Zum Geburtstag von Kaiser Wilhelm II. am 27. Januar gab’s immer schulfrei.
Mit welchem Hochgefühl dieser Tag begangen wurde, davon mag die Einladung zu der offiziellen Feier in der Aula am 27. Januar 1906 einen Eindruck geben.


Dieses Festprogramm allein mag die Werte illustrieren, die während des Kaiserreichs die Schulen leiteten:
„Gottesfurcht, Vaterlandsliebe und Königstreue“.
Schüler der Jahrgänge 7 und 8 trugen Texte vor mit den Titeln „Ein Volk, ein Herz, ein Vaterland“, „Flottenlied“, „Der kleine Hydriot[1].
Dieses Gedicht von Wolfgang Müller (1794-1827) war in den meisten Schullesebüchern abgedruckt. Es wird wie folgt eingeleitet:

„Ich war ein kleiner Knabe, stand fest kaum auf dem Bein,
da nahm mich schon mein Vater mit in das Meer hinein.“
Und weiter:
… Und heute gab der Vater ein Schwert mir in die Hand,
Und weihte mich zum Kämpfer für Gott und Vaterland.“ Das Gedicht schließt mit den Worten:
… Glück zu, mit deinem Schwerte, du kleiner Hydriot!“

Gezielt wird die „Vaterlandsliebe“ auf das ehrgeizige Flottenbauprogramm der Reichsregierung, durch das sich Großbritannien provoziert fühlte („Britannia, rule the waves!“), gelenkt und auf den kommenden Krieg, der nach der Entstehung der Triple-Entente aus Frankreich, Russland und Großbritannien bereits strategische Gestalt annimmt, romantisiert durch das Schwert.

Weiter geht es: Nach dem Chorgesang „Zu Kaiser und Reich“ folgen weitere Deklamationen durch ältere Schüler: „Muttersprache“, „Gudruns Klage“[2] und „Mein Vaterland“. Diese Texte entfalten anschaulich, was es mit der „Vaterlandsliebe“ auf sich hat: In eben diesem Geiste wird 1914 die „Nibelungentreue“ zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn beschworen – „getreu bis in den Tod“.


[1] Dieses Gedicht von Wolfgang Müller (1794-1827) war in den meisten Schullesebüchern abgedruckt. Mit „Hydriot“ ist jemand gemeint, dem das Wasser und das Meer am Herzen liegen.

[2] In der Nibelungensage trauert Gudrun/Kriemhild um ihren ermordeten Gatten Sigurd/Siegfried).
Emmanuel Geibel (1815-1884) greift dies zu seinem Gedicht  „Gudruns Klage“ auf:
„Kein Dräuen soll mir beugen
Den hochgemuten Sinn;
Ausduldend will ich zeugen,
Von welchem Stamm ich bin.
… Wohl lass‘ ich hier das Leben,
Die Treue lass‘ ich nicht!

 

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