Abiturjahrgang 2009

Edward Adler, Svetlana Ageyenko, Joscha Anders, Maria Barilo, Pia Bäune, Christina Berger, Sina Beutner, Olga Birk, Svetlana Böhm, Marina Botscharow, Sebastian Breithaupt, Marcel Buchal, Kristina Buschmann, Tim Daskevic, Naemi Demund, Kathrin Denter, Eveline Dick, Anton Drushinin, Tim Ellrich, Hüsne Erdogan, Johanna Faber, Alexander Feil, Felix Freytag , Elvira Git, Martin Git, Irina Gluskin, Frank Gödiker, Bianca Goldkamp, Jan Golimbus, Anna Grändorf, Barbara Greiwe, Annika Gromes, Victoria Günther, Tim Hoffmann, Marc Hundelt, Julian Johannsmann, Hanna Karabadzhak, Sara Kaulich, Christian Klein, Franziska Klumpe, Daniel Kohnert, Johannes Kossen, Janine Kottwitz, Stefan Krehe, Dimitrij Lehmann, Stefanie Lübker, Erika Mai, Fritjof Mangerich, Michel Marschall, Daniel Mergner, Philipp Niehaus, Venja Onnenga, Eugen Ossovski, Maxim Paul, Manuel Quebbemann, Laura Rechtien, Alexander Reinhard, Olga Richter, YannikRichter, Lina Roggenkamp, Michelle Saarberg, Alina Sachapow, Elina Schild, Jennifer Schweer, Daniel Sommerkamp, Julia Stock, Alexander Strangmann, Farina Tabor, Lev Taksijan, Cherin Tarhouni, Frauke Thörner, Jonas Uecker, Inessa Ulrich, Jonas Bernhard Urban, Christina Utermann, Sebastian Völler, Irina Weimer, Annina Werges, Julia Werning, Katharina Werning, Anna Wiese

 

 

 

Die Reden:

Begrüßung durch den Schulleiter Hartmut Bruns
Für die Abiturentia: Johannes Kossen

Für die Eltern: Bernhard Urban
Für die Schule: Oliver Altmann
Für die Ehemaligen: Horst Strebe (Abitur 1949)

 

Begrüßung durch den Schulleiter, OStD Hartmut Bruns

Liebe Eltern,
liebe Angehörige und Freunde unserer Abiturientinnen und Abiturienten,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
liebe Jubiläumsabiturienten,
und besonders
liebe Abiturientinnen und Abiturienten!

Selten ist ein so großes Auditorium zu diesem festlichen Anlass zusammen gekommen ist.

Heute dürfen wir uns freuen, dass 81 Abiturientinnen und Abiturienten unserer Schule das vierte niedersächsische Zentralabitur bestanden haben, davon 11 Schülerinnen und Schüler mit einer „1“ vor dem Komma, 7 von ihnen sogar mit der Note 1,5 und besser.

Als Leiter des Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums begrüße ich Sie alle recht herzlich zur Entlassungsfeier unserer Abiturientia 2009 in unserem Schulforum, einer Veranstaltung, die eine entscheidende Zäsur für die hier anwesenden jungen Menschen markiert.

Sie, liebe Eltern,
werden sich freuen, dass Ihre Töchter und Söhne ihre Schulzeit erfolgreich beendet haben. Sie haben aufmerksam und fürsorglich den Weg Ihrer Kinder begleitet und dabei eine große Wegstrecke gemeinsam mit uns, den Lehrerinnen und Lehrern des Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums, zurückgelegt. Sie haben Ihre Kinder in mehr oder weniger enger Zusammenarbeit mit der Schule erzogen und zugleich liebevoll das Fünf-Sterne-Hotel „Bei Mama“ betrieben, viele von Ihnen viele Jahre lang nebst hauseigener Taxizentrale.
Sie haben Höhen und Tiefen erlebt und wahrscheinlich diesem Tag schon lange entgegengefiebert.
Als Schulleiter der Schule Ihrer Kinder möchte Ihnen, liebe Eltern, heute noch einmal ausdrücklich danken, dass Sie uns Ihre Kinder anvertraut haben. Gleichermaßen danke ich Ihnen für die Liebe, Geduld und fürsorgliche Begleitung, die Sie Ihren Kindern auf dem Weg zum Abitur haben zuteil werden lassen.

