1. frehse-1965

Frehse, Walter

Fächer: Mathematik / Physik; nterrichtete an unserer Schule von 1948 bis 1965

Nachruf auf Studienrat Walter Frehse (* Einbeck 4.2.1904 † Bad Iburg 10.5.1965),

Nach langer, schwerer Krankheit starb am 10. Mai 1965 Herr Studienrat Walter Frehse im 62. Lebensjahr.
1947 kam er vom Andreanum in Hildesheim an unsere Schule, also in einer Zeit, als gerade nach dem Zusammenbruch mit dem Wiederaufbau begonnen wurde. Ihm wurde der Aufbau der fast völlig zerstörten physikalischen Sammlung übertragen, und diese Aufgabe des Sammlungsleiters hat er bis zu seiner letzten Krankheit mit so großer Liebe und so großer Sachkenntnis erfüllt, daß er sich unauslöschliche Verdienste um unsere Schule erworben hat. Er resignierte nicht vor den Schwierigkeiten der Zeit vor der Währungsreform; als es nichts zu kaufen gab oder die damals noch so kargen Mittel des Etats nicht ausreichten, baute er selbst die Geräte, von der Irisbirne bis zum Elektronenoszillographen, und schuf damals die Voraussetzungen für einen fruchtbaren physikalischen Unterricht.
Bei der Beerdigung in Iburg brachte der Schulleiter den Dank der Schulgemeinschaft zum Ausdruck. Wir verloren mit ihm einen Lehrer, der seinen Schülern unter starkem persönlichem Einsatz ein solides Wissen vermittelte, das den Schülern eine gute Grundlage für die Arbeit auf der Universität und der Technischen Hochschule gab. Ihm fiel die Arbeit nicht immer leicht. Er sorgte sich um den Unterricht, er sorgte sich um seine Schüler. Seine Mitarbeiter verloren mit ihm einen Kollegen und Freund, der durch sein bescheidenes Wesen, seine Offenheit und Ehrlichkeit die Basis schuf, auf der sich ein echtes Vertrauensverhältnis gründen konnte.
In einer Schulfeier am 14. Mai gedachte das Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium des Verstorbenen. Als Fachkollege sprach Studienrat Heckmann. Seine Ausführungen seien wiedergegeben:

