Abiturjahrgang 2006

Anna Aust; Konrad Balinski; Renate Baun; Ilya Bekman; Martin Bley; Frederike Blömker; Jost Brammer; Sebastian Brehmer; Christine Breithaupt; Curro Cachinero; Katrin Chmurzynski; Volha Chudakova; Anna Dits; Nea Dunkel; Sergej Gassert; Pia Glawion; Viktoria Gopanchuk; David Grant; Siân-Selina Grant; Mareike Helmers; Tanja Herhert; Irina Herlitz; David Heuer; Anastasia Hinkel; Philipp Holtorf; Marc Hopkins; Katharina Hörmann; Andrej Horst; Florian Knochenwefel; Andreas Koch; Thomas Koch; Julian Krallmann; Renate Langner; Paul Lehmann; Melanie Leitloff; Katharina Ludemann; Lilli Mill; Nadia Mironenko; Tina Moldenhauer; Daniel Alexander Nordemann; Laura Nunziante; Olga Pfaffenrot; Maike Portheine; Tajana Raffelt; Endreas Rakow; Feemke Rohling; Alina Ruge; Nicole Ruthemeier; Björn Schauland; Jana Schelawski; Su-a Schopmeyer; Sabrina Schramm; Wiebke Schröder; Thorsten Schröer; Tobias Schröer; Patrick Siefker; Alexandra Sklifas; Magomed Tangiev; Paulina Tirbach; Ruth Volmer; Christiane Weisemöller; Anna Weißheim; Tim Wellbrock; Timo Wischmeier; Jana Witte; Anastasia Wolf; Olesja Wolkowa; Pia-Romina Ziegler

 

Entlassungsfeier für die Abiturentia 2006

Die Reden:

für die Goldenen Abiturienten des Jahrgangs 1956: Dr. Gerold Deffner,
für die Eltern: Rainer Schröer,
für die Schule: Dr. Friedemann Neuhaus
für den Jahrgang: Laura Nunziante

 

Für die Goldenen Abiturienten des Jahrgangs 1956:
Dr. Gerold Deffner

Liebe Abiturientinnen, liebe Abiturienten, liebe Eltern, Geschwister und weitere Verwandte derer, die heute hier gefeiert werden, liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Lehrerinnen und Lehrer dieser Schule!
Wer sich in den vier genannten Gruppen nicht wiederfindet, sei ebenfalls herzlich begrüßt.

Ihnen, die vor kurzem das Abitur an dieser Schule bestanden haben, gratuliere ich sehr herzlich im Namen derer, die 50 Jahre vor Ihnen Ähnliches geschafft haben. Wenn wir Abiturienten des Jahres 1956 heute bei Ihrer Entlassungsfeier dabei sind und uns zu Wort melden, dann liegt ein Thema geradezu in der Luft: „Tradition und Wandel“. Schon die Tatsache, dass „Silberne“ und „Goldene“ Abiturienten regelmäßig zu den Abiturfeiern kommen, hat Tradition an unserer Schule. Und sorgt schon dadurch dafür, dass Vergangenes nicht ganz vergessen wird. Aber das Handgreiflichere zuerst: der Wandel. Das, was sich seit unserer Schulzeit geändert hat:

Die deutlichste Veränderung habe ich erst in den letzten anderthalb Stunden kennen gelernt, als der Schulleiter uns durch diese Schule geführt hat. Welch ein Unterschied zu dem alten Gebäude an der Lotter Straße! Ein anderer Wandel wurde schon greifbar in meinen Begrüßungen: „Abiturientinnen und Abiturienten“, „Schülerinnen und Schüler“, „Lehrerinnen und Lehrer“ — vor 50 Jahren gab es an unserer Schule noch keine Mädchen. Vielleicht war das der Grund, weshalb ein Oberstufenschüler einmal nachts auf einer Klassenfahrt im Traum stöhnte: „Hilfe, Mutter, sieben Mädchen!”