Auch Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, gilt auch in diesem Jahr wieder mein ganz besonderer Dank.
Sie haben nicht nur während der Abiturphase in den letzten Monaten, sondern über viele Jahre Ihre Kraft, Ihr Wissen und Ihr pädagogisches Knowhow eingesetzt, um unseren Abiturienten in immer größer werdenden Kursen bei immer höherer Korrekturbelastung das Wissen und die Bildung zu vermitteln, die nötig war, um die mit dem niedersächsischen Abitur verbundenen Qualifikationen zu erlangen.
Als Schulleiter bedanke ich mich für Ihr Engagement, das oft weit über das Normale hinausging.
Stellvertretend für alle Lehrkräfte möchte ich Herrn Studiendirektor Wolfgang Jonas erwähnen, der unseren Abiturientinnen und Abiturienten als Jahrgangskoordinator während der gesamten Oberstufenzeit als kompetenter Berater zur Seite gestanden hat.
Ihm gilt heute unsere besondere Anerkennung.
Unsere gemeinsame Verantwortung, liebe Kolleginnen und Kollegen, bestand darin, Bedingungen zu schaffen, unter denen Wertschätzung der Bildung, aber auch die Fähigkeit zu demokratischer Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen ermöglicht wurde. Ich glaube, dass uns das weitgehend gelungen ist.
Mein Dank gilt heute aber auch denjenigen, die oft im Hintergrund stehend, die Voraussetzungen für das Gelingen unserer Arbeit schaffen:
unseren Hausmeistern Herrn Bäumler und Herrn Kerrinnes, unserem Schulassistenten Herrn Steins-Tiemann und unseren Sekretärinnen Frau Kowalinski, Frau Mock und Frau Riepenhoff, die – obwohl Teilzeitkräfte – oft nicht auf die Uhr schauen, wenn es gilt, optimale organisatorische Voraussetzungen für unsere Schülerinnen und Schüler zu schaffen.

Liebe Jubiläumsabiturienten,
Sie, die Sie vor 25, 50 oder 60 Jahren am EMA das Abitur abgelegt haben, begrüße ich besonders herzlich und ich freue mich, dass jemand der vor 60 Jahren an dieser Schule das Abitur abgelegt hat, heute die Rede für die Ehemaligen halten wird. Herzlichen Dank, Herr Horst Strebe.
Sie sind zum Teil von weither angereist, um an diesem Tag, der jedes Jahr aufs Neue für die Abiturientinnen und Abiturienten Abschluss, Besinnung und Aufbruch gleichermaßen beschreibt, Verbundenheit mit Ihrer alten Schule zu dokumentieren, einer Schule, die sich nach dem Schulbrand von 2001 stark verändert hat: seit 2001 Europaschule, seit 2003 Ganztagsgymnasium, seit 2008 sportfreundliche Schule und wie alle niedersächsischen Schulen seit dem 1. August 2007 Eigenverantwortliche Schule.
Ist den Abiturientinnen und Abiturienten am heutigen Tage vor allem nach Aufbruch zumute, so dokumentieren Sie, liebe Ehemalige, dass einen die alte Penne ein Leben lang nie ganz loslässt.
Dieses Gymnasium, das damals an der Lotter Straße noch den Namen Staatliche Oberschule für Jungen trug – insbesondere einzelne Lehrerinnen und Lehrer – haben Ihre Identität geprägt.
Ich bin sicher, dass Sie bei Ihren Treffen heute Abend noch viele schulische Erinnerungen austauschen werden. Aber diese anekdotischen Erinnerungen sind nur das nach Außen Mitteilbare. Nicht so leicht mitteilbar ist das, was man mit einem einfachen Wort als Bildung bezeichnet, die Entfaltung des Geistes, die Schulung des Verstandes und des kritischen Denkens.
Diesen verborgenen Schatz trägt jeder Einzelne von Ihnen in sich, durch Ihn sind Sie zu Persönlichkeiten gereift.
Aus jedem von Ihnen ist etwas geworden. Das sollte Ihnen Mut machen, liebe Abiturientinnen und Abiturienten.

An Sie, liebe Abiturientia 2009
wende ich mich mit einem Vers aus dem vierten Streich von Wilhelm Buschs „Max und Moritz“:

„Also lautet ein Beschluss:
Dass der Mensch was lernen muss.
Nicht allein das ABC
Bringt den Menschen in die Höh;
Nicht allein im Schreiben , Lesen
Übt sich ein vernünftig Wesen;

Nicht allein in Rechnungssachen
Soll der Mensch sich Mühe machen;
Sondern auch der Weisheit Lehren
Muss man mit Vergnügen hören!“