Unser Kollege Studienrat Walter Frehse erkrankte im vorigen Sommer so schwer, daß wir Woche für Woche um sein Leben bangen mußten. Als dann aber im Herbst die befreiende Nachricht von der glücklich verlaufenen Operation kam, als wir seine hoffnungsvollen Briefe aus dem Krankenhaus lasen, von seinen zuversichtlichen Gesprächen mit Kollegen und Schülern bei Besuchen in Iburg hörten, als er uns zu Weihnachten seine zweite Heirat anzeigte, ja, da wähnten wir ihn in einer Zeitspanne einer zwar langsamen, aber doch stetig fortschreitenden Genesung und Erholung. Welch ein Trugschluß! Wieder einmal ist uns gezeigt, wie unstetig in der Zeit der Raum sein kann, in den all unser menschliches Leben eingebettet ist….
Die Krankheit und nun der Tod trafen ihn mitten in Plänen und Vorhaben, die Unterrichts- und Sammlungsräume der Physik auszubauen, die Sammlung weiter zu vervollständigen und zu modernisieren,wobei Schwerpunkte für die Physik kleinster Teilchen und Schülerübungen gebildet werden sollten. Als Sammlungsleiter wollte er seinen Fachkollegen und Schülern möglichst schnell auch hinreichende Bedingungen für einen erfolgreichen zeitgemäßen Physikunterricht schaffen. Die notwendigen Wünsche der Kollegen hatte er schon stets zu erfüllen gewußt in den schweren Nachkriegsjahren ohne finanzielle und materielle Hilfe sowohl als auch in den ersten Jahren ohne nennenswerte Geldmittel nach der Währungsreform. Gerade während dieser Notzeiten war Studienrat Walter Frehse unentbehrlich, zeigte sich sein physikalisches Können ganz besonders. Wie geschickt demonstrierte er mit einfachsten Geräten und in Freihandversuchen physikalische Arbeiten, mit welcher Ausdauer und welch einem physikalisch-technischen Verständnis baute er uns einfache Geräte und wichtigste Apparaturen aus Restgütern der Kriegsindustrie, über ein Jahrzehnt haben Schülergenerationen mit den Frehseschen Geräten Physik gelernt! Kollege Walter Frehse hat diese Arbeit nur leisten können, weil er so eng seinem Fach Physik verbunden war, weil er sich ganz der Experimentalphysik verschrieben hatte. Von seinen zahlreichen ausgereiften Versuchsanordnungen sind die zur Bestimmung der Naturkonstanten des Gravitations- und des elektromagnetischen Feldes von besonderer Bedeutung.
Hier rang Walter Frehse der Apparatur buchstäblich die letzte Dezimalstelle der Messung ab und drang oft mit feinem physikalischen Fingerspitzengefühl bis an die Grenze der Genauigkeit vor, die jedem Versuch durch eine kritische physikalisch-mathematische Gesetzlichkeit gezogen ist. Solche Messungen zur Bestimmung,von Naturkonstanten verknüpfen ^durch das Experiment physikalisch verschiedene Größen und geben dem ordnenden und zusammenfassenden theoretischen Physiker eine Basis, die Naturgesetzlichkeit mathematisch beschreiben zu können. Mit diesen Versuchen hat Studienrat Walter Frehse auch am stärksten auf die Schüler in der langen Reihe seiner Abiturklassen gewirkt: er hat ihnen gezeigt, daß die Grundlage jeglicher Naturwissenschaft der planmäßig und physikalisch exakt durchgeführte Versuch ist.
Die Schulorganisation hat ihren Sammlungsleiter für Physik verloren, wir Fachkollegen den gütigen, nachsichtig lächelnd helfenden Kollegen, der Stromquellen auflädt, Schrauben festdreht, fehlende Teile holt, schnell Fehler an einem Versuchsaufbau findet. Wir verloren aber auch einen Physiker, dessen Wissen und Können, dessen langjährige Erfahrung zurückreicht bis in die glanzvolle mathematisch-physikalische Epoche der Zwanziger Jahre an der Göttinger Universität. Dort studierte vor 40 Jahren Walter Frehse Mathematik, Physik und Chemie. Damals hatte gerade sein späterer Lehrer, der Physiker James Franck, den Nobelpreis für die berühmten Elektronen-stoßversuche erhalten, die beide Postulate der Atomtheorie des erst 26 jährigen Niels Bohr schön und unmittelbar experimentell nachwiesen. Etwa zur gleichen Zeit entwickelte der noch jüngere Werner Heisenberg aus seiner Forderung, nur Beziehungen zwischen beobachtbaren Größen in einer mathematischen Theorie der Physik zuzulassen, mit seinen Lehrern Max Born und Pascual Jordan die Matrizenmechanik. Ist es da verwunderlich, daß der junge Student Frehse ganz in den Bann der Experimentalphysik geriet, die in dem ewigen Wechselspiel zwischen Theorie und Experiment die Physik gerade zu solchen Erfolgen führte? …

Mit Walter Frehse verlieren wir nicht nur unseren Sammlungsleiter und Fachkollegen. Wir alle trauern um einen gütigen, stets hilfsbereiten Menschen, der in der Stille lebte und arbeitete. Noch haben wir kaum begriffen, daß er nicht mehr unter uns ist. Der Tod hat ein Leben beendet, das noch nicht vollendet war, das aber trotzdem reich war, reich vor allem an Verständnis für die Stärken und Schwächen derer, die ihm begegneten und an selbstloser Hingabe an die selbst gestellte Lebensaufgabe, physikalisch zu arbeiten und Physik der immer wieder heranwachsenden Jugend zu lehren.

(aus: „neue realität“ 23/Sommer 1965)

Im Physikunterricht der Klasse 8 (vermute ich) im Jahr 1960 wurde Stud.Rat Frehse aufgenommen, als er versuchte, uns Schülern die Funktion des Schalls beizubringen. (Foto: privat)

 

 

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