Vorhin sagte ich, wir hätten vor 50 Jahren Ähnliches geleistet wie Sie. Nicht Gleiches; denn zwischen damals und heute hat es eine Neuerung im deutschen Schulwesen gegeben, die Oberstufenreform, die dafür gesorgt hat, dass die Leistungen damaliger und heutiger Abiturienten kaum mehr vergleichbar sind. Ein Unterschied: Wir mussten 1956 vor der mündlichen Abiturprüfung darauf gefasst sein, in irgendwelchen zwei (vielleicht sogar drei) von 13 möglichen Fächern „dran zu kommen“. Heute gibt es in der Abschlussprüfung nur vier Fächer, nach bestimmten Spielregeln von jedem Prüfling selbst bestimmt.

Eigentlich wollte ich hier nur Chronist sein, an frühere Zustände erinnern, den Wandel nicht werten. Aber in diesem Fall kann ich es nicht lassen. Manchmal wird geklagt, durch die Oberstufenreform sei das alte Ideal der Allgemeinbildung aufgegeben worden. Ich denke aber, unter dem Konkurrenzdruck der Bildungssysteme anderer Länder können wir gar nicht anders, als — jedenfalls im schulischen Bereich — von der Allgemeinbildung alten Stils gewisse Abstriche hinzunehmen. Allein, dadurch, dass die heutigen vier Abiturfächer aus verschiedenen Aufgabenfeldern gewählt werden müssen, wird eben doch eine gewisse Streuung der Wissensgebiete erreicht. So hat die Oberstufenreform einen annehmbaren Mittelweg gefunden zwischen traditioneller deutscher Allgemeinbildung und moderner Spezialisierung. So kommt es an deutschen Schulen noch nicht zur Züchtung von Fachidioten. — Andererseits wird in den heutigen Leistungskursen sicherlich mehr verlangt und geleistet als in irgendeinem der dreizehn Fächer von damals.

Ich setze wieder den Hut des Chronisten auf und nenne noch ein paar Dinge, die vor 50 Jahren anders waren. Oder auch vor 59:
1947 kamen die meisten von uns auf die „Staatliche Oberschule für Jungen“, nach einwöchigem Probeunterricht, bei dem es an den ersten Tagen keine Hausaufgaben gab. An paradiesische Zustände gewöhnt man sich schnell: Prompt verbaselte ich die erste Hausaufgabe und war überzeugt, dass ich so den Sprung ans Gymnasium schon verpatzt hatte. Zum Glück nicht. Zwei Parallelklassen wurden eingerichtet. 5a, das waren die Fahrschüler aus dem Landkreis Osnabrück, meistens aus Richtung Bramsche; 5b, das waren Schüler von den Volksschulen der Stadt. In der 5b waren wir, wenn ich mich recht erinnere, 52 Schüler. Ab Jahrgangsstufe 9 wurden beide Klassen neu gemischt, wir konnten zwischen dem sprachlichen und dem mathematischen Zweig wählen. Am Ende der 12. Klasse gab es das so genannte „Vorabitur“: Die „m“-Klasse machte die Abschlussprüfung in den Fremdsprachen, die „s“-Klasse in Mathematik und Naturwissenschaften. Ja, das schlimme Mathe-Abitur der „s“-Klasse! In der 12s waren wir 23 Schüler — und 19 Abiturarbeiten in Mathematik waren „mangelhaft“. Den „Drittelerlass“ gab es damals noch nicht.

Hier noch etwas mehr Statistik: den 52 Schülern der 5b des Jahres 1947 standen 1956 in der 13s 15 Abiturienten gegenüber, das sind knapp 30%. Wie groß die 5a war, weiß ich nicht; aus der 13m gingen 18 Abiturienten hervor.