Sie alle haben den besagten Beschluss befolgt. Sie haben Ihre Schulzeit hinter sich.
Wenn Sie heute die Zeugnisse der Allgemeinen Hochschulreife im Rahmen dieser Feierstunde überreicht bekommen, so ist das für Sie zu Recht ein Anlass zur Freude und des Stolzes über das Erreichte.
Das Wort Abitur kommt im Übrigen vom Lateinischen „abire“ = weggehen und ist der Form nach das Partizip Futur Aktiv;“abituri“ heißt dann wörtlich übersetzt: “Diejenigen, die weggehen werden“ oder „Diejenigen, die weggehen wollen“. Dass alle weggehen werden, ist eine Tatsache, ob alle weggehen wollen, ist nicht sicher, vermutlich jedoch ist diese Frage mit „ja“ zu beantworten und das ist durchaus normal, und an dieser Stelle spreche ich mit Goethes Worten noch einmal die Eltern an. Goethe formuliert:
„Zwei Dinge sollten Kinder von ihren Eltern mitbekommen. Wurzeln und Flügel.“
Wenn ich Ihnen jetzt den Imperativ „abite“ zurufe, so heißt das nicht etwa „verschwindet jetzt“, sondern: „gehen Sie, begleitet vom Segen Gottes und mit aller Wertschätzung, die Ihnen die Lehrerinnen und Lehrer und die Schulleitung der EMA entgegenbringen können. Behalten Sie Ihre alte Schule wertschätzend in Erinnerung und kommen Sie, wann immer Sie wollen, zu Ihren Wurzeln zurück.
Sie verlassen unser Gymnasium, um nun Ihre ganz persönliche Zukunft zu planen. Erst in einigen Jahren werden Sie merken, wie sehr Sie Ihre Schule, EMA, für Ihr Leben geprägt hat.
Als ich im letzten Jahr im Krankenhaus Frank McCourts „Die Asche meiner Mutter“ “Angela’s Ashes“ las, habe ich mir entschieden Ihnen den Ratschlag eines irischen Schulleiters mit auf Ihre Lebensreise zu geben.
Ich zitiere auf Deutsch, damit auch die wenigen, die das Fach Englisch abgewählt haben, mich verstehen können:
„Mr. O’Halloran kann nicht lügen. Er ist der Schulleiter. … Er sagt, ihr müsst studieren und lernen, damit ihr in Geschichte und allem anderen Euren eigenen Kopf habt, und was nützt es, einen eigenen Kopf zu haben, wenn der Kopf leer ist? Richtet euren Kopf ein. Er ist eure Schatzkammer, und niemand auf der Welt kann sich da einmischen.
Wenn ihr im irischen Pferdelotto gewonnen hättet, und ihr hättet euch ein Haus gekauft, würdet ihr es mit Scherben, Schrott und Unrat füllen?
Euer Kopf ist euer Haus, und wenn ihr ihn mit Unrat … füllt, wird euer Kopf vergammeln. Ihr mögt arm sein, Eure Schuhe mögen kaputt sein, aber euer Kopf ist euer Palast.“

Die Lehre dieses Schulleiters könnt ihr im wahrsten Sinne des Wortes beherzigen: Gebrauchen Sie den Kopf, Ihren Palast, Ihren Verstand, aber ich füge hinzu, auch euer Herz.

Nun wünsche ich uns allen eine schöne Feier.

 

Rede für die Abiturentia: Johannes Kossen

 

Sehr geehrter Herr Bruns,
sehr geehrte Lehrerinnen und Lehrer,
sehr geehrte Ehemalige,
sehr geehrte Eltern, Geschwister, Verwandte und Bekannte
und natürlich auch liebe Mitschülerinnen und Mitschüler!

Es ist geschafft! Gleich erhalten wir 81 Abiturientinnen und Abiturienten des Ernst-Moritz Arndt-Gymnasiums unser letztes Zeugnis der schulischen Laufbahn, das Abiturzeugnis.

Hinter uns liegen nun meistens 13 Jahre Schule – bei einigen mehr bei anderen weniger.
Das macht, so würde Herr Brammer-Willenbrock -wie in den Abiturklausuren- es bestimmt auch schnell ausrechnen:
bei 4 Jahren Grundschule mit 25 Wochenstunden,
2 Jahren Orientierungsstufe bei 30 Wochenstunden
und 7 Jahre Gymnasium bei ca. 32 Wochenstunden
abzüglich der Ferien
ca. fünfzehntausend Schulstunden, die jeder von den nun hier sitzenden Abiturientinnen und Abiturienten in einem Klassenraum verbracht hat.
Das macht vierzig Millionen und fünfhundert tausend Sekunden.
Eine sehr große Zahl und auch eine sehr erschreckende Rechnung.

Aber wir haben ja nicht nur gelernt. Und gerade die letzten beiden Jahre unserer Schulzeit werden den meisten von uns bestimmt als eine Zeit des Stresses – vor den Klausuren – und des Spaßes – am Wochenende oder auch schon mal in der Woche – in Erinnerung bleiben. Eine Zeit in der man mit vielen netten Leuten meistens die gleichen Themen hatte. Sei es die schwere Klausur, die strenge oder ungerecht empfundene Benotung – oder die Wochenendplanung.

Gemäß unserem Motto:
„Abi rockt – auch ohne die richtigen Noten, geben wir den Ton an.“

Der eine oder die andere hat bis zur letzten Sekunde gezittert, um endlich das schwer verdiente Abiturzeugnis in den Händen zu halten. Leider haben viele –ich meine, zu viele – diesmal das Ziel nicht erreicht. Gestartet sind wir in der 12. Klasse einmal mit gut 150 Schülerinnen und Schülern, geschafft haben es letztendlich 81. Wir wünschen den Mitschülerinnen und Mitschülern, die es noch einmal versuchen wollen, an dieser Stelle viel Glück.

