Die Jungen aus dem Abiturjahrgang 1947 als Luftwaffenhelfer („Flakhelfer“)

Georg Thörner hat mir zwei Foto-Alben gegeben. In diesen Alben ist das Schulleben vor dem Kriege und während des Krieges dokumentiert:
Das Bild unten zeigt ein Klassenfoto mit Studienrat Baar aus dem Jahre 1940. DieJungen blicken recht keck und neugierig in die Kamera – sie wissen noch nicht, was ihnen bevorsteht: Kinderlandverschickung 1941 nach Trautenau ins Riesengebirge, dann die Einsätze der Jungen als Luftwaffenhelfer, manche müssen noch 1944 oder 1945 als blutjunge Soldaten in den sinnlosen Krieg ziehen. Als Luftwaffenhelfer(„Flakhelfer“) waren sie in Voxtrup, am Sonnenhügel, in Rieste, in Upstede (bei Wittmund) sowie bei Wien eingesetzt. Manche der Bilder muten an wie Bilder von einer Klassenfahrt mit Unterbringung in einer Jugendherberge, wären da nicht die Uniformen. Man sieht die Flieger-Abwehrkanonen „Flak) in ihren Geschützstellungen, die Transportfahrzeuge – LKW und Bahn – und auch einige Male Bomber im Anflug – es waren auch Tiefflieger dabei. Hin und wieder gelang ein bemerkenswert klares Foto von solchen Maschinen.

Zuoberst steht das Klassenfoto aus dem Jahre 1940, aufgenommen vor dem Portal der Schule, Lotter Str. 6.
Die Namen hat Georg Thörner zugeordnet.

h.b-w

Klassenfoto aus dem Jahre 1940, aufgenommen vor dem Portal der Schule, Lotter Str. 6. (Foto: privat)

Georg Thörner; 2 Gerhard Hegels; 3 Hans-Jürgen Dietrich; 4 Günter Schäffer; 5 Studienrat Baar; 6 Günter Hurrelbrink; 7 Günter Steuwer; 8 Dieter Kuhle; 9 Werner Kock; 10 Friedel Wartenpfuhl; 11 Ewald Schröder; 12 —Brenner (?); 13 Karl-Heinz Schröder; 14 Werner Johannlükens; 15 — Scheidt (?); 16 Hans-Ludwig Schärf; 17 Klaus Erdmann; 18 Frotz Pape; 19 Wolfgang Weber; 20 Heinz Müller; 21 hans-Georg Südhölter; 22 Rolf Pottebaum; 23 Dieter Brause; 24 Hermi Wolters; 25 Karl Schnittger; 26 Fritz Schlehmeier; 27 Hans Fricke (Weichsler); 28 Günter Wöhrmann; 29 the alarmclock boy (Kassebrock); 30 Kurt Kreckel; 31 Rolf Hachmeister; 32 Rolf Rathmann; 33 — Kokerbeck (?); 34 Rolf Kindermann; 35 Friedhelm Schüürink; 36 — Thomsen (?); 37 Wilfried de Jong; 38 Herbert S

Osnabrück zählte zu den häufig angeflogenen Zielen der alliierten Bomber. Denn eines der strategischen Ziele der Alliierten war es zunächst, das Ruhrgebiet, das “industrielle Herz Deutschlands”, abzuschneiden und so die Versorgung der Wehrmacht zu stören.
Da sich in Osnabrück Eisenbahnlinien kreuzen (Amsterdam – Hannover – Berlin  – Warschau sowie Hamburg – Bremen – Ruhrgebiet), wurde die Stadt schon sehr früh und sehr heftig angegriffen.

Unterbringung in Baracken

Unterricht

Einsatz am Sonnenhügel – wo genau, ist nicht bekannt. Uns liegt von diesem Einsatzort nur einziges Bild vor, das einen Lehrer  (Boerma?) zeigt, der Aufsicht führt:

Rieste

„Essen fassen“ an der “Gulaschkanone”: Die Verpflegung wurde in mobilen Küchen, den sog. Gulaschkanonen angeliefert. Mit dem Kochgeschirr in der Hand stehen die Leute an, um sich ihre Ration abzuholen.

 

Klassenfoto – die Namen hat Georg Thörner zugeordnet (s. u.):

1 Hermann Thiemann; 2 Günther Schick?; 3 Egon Alberding; 4 Justus Knölker; 5 Klaus-Dieter von Ingersleben; 6 ?; 7 Rolf Pottebaum; 8 Horst Schremser; 9 Friedel Wartenpfuhl; 10 Wilfried de Jong; 11 Harms; 12 Georg Thörner; 13 Günter Hünermund; 14 Günter Sollmann; 15 Norman Müller; 16 Heinz Mennewisch; 17 Günter Finkemeyer; 18 Josef Thiemann; 19 Fritz Wesselmann; 20 Kurt Kreckel; 21 Herbert Teckemeyer; 22 Wilfried Hassebrock; 23 Werner Kock; 24 Reinhard Brokate; 25 ?; 26 Erich Schwermann; 27 ?; 28 ?;

 

1944 hatten die Alliierten längst die Luftherrschaft errungen.
Über Rieste flogen Tiefflieger, wie in den drei Bildern unten dokumentiert:

Georg Thörner hat ein Flugzeug über Rieste fotografiert. Es ist jedoch keine britische oder US-amerikanische Maschine, wie in dem vorigen Absatz nahegelegt. Vielmehr „handelt es sich bei dem Flugzeug um eine deutsche Klemm L25 von der Flugzeugführerschule des Fliegerhorst in Quakenbrück.“, schreibt ein aufmerksamer Leser.