Aus unserem letzten Schuljahr seien zwei herausragende Ereignisse wenigstens kurz erwähnt. Auf unserer letzten Klassenfahrt war die Jugendherberge Goslar unser Quartier. Bei einer Nachtwanderung von Bad Harzburg zum Torfhaus wurden irgendwann sieben von uns vermisst. Dies in bedenklicher Nähe zur „innerdeutschen Grenze“. Unser Klassenlehrer Peter Koch und ein paar von uns eilten besorgt zurück, um sie zu suchen. Erfolglos. Später stellte sich heraus, dass die Sieben tatsächlich direkt an den Bach gekommen waren, der dort die Grenze bildete. Und wirklich stießen sie dort auf Volkspolizisten. Die mussten überprüfen, ob es sich wirklich um Westler handelte oder aber um Republikflüchtlinge. Also verlangten sie Ausweise. Die wurden ihnen aber vorsichtigerweise unten am Bach nur gezeigt, nicht etwa gegeben. Die zweite Geschichte spielte sich im Englisch-Unterricht ab. Für die mündliche Abiturprüfung sollte jeder ein Gedicht parat haben und es gegebenenfalls auswendig vortragen können. Dies wurde vorher im Unterricht geübt. Irgendwann war — ich nenne ihn mal Jürgen — mit seinem Gedicht an der Reihe. Wir hatten große Schwierigkeiten, dem Vortrag zu folgen. Auf Befragen teilte Jürgen mit, es sei ein Gedicht eines lebenden amerikanischen Dichters, Ed Maugham. Da waren mehr Informationen gefragt, und Jürgen machte sich schlau und hielt ein Referat über Leben und Werk des Dichters, konnte sogar einen Brief von dessen Frau vorlesen, der eindeutig aus den USA gekommen war. Tatsächlich hatte Jürgen sein Gedicht gar nicht auswendig gekonnt, sondern ein deutsches Gedicht, das er unter der Bank hatte, improvisierend ins Englische übersetzt. Deshalb war es auch so schwer verständlich und so modern. Den Brief aus Amerika beschaffte — ich nenne ihn mal Christian —, der zwei Jahre vorher dort zur Schule gegangen war und noch gute Verbindungen hatte. (Ob alle Einzelheiten dieser Darstellung stimmen, kann ich nicht sagen; so habe ich sie in Erinnerung.)

Noch einmal zurück in das Jahr 1947. Wir hatten alle das Ende des 2. Weltkriegs erlebt und in Erinnerung. An unserer neuen Schule wurden wir mit der Aufforderung begrüßt, wir sollten unsere eigenen Stühle oder Hocker mitbringen, damit wir was hätten, worauf wir dem Unterricht folgen könnten. Im Schulgebäude an der Lotter Straße gab es noch Kriegsschäden, die Aula war noch nicht wieder benutzbar.

So wurde die Entlassung von Abiturienten im Luther-Haus an der Jahnstraße gefeiert. Dort sah ich 1948 oder 1949 erstmals einen „Goldenen“ Abiturienten. Der hatte also noch im 19. Jahrhundert sein Abitur gemacht! Unglaublich alt! So wie wir heute.

Liebe Abiturientinnen und Abiturienten! Seit 1956 dürfte vieles leichter, bequemer, angenehmer geworden sein. Aber eines gewiss nicht, nämlich der Lebensabschnitt, den Sie jetzt vor sich haben: Ausbildung und Berufsleben.

Wir drücken Ihnen die Daumen und wünschen Ihnen auf Ihrem weiteren Lebensweg viel Erfolg und alles Gute.

 

Für die Eltern: Rainer Schröer

Sehr geehrter Herr Bruns,
sehr geehrtes Lehrerkollegium,
liebe Eltern, liebe Ehemalige, liebe Freunde und Verwandte der Abiturienten und vor allem liebe Abiturientinnen und Abiturienten.

Ihr habt es geschafft! 13 Schuljahre habt ihr bis zu diesem Abschluß hinter euch gebracht, der eine mehr der anderer weniger leicht, mit schönen und nicht so schönen Erfahrungen.
In Kürze werdet ihr alle das Abiturzeugnis erhalten als Nachweis der Leistungen, die ihr in der Abiturprüfung und in den letzten beiden Jahren erbracht habt. Mit diesem Dokument haltet ihr den Schlüssel für eure berufliche Zukunft in Händen.

Ihr dürft, ja ihr sollt, stolz auf eure Leistung sein. Ich gratuliere euch hierzu ganz besonders.
Ich wünsche euch, dass ihr die Ausbildungsstelle oder den Studienplatz bekommt, den ihr euch wünscht und im Anschluß daran einen sicheren Arbeitsplatz.