Das die Schulzeit für uns nicht immer ein Zuckerschlecken war, lag sicherlich auch daran, dass im Wechsel von der 12. zur 13. Klasse so viele Kurse zusammengelegt wurden.
Häufige Fehlstunden taten ihr übriges – auch von den Lehrern – manchmal hatte man das Gefühl, das Lehrer mehr Fehlzeiten hatten als Schüler.
Auch die nicht immer optimale Gestaltung des Unterrichts tat ihr übriges dazu – einige Tafelbilder erinnerten mich an Gemälde von Picasso.
Und erst recht die straffen Unterrichtspläne vom Niedersächsischen Bildungsministerium stellten eine neue Herausforderung für Lehrer und Schüler dar. So ein Stress war man bis dahin nicht gewohnt.
Die Facharbeit war auch so eine neue Herausforderung. Allein der Umstand drei Monate dafür Zeit zu haben, konnte einen überfordern. Manche arbeiteten tatsächlich kontinuierlich jeden Tag daran! Die meisten zeigten lieber, was echte Leistung ausmacht und schrieben die Arbeit in den letzten paar Wochen oder sogar Tagen.

Aber ich bin ja nicht hier, um zu meckern!
Denn es gab in unserer Schulzeit viele tolle Stunden und Aktionen. Seien diese Aktionen von und mit Lehrern organisiert, wie die Kursfahrten in der 12. Klasse. Dort erlebten wir die Lehrer auf einmal völlig anders. Wir stellten fest, dass die Lehrerinnen und Lehrer eigentlich sehr korrekt sind, man musste sich nur darauf einlassen.

Aber auch die von uns organisierten Aktionen, wie das „nächtigen“ in der Schule, der gestrige Abigag, die Abipartys und vieles mehr zeigten was für ein toller und lustiger Abijahrgang wir waren.

Innerhalb von zwei Jahren wurde aus einem 150 Schülern großen Haufen die nun vergleichsweise kleine aber bunte Abiturientengruppe,
In der bestimmt nicht nur Freundschaften für die Schulzeit gefunden wurden, sondern auch für die Zeit nach dem Abi. Freundschaften die auch dann noch halten, wenn man sich aufgrund von Studium oder Ausbildung, Stress und Entfernung vielleicht nur ein bis zwei Mal im Jahr trifft. Aber wir haben schon schwierigere Sachen geschafft, das Abitur zum Beispiel.

Den Hauptteil meiner Rede möchte ich nun mit den fast zweieinhalbtausend Jahre alten Worten des griechischen Philosophen Sokrates beenden:

>>Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte.

Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten.
Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.<<

Dem ist nichts hinzufügen.

Gerade deshalb möchte ich mich abschließend im Namen aller Abiturientinnen und Abiturienten noch einmal recht herzlich bei allen Lehrerinnen und Lehrern bedanken.
Danke, dass sie uns all die ganzen Jahre ausgehalten haben.
Auch einen herzlichen Dank an die Sekretärinnen, die uns in den letzten Jahren mit Entschuldigungsformularen und Schulbescheinigungen versorgt haben und mir persönlich sehr bei der Vorbereitung dieser Entlassung geholfen haben.
Danke hierfür!
Natürlich darf auch ein Dank an das Hausmeisterteam und Herrn Tiemann nicht fehlen. Immer wieder wurde uns bei technischen Problemen geduldig geholfen.

Besonderer Dank gilt natürlich auch unseren Eltern, Geschwistern und Freunden, die uns während unserer ganzen Schulzeit mit Liebe und Geduld unterstützt und uns auch in schwierigen Zeiten – gerade auch im letzten halben Jahr -beigestanden haben.

Morgen feiern wir im Kaffeehaus Osterhaus unseren Abiball. Dazu sind alle Anwesenden, Eltern, Lehrer und Freunde, noch einmal ganz herzlich eingeladen!

Erst einmal freuen wir uns aber darauf, dass wir im Anschluss an die Zeugnisvergabe mit einem Glas Sekt auf das geschaffte Abitur anstoßen können.

In diesem Sinne: Noch einmal herzlichen Dank für alles und auf Wiedersehen!

 

Für die Schule: Oliver Altmann

 

Liebe Ehemalige, liebe Eltern, Freunde und Verwandten, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Abiturientinnen und Abiturienten,