Tiefflieger über Rieste; Foto: G. Thörner

Tiefflieger über Rieste; Foto: G. Thörner

Tiefflieger über Rieste; Foto: G. Thörner

Upstede, Kreis Wittmund
Dieser Ort liegt nicht weit vom Flugplatz Wittmundhafen und an der Einflugschneise zum Marinestützpunkt Wilhelmshaven, das häufig das Angriffsziel der alliierten Bomberflotte war.

Die folgenden Angaben stammen von Dr. Hans-Dietrich Nicolaisen. Herr Dr. Nicolaisen ist u.A. Autor des Buches „Die Flakhelfer. Luftwaffen- und Marinehelfer im Zweiten Weltkrieg“ und war als Jugendlicher selbst dienstverpflichtet.
Lars Zimmermann, Autor des Buches „Osteel – Ein ostfriesisches Dorf im Zweiten Weltkrieg“ hat uns die folgenden Infomationen aus Nicolaisens Buch zur Verfügung gestellt:

„Am 8.2.44 wurde eine Luftwaffenhelferklasse in Wittmundhafen von der Marienschule in Jevcr betreut (OL IV 737) (Staatsarchiv Oldenburg). 21.2.44: Klasse 6 der Staatl.. O.f.J. Osnabrück in Wittmundhafen bei dem Dorf Upstede (llann. 130, Nr. 140 (Staatsarchiv Hannover). Die Luftwaffenhelfer aus Osnabrück gehörten zur 1./schw. 273, die aus der Sperrfeuerbatterie 200 hervorgegangen war, und im Dezember von Voxtrup bei Osnabrück nach Upstede verlegt wurde. Am 4.3.44 wurde die Einheit mit den Luftwaffenhelfern nach Rieste bei Osnabrück verlegt. Die Batterie hatte sechs Geschütze vom Kaliber 8,8 cm (russische 7,62 cmRohre auf 8,8 aufgebohrt). Batteriechef war Oblt. Delbeckl  Betreuungsleher (sic) war der Obergefreite Gubanowski. Schutzobjekt war der Flugplatz Wittmundhafen.“ Ferner teilt Dr. Nicolaisen mit, er habe erfahren, „Batteriechef sei Ltn. Brümmer gewesen. Die Batterie sei dann nach Hollage bei Osnabrück verlegt worden. Später bildeten die 1. und 2./273 eine Doppelbatterie in Neuaigen in Östereich (sic).“

Die Osnabrücker Flakhelfer waren  Anfang 1944 in Upstede (Krs. Wittmund) eingesetzt; untergebracht waren sie auf einem Bauernhof im Pferdestall, wie sich ein Beteiligter erinnert.

Alle Fotos: privat – Die Namen hat Georg Thörner zugeordnet.

1 Herbert Teckemeyer; 2 Heinz Witte; 3 Günter Hünermund; 4 ?; 5 Erich Schwermann; 6 Schorse Moormann; 7 Georg Thörner; 8 Friedel Wartenpfuhl; 9 Egon Alberding; 10 Norman Müller; 11 ?; 12 Wilfried de Jong; 13 ?; 14 Werner Kock; 15 Rolf Pottebaum; 16 Günter Finkemeyer; 17 Horst Schremser; 18 Josef Tiemann; 19 Jochen Wacket

Flakhelfer vor der Unterkunft. Auf dem Schild an der Bretterwand steht „Eigentum der Luftwaffe  214“ (Foto: G. Thörner)

Osnabrücker Flakhelfer – angetreten

 

Verladung eines Flak-Geschützes auf die Eisenbahn

Ein Wehrmachts-LKW wird verladen.

 

Tiefflieger zeigen die Luftüberlegenheit der Alliierten.

 

Unten: “Waschu” – Zeichnung aus dem Januar 1944
“waarschouw!” heißt auf niederländisch und im ostfriesischen Platt: “Achtung!” “Aufpassen!” – man mag diesen Ruf aus dem Film “Das Boot” kennen: Da wird bei dem Ruf “Warschau!” sofort höchste Alarmstufe ausgelöst.

“Waschu” – Zeichnung aus dem Januar 1944

 

In Neuaigen bei Tulln nahe Wien

Bild unten: Wäsche draußen … später, am 11. Dezember 1944 wird Tulln schwer bombardiert

Kurt Kreckel erinnert sich

Einer der Jugendlichen, die zum Dienst als Flakhelfer herangezogen wurden, war Kurt Kreckel.
Er schreibt: „Das Bild mit mir und Schick war gestellt. Die anderen während einer Entwarnung mit Mittagspause waren echte Einsatzbilder. Die Granate im Zündereinstelltopf, die Stahlhelme und der russische Gefangene (die Russen lieferten die Granaten ans Geschütz), das war alles reeller Einsatz. Nachdem die Feind-Bomber Richtung Hannover oder Berlin weitergeflogen waren, warteten wir nun auf die Rückkehr.“

Fotos: K. Kreckel – mit freundlicher Genehmigung

Kurt Kreckel schreibt: Auf dem Emilbild (sic) bin ich der K6, der den Granatenzünder einstellt mit Drehkurbel und Folgezeiger. Hinter mir ist ? Schick, der die Höhe einstellte.

 

rechts im Bild mit langem Wachmantel: Kurt Kreckel

sitzend mit Kochgeschirr: Kurt Kreckel

 

Bekleidungsausgabe