Liebe Abiturientinnen und Abiturienten, auch Stars müssen einmal gehen, habt ihr euch auf eure Abi-T-Shirts drucken lassen. Bevor ihr aber in einen neunen Lebensabschnitt geht, erlaubt mir euch die folgenden Ratschläge mit auf den Weg zu geben.

In eurer Schulzeit ist euch nicht nur Wissen vermittelt worden, sondern auch die Fähigkeit zu analytischem Denken.
Verantwortliches Handeln und soziales Verhalten und Engagement habt ihr erlernt und geübt.
Ihr wisst, dass Wissen und Bildung befähigt im Guten wie im Schlechten zu handeln.
Mit eurer Bildung tragt ihr eine besondere Verantwortung in der Gesellschaft. Deshalb mischt euch ein, in eurem Wohnumfeld, an der Uni, am Ausbildungs- und Arbeitsplatz. Setzt euch ein für eine soziale und gerechte Gesellschaft. Umverteilung zu Gunsten weniger Menschen und zu Lasten sozial Benachteiligter darf es nicht geben. Rassismus und rechtes Gedankengut haben keinen Platz in unserer Welt.
Nutzt euren Bildungsstand, mit friedlichen Mitteln, mit Intelligenz und Gefühl Einfluss zu nehmen. Mittel der Gewalt führen nur zu weiterer Gewalt und Ungerechtigkeit.
Wir leben in einer Zeit, in der die Welt durch die technischen Möglichkeiten immer enger zusammenrückt. Die Globalisierung birgt Chancen und Risiken. Das Zusammenleben auf dieser Welt ist kein Spiel, bei dem es Gewinner und Verlierer geben darf. Deshalb setzt euch dafür ein, dass die Wirtschaft nicht zum Selbstzweck wird, sondern zur Schaffung von Wohlstand, Glück und Frieden aller Menschen auf dieser Welt genutzt wird.
Ihr hattet den Vorteil, schon in der Schule in multinationaler Gesellschaft zu sein. Nutzt diese Erfahrung für eine schrankenlose Gesellschaft, in der das Geschlecht, die Nationalität, die Hautfarbe, Religion und politische Einstellung keine Rolle spielt und beteiligt euch nicht am alltäglichen Mobbing gegenüber Schwächeren.
Wir haben nur diese eine Welt, in der wir alle, ob jung oder alt, ob arm oder reich gemeinsam leben wollen und auch unseren Kindern sollten wir eine politisch, wirtschaftlich und ökologisch geordnete Welt hinterlassen. Daran sollten wir alle gemeinsam und gleichberechtigt arbeiten. Behaltet dabei aber eure jungendliche Spontaneität und geht auch unkonventionelle Wege mit Kreativität und Mut.

An dieser Stelle gilt mein Dank allen Lehrern für ihren Einsatz, so dass unsere Kinder die Schule mit Erfolg beenden konnten.
Die Leistungsfähigkeit des EMA, eingeschlossen das Engagement der Lehrkräfte, fand erst vor kurzem im Bericht der Schulinspektion seine Bestätigung und bedarf daher keiner weiteren Erklärung meinerseits.

Zum Abschluß möchte ich aber doch noch eine kleine Beschreibung des Lehrerberufes abgeben. Wahrscheinlich gibt es nicht viele Berufe an die, die Gesellschaft so widersprüchliche Anforderungen stellt:

gerecht soll er sein, der Lehrer
und gleichzeitig menschlich und nachsichtig,
straff soll er führen,
doch taktvoll auf jedes Kind eingehen,
Begabungen wecken,
pädagogische Defizite ausgleichen,
Suchtprophylaxe und Aidsaufklärung betreiben,
auf jeden Fall den Lehrplan einhalten,
wobei hochbegabte Schüler gleichermaßen
zu berücksichtigen sind wie begriffsstutzige.
Mit einem Wort
Der Lehrer hat die Aufgabe,
eine Wandergruppe mit Spitzensportlern und Behinderten
bei Nacht durch unwegsames Gelände
in nordsüdlicher Richtung zu führen,
und zwar so,
dass alle bei bester Laune
und möglichst gleichzeitig
an drei verschiedenen Zielorten ankommen!