„Fisch schwimmt, Vogel fliegt, Mensch läuft“.
Diese schlichte, aber tiefsinnige Erkenntnis verdanken wir einem Mann namens Emil Zatopek, den zumindest die etwas Älteren unter uns vielleicht noch kennen. Bis zu seinem Tod im Jahre 2000 hat er diese Botschaft stets wiederholt, sie war die Summe all seiner Erfahrungen. Der Mensch ist zum Laufen gemacht, es ist seine Natur, natürlich läuft er. Was denn sonst?
„Fisch schwimmt, Vogel fliegt, Mensch läuft“.
Der im heutigen Tschechien geborene Emil Zatopek war in den 1950er Jahren der beste Mittel- und Langstreckenläufer der Welt, er stellte 18 Weltrekorde auf und holte vier Goldmedaillen bei Olympischen Spielen. Die „tschechische Lokomotive“, wie er genannt wurde, hat niemals ein Rennen aufgegeben. Bekannt wurde Zatopek wegen seines eigenwilligen Laufstils – die Zunge hing ihm aus dem Hals, er quälte sich ganz furchtbar und knüppelte über die Tartanbahn. Ganz bestimmt war er kein eleganter Athlet, aber er gewann. Wegen seiner Erfolge, aber auch seiner Bescheidenheit und Bodenständigkeit ist Emil bis heute in seinem Land ein Volksheld, eine Legende.
Liebe Abiturientinnen, liebe Abiturienten, ich weiß nicht, wie sportlich ihr seid. Tatsächlich aber war ein „Gymnasion“ im antiken Griechenland zunächst nichts weiter als eine Sportstätte, wo die Jugendlichen einer Stadt gemeinsam trainierten. Als heutige Gymnasiasten seid ihr also bereits aus Tradition Sportler – Geistessportler. Und eines verbindet euch alle mit dem großen Emil Zatopek – auch ihr habt euch vor langer Zeit auf einen harten, schwierigen Weg gemacht und seid nun als Sieger ins Ziel gekommen. Euer Startschuss am EMA – übrigens auch meiner – fiel im Jahr 2002, und erst nach sieben Jahren – für manche länger – kam die Ziellinie in Sicht.
Euer persönlicher Marathon durch die Schullaufbahn, euer EMA-rathon wird in wenigen Minuten mit der Verleihung der Abiturzeugnisse zu Ende gehen. Dafür gebührt euch allen unser Respekt, diese Trophäe, diese Medaille kann euch niemand mehr nehmen. Und anders als beim ersten Marathonlauf der Geschichte ist auch niemand von euch zu Tode gekommen. Aber anstrengend, das ist es gewiss für euch alle gewesen. Daher mein Ratschlag: erstmal verschnaufen und dann nach neuen Zielen Ausschau halten!
Wir, eure Trainer, die Lehrerinnen und Lehrer, haben versucht, euch für die Herausforderung „Abitur“ fit zu machen. Das ist uns nicht bei allen gelungen – das Tempo, die Motivation und die Einsatzbereitschaft unserer „Laufgruppen“ waren doch recht unterschiedlich. Manchmal war es echt zum Davonlaufen! Einige Kandidaten haben sich im Dschungel der Oberstufe buchstäblich verlaufen – trotz Herrn Jonas. Andere kamen sozusagen ohne Sportschuhe zum Training, einige verspätet, manche nur unregelmäßig. Im Windschatten anderer zu laufen war ebenfalls nicht unbekannt. Viele wiederum überschätzen ihre Kräfte oder unterschätzten die Distanz.
Eine Anzahl von Schülern ist deswegen leider „auf der Strecke geblieben“. Aber für viele lief es auch von Anfang an gut, weil sie den Willen und den Fleiß erkennen ließen, nicht nur mittraben, sondern sogar gewinnen zu wollen. Diese starken Schüler haben dann auch viele Schwächere mitziehen können. Eine ganze Reihe unserer Abiturientinnen und Abiturienten hat gute und sehr gute Leistungen gezeigt. Auf euch sind wir ganz besonders stolz!
Mindestens genauso beeindruckt haben mich aber auch Schüler, die – trotz häufig ungünstiger Startbedingungen – aufgeholt und buchstäblich ihren Weg gemacht haben. Auch Emil Zatopek war übrigens kein Naturtalent, sondern musste sich seine Erfolge hart erarbeiten. „Machs dir im Training schwer, dann ist der Wettkampf leichter“, hat er einmal gesagt. Ihr seht: mit Disziplin und Ehrgeiz ist vieles – nicht alles, aber vieles – möglich.
„Fisch schwimmt, Vogel fliegt, Mensch läuft“. Ihr habt euch freigeschwommen, ihr seid nun flügge und auch euer Lauf, euer Lebens-Lauf, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, wird weitergehen. Mit unterschiedlichen Begleitern, durch Höhen und Tiefen, bei Regen und bei Sonnenschein. Das EMA aber, so hoffen wir, war euch nicht nur eine von vielen Etappen. Sondern ein Ort, an dem ihr euch wohlgefühlt habt, wo euch vermittelt wurde, dass sich Hindernisse gemeinsam überwinden lassen und Ziele erreichbar sind. Wir haben euch gerne während dieser Zeit begleitet. Viele Erlebnisse, wie etwa die Klassenfahrt mit der 10a nach Berlin während der WM 2006 oder die fantastische Studienfahrt nach Rom letztes Jahr werden mir immer in Erinnerung blieben. Es hat sich gelohnt, euch zu trainieren.
Habt bitte den Mut, auch mal die ausgetretenen Pfade zu verlassen, trabt nicht als Mitläufer durch eure Zukunft! Aber wenn ihr ein Ziel als für euch richtig erkannt habt, dann bleibt auf diesem Weg. Achtet auf die Menschen, die mit euch unterwegs sind, schaut nach links und nach rechts und nach vorn. Gelegentlich auch mal zurück. Verzweifelt nicht an Durststrecken, lauft nicht vor Problemen davon, versucht „laufend“ besser zu werden! Aber am Wichtigsten: Bleibt niemals stehen!
Vielleicht läuft man sich später ja auch mal wieder über den Weg. Es wäre schön. In diesem Sinne:
Start frei! Und viel Glück.

