guten gegen das Böse bald entschieden werden müsse. Und der Manager, der das „Victory“-Zeichen machte, als er in den Gerichtssaal kam, und in die Kamera lachte, war sich wie seine Mitangeklagten keiner Schuld bewusst. Was war geschehen? Der Vorwurf lautete Untreue gegenüber den Aktionären. Einige Manager hatten nur einen Konzern zuschanden geritten, eine spekulative Explosion des Börsenkurses erzeugt (von der nicht viel übriggeblieben ist), die sie als „Leistung“ bezeichneten, und einer von ihnen meinte deswegen, er sei noch bescheiden gewesen mit seinen 30 Millionen Euro. 30 Millionen Euro – wer will das eigentlich ausgeben? Der ist Mitte 50. Wenn er 85 wird, so kann er bis dahin jedes Jahr 1 Million Euro ausgeben. Wie will er das anstellen? Wir haben alle nur ein Leben.
Jedenfalls: Der scheint total anders drauf zu sein. Vielleicht liegt das an den Lebenszielen und der Lebensweise, vielleicht ist das ja ein kulturelles Problem, nämlich wie mit Geld umgegangen wird.

Was hat Geld für eine Funktion? Es soll einem die Mittel zur Verfügung stellen, dass man sein Leben – möglichst gut und bequem, ja, durchaus! – verbringen kann. Das ist die gängige Auffassung. Aber da ist noch etwas ganz anderes: Es scheint Selbstzweck zu sein, aus viel Geld mehr zu machen. „He earns phone numbers“ – aber beneide ich ihn deswegen, wenn das alles ist? Habt Ihr mal ein Interview mit Paris Hilton oder Jenny Elvers gehört? Muss man auf die neidisch sein, denen nacheifern? „Am Gelde hängt, zum Gelde drängt doch alles“ – aber das Geld ist so tot wie nur etwas. Zwar gilt: Ohne Geld ist vieles schwierig. Aber: Geld kann nur Mittel sein, niemals Zweck. Die Jagd nach Geld bleibt immer Ersatzbefriedigung – und die löst die Suche nach neuem Ersatz aus.

Hier – in dieser Einstellung zum Geld – zeigt sich eine wirkliche kulturelle Bruchlinie Huntingtonschen Ausmaßes! Das rastlose Jagen nach Titeln, mehr Geld, noch mehr Anerkennung, das scheint alles andere zu überlagern, Zwang zu werden. Kann das Lebensinhalt sein? Überlegt Euch das gut.

In einem sehr weisen Buch voll tiefer Menschenkenntnis heißt es:

„Was hülfe es dem Menschen, wenn er die Welt gewönne,
und er nähme doch Schaden an seiner Seele?“
(Matthäus 16, 20)

In dem Film „Das Boot“ hat mich die Figur des Johann tief beeindruckt. Er ist immer unten in dem dunklen Maschinenraum mit Ölkanne und Stethoskop und hört hin, wenn etwas unrund läuft – sofort ist er mit der Ölkanne da und behebt das Problem. Nur sehen ihn die wenigsten. Aber ohne ihn liefe gar nichts. Wieviele Johanns gibt es, die den Laden am Laufen halten, die aber keiner wahrnimmt? Johann weiß das, aber er nutzt das nicht aus. Ihm geht es nicht um ein „Immer Mehr“ oder um show und Selbstdarstellung, ihm geht es einzig um höchst professionelle Arbeit. Das macht ihn zufrieden.
Zwar ist Unzufriedenheit mit dem status quo eine wichtige Antriebskraft für den Fortschritt der Menschen. Ob man das aber über das Streben nach Titeln und Auszeichnungen und anderen Äußerlichkeiten auch sagen kann, das bezweifle ich sehr.
Lasst Euch also nicht verführen von den Sirenengesängen des schnellen Geldes, der Karriereversprechen. Bleibt an der Sache dran. Lest. Bildet Euch weiter. Benutzt niemals Menschen für Eure Zwecke, ein Mensch ist kein Mittel. Vermeidet, Dinge zu tun, um ganz etwas anderes zu erreichen. Sonst macht Ihr beides nicht ordentlich.

Helga Gröne, die wir heute vor 4 Wochen zu Grabe getragen haben, hat vor 6 Jahren mit einigen Schülern unsere Homepage aufgebaut. Sie hat unbeirrbar und beharrlich die Modernisierung dieser Schule vorangetrieben. Sie hat mit ihrer Homepage nach dem Brand die Schule zusammengehalten. Sie hat einmal gesagt, dass die Arbeit an der Homepage und an der English Lounge und allem sehr viel Zeit erfordere. Warum sie es dann tue? Sie hat das vor 4 Jahren auf einer Konferenz gesagt: „Ganz ohne Hintergedanken, für Karrierezwecke nützt das nix, das kostet viel zu viel Zeit. Ich mache das, weil mich die Sache fasziniert und weil ich das richtig finde.“ Punkt. Mehr nicht.

Das ist es: Aufstieg, Titel, Karriere, Geld für sich bringen „nicht wirklich“ etwas für uns als Personen. Sie sind – für sich allein genommen – Abzeichen, Hüllen, hohl – wenn nicht Autorität sich dazugesellt. Was zählt, ist der Inhalt. Schlieffen – der mit dem Plan – hatte den Wahlspruch: „Mehr sein als scheinen“. Also: nicht blenden, nicht sich in Szene setzen.
Fragt Euch lieber: „Wenn ich dies oder das tue, werde ich davon ein besserer Mensch?“ Die alten Griechen hatten eine Vokabel: ΕΥ ΖΗΝ (eu zän) gut leben – nicht unbedingt bequem, sondern vor allem sittlich gut und an der Vervollkommnung der eigenen Persönlichkeit arbeitend, die Balance zwischen sich und den anderen Menschen erstreben.

Aristoteles – ich hatte gedacht, ich könnte ohne ihn auskommen – Aristoteles also hat mal formuliert, dass ganz so, wie die Eliten beschaffen seien, auch das gemeine Volk beschaffen sei. – Gleich werdet Ihr Eure Zeugnisse in Empfang nehmen. Ihr selbst und auch Eure Eltern können stolz darauf sein. Das Abitur eröffnet Euch großartige Perspektiven, auch die, zur Elite unseres Landes zu gehören. Erweist Euch würdig. Nutzt Eure Bildung, arbeitet daran. Seht dann zu, dass Ihr auf dieser Seite der kulturellen Bruchlinie steht; die andere Seite des Strebens nach bloßem Vorteil (ich! Ich!) führt in die Kälte und, wenn wir nicht aufpassen, in den Ausverkauf allen dessen, was uns als Menschen ausmacht. Eine solche persönliche Entscheidung wird von jedem irgendwann einmal verlangt wird. Entscheidet Euch.

P.S.: Kleines Abschiedsgeschenk: Auch wenn Ihr geht – über ISERV bleibt Ihr mit dem EMA verbunden. ISERV rulz.

Vielen Dank.

Motto:
ABI 05 Punkte reichen!!!

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