Liebe Abiturientinnen und Abiturienten,
für eure Visionen und Träume hinsichtlich eurer Zukunft wünsche ich euch nochmals alles erdenklich Gute.

 

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!

 

Für die Schule: Dr. Friedemann Neuhaus

Liebe Jubiläumsabiturienten,
liebe Eltern, Freunde und Verwandten,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
vor allem aber: liebe Abiturientinnen und Abiturienten 2006,

In wenigen Minuten werdet ihr eure Zeugnisse, die euch eine allgemeine Hochschulreife bescheinigen, in der Hand halten. Vermutlich seid Ihr glücklich, es endlich geschafft zu haben und der Schule den Rücken kehren zu können. Die Größe des Glücks ist allerdings nicht unbedingt proportional zu der erreichten Note. Einer ist vielleicht überglücklich, es mit einer 3,8 überhaupt geschafft zu haben, während die andere über eine „1,8“ vielleicht gar nicht so glücklich ist, da sie sich viel mehr erhofft hat. Und es gibt auch leider wieder ein paar Leute, die es in diesem Jahr nicht geschafft haben. Und die sind sicherlich heute nicht glücklich.

Glück ist also relativ. Ich möchte dies zum Anlass nehmen, um heute einmal über das Glück zu sprechen. Was ist Glück? Wir haben uns im Rahmen des thematischen Schwerpunkts zur Geschichte der USA auch mit der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung befasst. Dort heißt es, dass jeder Mensch ein Recht auf Leben und Freiheit habe sowie – und das ist wirklich eine bemerkenswerte Formulierung – auf das Streben nach Glück. Nicht auf Glück an sich, das wäre ja auch rechtlich kaum einklagbar – sondern auf das Streben danach: „pursuit of happiness“.

Das Wort Happiness – Glück oder Glückseligkeit – bedeutet allerdings zunächst einmal etwas anderes als Glück zu haben, im englischen: „luck“. Man kann zwar happy sein, wenn man Glück hat, aber der Lottogewinn ist keine Garantie für happiness. Glück zu haben und Glück zu empfinden, d.h. glücklich zu sein, sind zwei verschiedene Paar Schuhe.

Vermutlich war damals zur Zeit der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung das Verständnis von Glück auch ein anderes als heute. Gut und nützlich ist alles, so propagierten es die Utilitaristen in der Nachfolge des englischen Philosophen Jeremy Bentham, was Glück hervorbringt und Glück steigert. Politische und wirtschaftliche Maßnahmen sollten also dazu dienen, die Gemeinschaft im Allgemeinen und das Individuum im Besonderen vor Unheil, Leid und Unglück zu bewahren.

Der Begriff Glück war somit noch nicht so gefühlsbeladen wie heute, sondern bedeutete schlicht Wohlergehen, ein gutes Auskommen, verschont zu bleiben von Schicksalsschlägen. Ein Mensch des ausgehenden 18. Jahrhunderts könnte es wohl kaum begreifen, dass in einem Land, in dem es den Menschen so gut geht wie uns heute in Deutschland, gleichzeitig so viel gejammert wird. Glück ist – ich sagte es bereits – nämlich relativ: Wenn euch euer Chef eine Gehaltserhöhung von 500 € verspricht, seid Ihr sicherlich glücklich. Wenn ihr aber erfahrt, dass alle anderen eine Gehaltserhöhung von 1000 € zugesprochen bekommen, wird aus dem Glück plötzlich bohrender Neid.

In Parenthese gesprochen sei hier kurz darauf hingewiesen, dass happiness auch nichts mit der aus England zu uns herüber geschwappten Pest namens „happy slapping – fröhliches Zuschlagen“ zu tun hat, von der leider auch unsere Schule schon befallen wurde: Ein Schulkamerad wird brutal zusammengeschlagen und erniedrigt, das Ganze wird mit Fotohandys gefilmt und anschließend in der Schule und im Internet unter der Rubrik funny clips verbreitet. Dann kann man sich weltweit an den Leiden eines anderen Menschen ergötzen. Der Werbeslogan eines großen Autokonzerns „Nichts ist unmöglich“ scheint sich hier auf ganz negative Art bewahrheitet zu haben.