 

Rede für die Eltern: Bernhard Urban

Liebe Abiturientinnen und Abiturienten,
vor sieben Jahren – für die meisten von Ihnen war es der erste Schultag am EMA – fand in der Matthäuskirche ein Gottesdienst statt. Frau Willenbrock hatte diesen Gottesdienst mit ihrer Klasse vorbereitet und idealtypische Situationen aus dem Schulleben szenisch dargestellt:
Konflikte zwischen Schülerinnen und Schülern, schwierige Gesprächssituationen, Lerndefizite. Und das Schöne an diesen Szenen war: – wohl um den „neuen“ Schülerinnen und Schülern, nämlich Ihnen, liebe Abiturienten, die Angst vor dem unbekannten Neuanfang am Gymnasium zu nehmen, alle Geschichten gingen gut aus.
Es gab Hilfsbereitschaft, Unterstützung, zwischenmenschliches Sorgen für einander und immer wieder die zentrale Botschaft, die in dem Refrain des damals gesungenen Liedes so formuliert wurde:
„Du bist ein Gedanke Gottes, ein genialer noch dazu. Du bist du!“
Ich weiß nicht, ob die Botschaft damals bei allen Schülerinnen und Schülern angekommen ist, vielleicht waren sie zu aufgeregt dazu. Aber mir als Vater ist dieser Gottesdienst in guter Erinnerung geblieben; ich habe Ihnen, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, damals gewünscht, dass er ein tragfähiges Motto für Ihre ganze Schulzeit sein könnte.
Jeder Mensch ein genialer Gedanke Gottes, eine wichtige, einmalige Persönlichkeit – das ist eine Botschaft, die viele von uns, liebe Eltern, – und nicht nur wir – in der Schulpolitik der vergangenen Jahre doch häufig vermisst haben.
Zu große Klassen, zu schnelle Reformen, zu viele Vergleichsarbeiten, dabei aber natürlich zusätzliche Auflagen bezüglich des Fachwissens und der Methodenkompetenz. Die Einführung des Zentralabiturs, das in einzelnen Fächern bezüglich der unterrichtlichen Vorgaben nicht so sehr dem Nutzen guter Studiengrundlagen geschuldet scheint, als offensichtlich vielmehr eine Spielwiese für Fachkommissionen bietet. Die Hinzufügung eines weiteren schriftlichen Prüfungsfachs, das an die Schülerinnen und Schüler, aber auch an das Zeitmanagement und die Belastungsfähigkeit der korrigierenden Lehrerinnen und Lehrer große Anforderungen stellt.
Alles in allem: Besteht die Schule nach dem Willen der Politik nur aus Wissensvermittlung und Überprüfung? Ist es egal, wie es der einzelnen Schülerin, dem einzelnen Schüler geht, Hauptsache es kommen am Ende fachlich gute, schnelle, kluge Menschen dabei heraus, die der Wirtschaft wieder auf die Beine helfen und den Wohlstand aller vermehren?
Apropos Wirtschaft: Auf dem Arbeitsmarkt – auch auf der Führungsebene – werden nicht nur gute fachliche Qualifikationen verlangt, sondern auch die sogenannten „soft skills“ als Schlüsselqualifikationen vorausgesetzt – also soziale Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Motivation, Fleiß, Verknüpfung individueller Handlungsperspektiven mit den Einstellungen und Zielen eines Unternehmens. In den Schulungskursen von Großunternehmen werden durchaus auch schon einmal hoffnungsvolle Jungmanager und -managerinnen von Psychologen aufgefordert, Bäume zu umarmen, um jenseits des Rationalen wieder zur ihrer eigenen Emotionalität vorzudringen. In der Schule gibt es, zumindest in den oberen Jahrgängen und zumal für die Jahrgänge, die nach zwölf Jahren Abitur machen werden, bei allen Bemühungen von Lehrerinnen und Lehrern wohl keine Zeit für die Entwicklung verschütteter Emotionalität.
Dennoch gehören Sozialkompetenzen, zu denen eben nicht nur Motivation und Fleiß, sondern auch Selbstvertrauen, Kritikfähigkeit, Wertschätzung und Respekt anderen gegenüber gehören, zum Menschsein dazu, ja, sie sind Voraussetzung, dass das Leben gelingen kann.
Dazu braucht es, bei aller Erziehung und vielen Anregungen in liebevollen Elternhäusern, auch Vorbilder.
Und dem wurde in den vergangenen Schuljahren auch Rechnung getragen: Sie, verehrtes Kollegium und verehrte Mitglieder der Schulleitung, haben im guten Sinne mit Ihrer Persönlichkeit Vorbildfunktion übernommen. Ihre stark angewachsenen Belastungen und der enge Lehrplan haben Sie nicht gehindert, einen zwischenmenschlich guten, partnerschaftlichen Umgang mit Schülerinnen und Schülern zu pflegen. Sie sind ihnen mit Wertschätzung, Fürsorge und Respekt begegnet. Dafür möchte ich Ihnen im Namen aller Eltern besonders danken.
Liebe Abiturientinnen und Abiturenten, Sie haben Ihre Abiturzeitung unter das Motto „Abi rockt – auch ohne die richtigen Noten geben wir den Ton an“, gestellt. Nun, man muss sicherlich kritisch zu bedenken geben, dass Sie, „ohne die richtigen Noten“ sowohl beim Musizieren als auch bei manchen Studien- oder Ausbildungswünschen einen langen Atem und Erfindungsreichtum beweisen müssen, um einen Platz oder ein Resultat Ihrer Wahl zu bekommen.
Aber das war hier wohl auch gar nicht gemeint. Deutlich wird bei diesem Motto: Wir lassen unsere Person nicht allein auf Leistungsansprüche und Notendurchschnitte reduzieren. Leistung ist wichtig – und Sie wollen ja auch „den Ton angeben“ – aber Leistung kann und darf in einem Menschenleben nicht der alleinige Maßstab sein.
Schon vor 2000 Jahren stellte der römische Philosoph und Dichter Seneca Überlegungen über das Leben der Menschen an:
„Das Leben ist lang, wenn man es zu nutzen versteht.
Den einen Menschen aber hält eine unersättliche Habsucht gefangen,
den Anderen ständig geschäftige Betriebsamkeit in überflüssigen Anstrengungen.
Der Eine ist vom Wein trunken, der Andere erstarrt in Untätigkeit.
Den Einen ermüdet sein stets von fremden Urteilen abhängiger Ehrgeiz,
den Anderen treibt, in der Hoffnung auf Gewinn, die übertriebene Begierde, Handel zu treiben, in allen Ländern, auf allen Meeren umher.
Die Meisten, da sie kein festes Ziel verfolgten, hat ein unsteter, unbeständiger und sich selbst missfallender Wankelmut durch immer neue Pläne gejagt.“
Die Schlussfolgerung Senecas aus diesen Überlegungen lautet:
„Nur klein ist der Teil des Lebens, in welchem wir wirklich leben.
Die ganze übrige Spanne allerdings ist nicht Leben, sondern einfach nur Zeit.“
So wünsche ich Ihnen, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, zusammen mit Seneca eine Zukunft, die durch das Streben nach guten und erreichbaren Lebenszielen nicht nur vergehende Zeit, sondern wirkliches Leben ist. Ich möchte Ihnen – und ich glaube hier im Namen aller Eltern zu sprechen – ganz, ganz herzlich zu Ihrem Abitur, der allgemeinen Hochschulreife, gratulieren und wünsche Ihnen Glück und persönliches Wohlergehen.
Damit Ihr Leben gelingen kann, gehen Sie mit anderen respektvoll und warmherzig um, aber seien Sie sich auch in schwierigen Situationen immer Ihrer eigenen Einzigartigkeit als Geschöpf Gottes bewusst. Ich möchte nun meine Ausführungen schließen, indem ich den Text des Liedes, das schon an Ihrem ersten Schultag an dieser Schule gesungen wurde, noch einmal aufgreife:
„Du bist gewollt,
kein Kind des Zufalls, keine Laune der Natur!
Ganz egal, ob Du Dein Lebenslied in Moll singst oder Dur.
Du bist ein Gedanke Gottes, ein genialer noch dazu.
Du bist Du!“
In diesem Sinne: Alles Gute für Sie!

 

 

Für die Ehemaligen: Horst Strebe (Abitur 1949)

 

60 Jahre Abitur.
60 Jahre Grundgesetz und Bundesrepublik, 60 Jahre Nato.
2000 Jahre Varusschlacht.Welch eine Fülle privater, nationaler und internationaler Termine in und um Osnabrück!Aber ich möchte hier nicht als Jubilar Jubiläen bejubeln. Ich möchte Ihnen – ein Gedicht vortragen. Es wurde vor ziemlich genau 800 Jahren geschrieben. (Beinahe noch ein Jubiläum!) Verfasser: Walther von der Vogelweide. Er denkt nach über die Frage, wie man sein Leben in dieser Welt leben sollte.Einleitend beschreibt er Haltung und Gestus des nachdenkenden Menschen, der auf einem Felsstein sitzt, die Beine übereinandergeschlagen, den Kopf aufgestützt. Dies Bildschema hat seinerseits eine lange Tradition; es stammt aus der Antike, wird aber auch schon im AT (im Alten Testament; Anm. d. Red.)verwendet (Ps. 42, 7f). Dann entwirft Walther in wenigen Worten das Wertesystem des Mittelalters, und er spricht davon, wie schwer vereinbar, ja wie eigentlich unvereinbar miteinander diese Werte zur Zeit seien.Zunächst geht es um ere und varnde guot. varnde guot ist bewegliche Habe, z.B. ein Pelz für den Winter, ein Pferd, eine Rüstung; das alles kostete viel Geld, ere, das ist weniger unser Ehrbegriff. Das Wort bezeichnete im Mittelalter nicht zuletzt: Ansehen, Ruhm, auch: Teilhabe an Herrschaft. Und wir sehen: Walther spricht, wenn er diese Dinge für miteinander kaum vereinbar hält, von auch heute ganz aktuellen Problemen. Was halten wir denn von so manchen reichen Leuten und ihrem Umgang mit dem Geld und mit der Gesellschaft? Was meint man, wenn man Banker heute schon mal ‚Bankster‘ nennt?Kurz zitiert:die zwei sint êre und varnde guot,
daz dicke (sehr) einander schaden tuot:
daz dritte ist gotes hulde,
der zweier übergulde.Gottes huldvolle Gnade ist noch viel wertvoller als ere und varnde guot.Nun muß ich um der Verständlichkeit willen näher am Text bleiben.
die wolte ich gern in einen schrîn. Die hätte ich gern in einem Schrein, in einem Kästchen.
jâ leider desn mac niht gesîn, Das kann, das wird nicht sein; das wird nicht geschehen.
daz guot und weltlich êre
und gotes hulde mêre,
zesame in ein herze komen.
Das verstehen wir. Aber ich möchte doch darauf hinweisen, wie der Inhalt durch einfachste Mittel verändert, vertieft wird. Bei varnde guot ist das varnde weggelassen, bei ere ist das Wort weltlich hinzugefügt, und schrîn ist durch herze ersetzt, dem Sitz des Gemütes, der Seele, dem Zentrum des Menschseins.