Zurück zum Glück. Glücksforscher versuchen, dem Phänomen des Glücks wissenschaftlich auf die Spur zu kommen. Welche Menschen sind tendenziell eher glücklich, welche neigen eher dazu, unglücklich zu sein? So behauptet z.B. der niederländische Glücksforscher Ruut Veenhoven und das wird Herrn Brammer-Willenbrock jetzt nicht überraschen –, dass Menschen, die zwei Gläser Wein am Tag trinken, glücklicher seien als reine Teetrinker. Auch will man herausgefunden haben, dass verheiratete Menschen eher zum Glücklichsein neigten als unverheiratete. Unklar dabei ist nur, ob die Menschen durch und in der Ehe glücklich werden oder ob die ohnehin schon glücklichen Menschen eher zur Eheschließung neigen als ihre nicht so glücklichen Zeitgenossen. Das muss dann wohl jeder für sich herausfinden.

Interessant ist auch die Frage, wo auf der Welt denn die glücklichsten Menschen leben. Vor einigen Jahren war es ja Osnabrück, das den ersten Rang der Städte mit den glücklichsten Menschen erworben hat. Man sieht den Aufkleber noch an vielen Autos: „Ich komm zum Glück aus Osnabrück“. In einer neueren Umfrage hat es Osnabrück nun nicht mehr auf den ersten Platz gebracht. Auch im Ländervergleich, so behauptet Veenhoven, liegt Deutschland nur im Mittelfeld, auf Platz 1 hingegen die Schweiz, Dänemark und Malta. Veenhoven macht für das Glücksempfinden Freiheit, Demokratie, eine gute Verwaltung und Toleranz verantwortlich. Im Moment allerdings würde das Testergebnis aufgrund der Fußball-WM sicherlich anders aussehen. Dänemark und Malta waren erst gar nicht qualifiziert – und die Schweiz ist im Elfmeterschießen ausgeschieden, während Deutschland sich im kollektiven Glücksrausch befindet, so dass man sich schon besorgt fragen muss, was denn passiert, wenn die Nationalelf morgen gegen Argentinien ausscheidet, vielleicht sogar ganz unglücklich im Elfmeterschießen!

Was mich am Thema Glück eher beklommen macht, ist die Tatsache, dass es auf der Welt offenbar so ungerecht verteilt ist. Warum geht es mir so gut und vielen anderen Menschen so unsagbar schlecht? Unsere Kinder wachsen in einer Welt ohne Hunger und Krieg auf, wir können ihnen alles bieten, was sie zum Leben brauchen. Unsere drängenden Fragen drehen sich allenfalls darum, ob wir sie bei einem evangelischen oder einem katholischen Kindergarten anmelden oder ob wir sie auf eine staatliche Schule oder auf eine in privater Trägerschaft schicken. Was sind diese Sorgen gegen das Elend der Bauernfamilien im Sudan, die von umherziehenden Räuberbanden ausgeplündert, misshandelt und getötet werden?

Was ist ein Sitzenbleiben im Vergleich zu einem Leben als Kindersoldat in den Stammeskriegen irgendwo in Zentralafrika?

Die Goldenen Jubiläumsabiturienten werden es bestätigen, dass es ein erheblicher Unterschied ist, ob Kinder mit Dudelmusik aus dem Radio aufwachsen oder ob sie Tag für Tag die Sirenen des Fliegeralarms hören müssen…

Wir können uns daher wirklich glücklich schätzen, dass wir seit über 60 Jahren hier in Europa in einem auch institutionell durch die Europäische Union abgesicherten Frieden leben können, dass die Generationen vor uns, dazu muss man eben vor allem auch die Jubiläumsabiturienten zählen, einen Wohlstand erarbeitet haben, wie man ihn noch nie in der Geschichte gekannt hat. Vor etwa zwanzig Jahren hat der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl das Wort von der „Gnade der späten Geburt“ geprägt. Man könnte auch sagen, dem „Glück der späten Geburt“. Er ist dafür viel gescholten worden, weil man ihm unterstellte, er wolle damit die Verbrechen des Nationalsozialismus historisieren, so als bräuchte man sich als Spätgeborener nicht damit zu beschäftigen. Ich denke, man hat ihm mit diesen Vorwürfen Unrecht getan. Ich empfinde es als Glück in ein Land und in eine Zeit hineingeboren zu sein, die nicht von Diktatur, Gewalt und Krieg geprägt sind, sondern von Demokratie, Freiheit, Frieden und Wohlstand. Wenn man dieses Glück nicht zu empfinden vermag, hat das vielleicht auch etwas mit fehlender Dankbarkeit und Demut zu tun.