Es geht weiter:

 

stîg unde wege… (die Wendung kennen wir noch als ‚Weg und Steg‘): sind ihnen genommen, versperrt.
stîg unde wege sint in benomen:
untriuwe ist in der sâze,
sâze ist Lauer, Hinterhalt; untriuwe, Untreue, in seiner Bedeutung heute fast schon verengt auf’strafbarer Tat­bestand‘, – von dem wir auch nur allzu oft hören
gewalt vert ûf der strâze:
fride unde reht sint sêre wunt,
Friede und Recht sind sehr ‚wund‘, sie werden ständig verletzt.

 

fride unde reht – auch das eine alte Formel für alte Werte, aus der römischen Antike als pax et iustitia bekannt, das Englische übernimmt die Begriffe als peace and justice. Ich erwähne das, um deutlich zu machen: reht schließt hier den Begriff’Gerechtigkeit‘ ein. Welche Bedeutung diese Formel hatte, zeigt die Tatsache, daß sie im Mittelalter Bestandteil des Krönungseides war. Und auch heute noch schwört man, daß man in seinem Amt „… Gerechtigkeit gegenüber jedermann üben werde.“

Unser Gedicht schließt nun mit einer Aussage, die ungemein prägnant formuliert ist und die in

ihrem Inhalt besonders überrascht:

diu driu enhabent geleites niht,
diu zwei en werden ê
gesunt.
Die drei haben kein freies Geleit,
bevor diese beiden nicht gesund werden.

Ehe nicht Friede, Recht und Gerechtigkeit herrschen, haben die Menschen keine Chance, Hab und Gut und gesellschaftliches Ansehen gleichermaßen zu erwerben, von ‚Gottes Huld‘ ganz zu schweigen. Hier erhalten wir nicht die gängigen Ratschläge, wie ein gottgefälliges Leben zu fuhren sei. Angemahnt wird weltliches Tun, politisches Handeln. Ehe die Menschen daran denken können, die für ihr Leben wesentlichen Werte zu verwirklichen, müssen sie selber für Friede und Recht sorgen. Daß auch dies nicht voraussetzungslos gelingen kann, brauche ich hier nicht auszuführen.

Nach diesen notwendigen Vorbemerkungen nun das Gedicht. Es gehört sicher zu den besten, die je in deutscher Sprache verfaßt wurden: Anschaulich und präzise die Wortwahl; durchdacht und engagiert, zeitbezogen und überzeitlich der Inhalt; lebendig im Rhythmus; elegant gereimt.

Ich saz ûf eime steine,
und dahte bein mit beine:
dar ûf satzt ich den ellenbogen:
ich hete in mîne hant gesmogen
daz kinne und ein mîn wange.
dô dâhte ich mir vil ange,
wie man zer welte solte leben:
deheinen rât kond ich gegeben,
wie man driu dinc erwürbe,
der keines niht verdürbe.
diu zwei sint êre und varnde guot,
daz dicke ein ander schaden tuot:
daz dritte ist gotes hulde,
der zweier übergulde.
die wolte ich gerne in einen schrîn.
jâ leider desn mac niht gesîn,
daz guot und weltlich êre
und gotes hulde mêre
zesamene in ein herze komen.
stîg unde wege sint in benomen:
untriuwe ist in der sâze,
gewalt vert ûf der strâze:
fride unde reht sint sêre wunt.
diu driu enhabent geleites niht,
diu zwei enwerden ê gesunt.

 

Ich möchte noch ein paar Wünsche loswerden.

Zunächst wünsche ich uns allen – und ich sage das als Vertreter einer Generation, die den Unrechtsstaat der Nazis und den von ihnen angezettelten Krieg als Schüler noch bewußt miterlebt hat: Ich wünsche uns allen, daß uns der innere und äußere Friede erhalten bleibe und daß weiterhin rechtsstaatliche Verhältnisse herrschen. Und ich wünsche Ihnen, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, daß Ihnen die offenbar schwierige Balance zwischen beruflichem wirtschaftlichem Erfolg einerseits und öffentlichem gesellschaftlichem Ansehen andererseits immer gelingen möge.

Danke, daß Sie mir zugehört haben.

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