Nun ja, Glück lässt sich ohnehin nicht erzwingen, nicht bewusst herbeiführen. Es begegnet uns – und das kann man kaum beschreiben, ohne ein bisschen pathetisch zu werden – in kleinen und manchmal großen Momenten des Lebens. Der Liedermacher Gerhard Schöne hat dies in seinem Lied „Das Glück“ so ausgedrückt:

Ich fand es mal beim Muschelsuchen.
Da gab’s mir sein Geheimnis preis:
„Du rennst mir nach, willst mich erzwingen.

Halt inne, schau und sei ganz leis.

Dann wirst du staunend mich entdecken.

Dann hörst du meinen Glücksgesang.
Und ich kann dir aus vielen Blicken
entgegenschaun ein Leben lang.

Ich bin im Brotgeruch versteckt
Und wenn dich deine Liebste neckt
Im Dunkeln, dann hörst du mich lachen.
Ich warte auf dich, jetzt und hier
und wenn du singst, bin ich bei dir,
dich froh zu machen.“

Um das Glück zu empfinden, muss man eben offen sein für die Geschenke und Gaben, die diese Welt uns bietet, für die Schönheit der Muscheln, den Brotgeruch und die freundlichen Blicke der Menschen. Und das ist das, was ich euch wünsche neben den Dingen, die jetzt für euch auf der Agenda stehen, wie Erfolg in Ausbildung, Studium und Beruf, dass ihr diese Gaben noch wahrnehmen könnt, euch auch über Dinge freuen könnt, die nicht unbedingt etwas mit wirtschaftlichem und beruflichem Erfolg zu tun haben. Wer glücklich sein oder werden will, das ist jedenfalls meine bescheidene Lebensphilosophie, der muss ich auch vom Glück beschenken lassen können.

In diesem Sinne wünsche ich euch allen – viel Glück!

 

Für die Abiturientia: Laura Nunziante

Ja, die alljährliche Abirede… Das Erste, was ich gedacht habe, war:
Alles, was ich in der Schule gelernt habe, kann ich dafür überhaupt nicht gebrauchen!
Ich brauche weder einen Einleitungssatz noch eine Antithese oder rhetorische Stilmittel!
Sondern ich schreibe einfach mal drauf los…

Einfach drauf los, so geht’s uns wohl auch gerade in einer unserer wichtigsten Phasen unseres Lebens. Wir haben unser Abi in der Tasche und jeder will natürlich das Bestmögliche draus machen. Dabei wünsch’ ich euch allen natürlich erstmal viel Glück.

Was nehmen wir aber mit aus 13 Jahren Schule und besonders aus den letzten zwei Jahren?
Aus den ganzen Ehrenrunden, Unterrichtsstunden und Freistunden voller Durak, Zigaretten und Capri-Sonnen?

Mir persönlich hat die Offenheit dieser Schule immer sehr gefallen. Im Großen und Ganzen und im Gegensatz zu anderen Schulen musste man hier nämlich kein Blatt vor den Mund nehmen. Natürlich gab es auch Konflikte mit Lehrern, die uns in den Wahnsinn getrieben haben, aber es gab natürlich immer einen Grund einigermaßen regelmäßig zur Schule zu gehen, und wenn’s nur für diesen Tag ist, für heute, wo wir unser Abiturzeugnis entgegennehmen.
Was noch einzigartig hier ist, sind die verschiedenen Kulturen, die hier aufeinander treffen.
Jeder konnte von dem anderen was lernen. Ich wusste z. B. vorher nicht, wie Wodka schmeckt und das man ihn am besten mit Salami und Gurken verzehrt, um möglichst nicht schon vor 12h abzustürzen.
Damit hat wohl jeder hier Erfahrungen gemacht.
Man hat hier auch viele Freundschaften geschlossen: Wenn jeder mal in sich geht, ist er sicher froh, den ein oder anderen Menschen hier kennen gelernt zu haben, denn, was immer an Problemen zu Hause, Streit oder Liebeskummer so anfiel, in der Schule gab es immer jemanden mit einem offenen Ohr und natürlich auch immer was zu lachen!
Wir hatten also eine schöne Zeit hier und gerade in der Oberstufe haben wir auch erfahren dürfen, dass selbst Lehrer nur Menschen sind. Zum Beispiel auf diversen Kurstreffen.

Wir haben es den Lehrern aber auch nicht immer leicht gemacht:
Wie oft saß oder schlief man in der Stunde nach einer durchgemachten Nacht, wie oft saß man im Matheunterricht und hatte keinen Plan, worum es überhaupt ging, (übrigens danke ich natürlich Frau Hünert–Krause, die es immer toleriert hat, in meinen Matheklausuren keine einzige Zahl vorzufinden, sondern nur 3 seitenlange Briefe, in denen erklärt wird, warum ich kein Mathe kann);
wie oft hat man gedacht: „Och, ein Tag mehr im Bett rettet meine Intelligenz jetzt auch nicht mehr.“
Und trotzdem gab es immer eine 2. Chance oder ein zugekniffenes Auge für jeden von uns, ohne die wir jetzt sicherlich nicht hier wären.

Es zählt eben doch nicht immer nur die Leistung, sondern auch die Menschlichkeit.

Danke also an die Lehrer, die hinter all dem Autoritätsgehabe auch einfach nur mal Menschen waren und uns das nicht übel genommen haben, wenn wir sie mal nach 1,2 Bier persönlicher in ein Gespräch verwickelt haben. Keine Angst – wir haben Ihnen das auch nie übel genommen.

Danke auch an das Sekretariat für die Bereitstellung immer neuer Entschuldigungsformulare: Ich will gar nicht wissen, wie viele dieser Jahrgang davon verbraucht hat.

In diesem Punkt fehlte es uns Schülern übrigens nie an Kreativität: Irgendwann haben auch wir gecheckt, dass ein einfaches „Krankheit“ als Grund auch nicht mehr ausreicht.
Was auch immer Lehrer, Hausmeister, Sekretärinnen, Putzfrauen oder Schulleiter von uns dachten, wenn wir uns mal daneben benommen haben – ich kann euch vom ganzen Herzen versichern:
Da werden noch Schlimmere kommen!

Wir hoffen trotzdem, wir haben euch die Zeit mit uns so schön wie möglich machen können, und Sie wünschen sich den ein – oder anderen von uns zurück, wenn Sie vor einer absolut perfekten Klausur sitzen und sich denken: „Ach, wär’ das nicht mal schön, wieder einen Schüler zu haben, der eben nicht wie angeordnet nur auf der linken Seite schreibt oder ein Verb absolut falsch benutzt.“
Denn bei allem Respekt vor Perfektion – kann das nicht auch absolut langweilig sein?
Danke auch an all die Leute, die sich jahrelang Kulis, Killer und Radiergummis von mir „geliehen“ haben: Ich hoffe euer Schreibwarenhandel wird ein voller Erfolg!
Danke auch an die Eltern, die immer für uns da waren, wenn es nicht mehr ging, gerade im Lernstress seid ihr für uns doch unentbehrlich. Und wir schätzen eure Geduld mit uns. Denn es ist doch so:
Egal, ob wir studieren, arbeiten oder an der Tanke jobben, die Hauptsache ist doch, dass wir glücklich damit sind!!

Ja und jetzt ist es an der Zeit, alles zu geben und zu kriegen, was wir wollen!
Wir können jetzt alles nehmen, was das Leben für uns bereithält!

Dazu möchte ich zum Abschluss noch folgendes Zitat von Jean–Paul Satre anbringen:

„Vielleicht gibt es schönere Zeiten, aber dieses ist die Unsere!“

Also macht was draus!
Danke!

 

 

 

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