1. hirschfelder-2003

Hirschfelder, Heinrich, Dr.

Fächer: Latein, Geschichte; unterrichtete von 1982 bis 2003 am EMA

Lebenslauf:
geboren am 11. Mai 1938 in Königsberg in Preußen
1959 Abitur am Ratsgymnasium Osnabrück;
Studium der Fächer Latein, Deutsch, Geschichte, Philosophie, Pädagogik in Göttingen und Hamburg;

Mit Ablauf des Monats Juli 2003 ist Heinrich Hirschfelder in den Ruhestand getreten.
Er ist am 11. August 2022 gestorben.

Nachruf

Das EMA trauert um den ehemaligen Lehrer Dr. Heinrich Hirschfelder.

Er ist am 11. August 2022 mit 84 Jahren gestorben.

1982 kam Dr. Hirschfelder vom Gymnasium in der Wüste zu uns ans EMA. Er unterrichtete die Fächer Latein und Geschichte und war Fachobmann Latein bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand zum 1. August 2003.

Seine Begeisterung für die lateinische Sprache und die römische Antike hat sich auf ungezählte Schülerinnen und Schüler übertragen, ebenso seine Neugier, seine akribische Arbeitsweise und sein immer freundliches, den ihm anvertrauten jungen Leuten zugewandtes Wesen. Einer seiner ehemaligen Schüler schreibt: Er „hat uns Schüler … immer ernst genommen und uns gezeigt, dass wir für ihn durchaus Gesprächspartner in unterschiedlichen geschichtlichen und politischen Themen waren.“

„Du musst dir immer vor Augen halten, mit wem du es zu tun hast, nämlich mit Leuten, die 18 und 19 Jahre alt sind, nicht mit Studenten in der Zwischenprüfung oder im Examen. Das haben die Abiturienten alle noch vor sich!“ So argumentierte er im Abitur 1985 während einer Notenbesprechung – der Rat eines erfahrenen, weisen und von mir hoch geschätzten Kollegen.

Er war ein zutiefst freundlicher, liebevoller Mensch, der den anderen stets achtete und respektierte – ein Pädagoge und hochgebildeter Humanist im besten Sinne.

Vor ihm verneigen wir uns.

H. Brammer-Willenbrock.

 

Laudationes

> Schulleiter Hartmut Bruns
> Kollegium: Helmut Brammer-Willenbrock

Zur Verabschiedung
von Dr. Heinrich Hirschfelder, Karin Jabs-Kiesler und Nelly Henne am 8. Juli 2003

Laudatio von Hartmut Bruns (Schulleiter)

Es ist ein unmögliches Unterfangen heute – bei drei so unterschiedlichen Persönlichkeiten – etwas zu sagen und damit Ihnen allen gleichzeitig gerecht zu werden, ohne gleich drei Reden zu halten.

Dennoch möchte ich Ihnen, sicherlich nicht als Ihr bedeutendster, aber als Ihr letzter Schulleiter, etwas mit auf den Weg geben, das ehrlich gemeint und wenig floskelhaft ist, etwas, an das Sie sich gerne erinnern.

„Niemand denkt und fühlt und handelt so wie Du,
Und niemand lächelt, so wie Du’s grad tust.
Vergiss nie: Niemand sieht den Himmel ganz genau wie Du,
Und niemand hat je, was Du weißt, gewusst“.
(Jürgen Werth)

Jeder von Ihnen hat das Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium in den letzten 20 Jahren auf besondere Weise geprägt, jeder auf seine ganz persönliche Art und Weise; und Schülerinnen und Schüler haben das auch zu schätzen gewusst, was ich an drei kleinen Beispielen verdeutlichen möchte:

Unser gutes altes EMA existiert in diesem Jahr seit 136 Jahren. Wenn man Ihre Dienstjahre an unserer Schule addiert, so haben Sie mehr als ein halbes Jahrhundert lang unser Traditionsgymnasium mitgestaltet.

Schule war für Sie mehr als Routine. Sie waren alle drei Pädagogen, die sich mit Liebe, Kompetenz und Zuwendungsfähigkeit um Ihre Schülerinnen und Schüler bemüht haben. Natürlich haben Sie Schule nicht immer nur als Freude empfunden. Manchmal waren Sie auch gestresst, genervt, Sie haben sich geärgert: über Ihre Schülerinnen oder Schüler, über den Stunden- oder Vertretungsplan, über den Schulleiter, aber immer wieder haben Sie sich aufs Neue den Ihnen anvertrauten jungen Menschen zugewandt und sie mit all ihren Stärken und Schwächen angenommen, denn Sie haben Ihren Beruf geliebt.

Für Ihre Arbeit und Ihr Engagement für viele Schülergenerationen und für unsere Schule spreche ich Ihnen im Namen des gesamten Kollegiums Dank und Anerkennung aus.

Persönlich danke ich Ihnen allen für die gute, loyale Zusammenarbeit mit mir.

Folgende kleine Anekdote wird von einem Rabbi überliefert, dessen Namen ich leider vergessen habe.

Als ein Tourist einmal einen Rabbi zu Hause in seiner Wohnung besuchte, stellte er fest, dass der Rabbi in seiner Wohnung kaum Möbel hatte. Die Wohnung bestand im Wesentlichen aus einem Schreibtisch und vielen Regalen mit Büchern. „Wo sind deine Möbel, Rabbi“, fragte der Fremde? Darauf entgegnete der Rabbi mit einer Frage. „Wo sind denn deine Möbel?“ „Meine Möbel? Du weißt doch, Rabbi, ich bin doch nur auf der Durchreise.“ „Siehst du“, antworte der Rabbi, „ich auch.“

Ein Tag wie der heutige ist Abschied und Aufbruch zugleich. So formuliert es auch Hermann Hesse in vollendeter Poesie in seinem Gedicht Stufen zur Sinnbetrachtung des menschlichen Lebens:

„Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben,
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft zu leben. …“

Sie treten heute in den Ruhestand ein, eine Zeit dehnt sich für Sie, Sie haben jetzt alle Zeit der Welt, wie der Volksmund sagt. Mit gutem Gewissen einfach nur da sein, aus dem aktiven Schuldienst, einem Leben mit ungeheurem Termindruck aussteigen.

„Und es ist wahrlich ein Vergnügen, in aller Ruhe allein oder mit seinem Ehepartner zu frühstücken. Aber wie selten schaffen das verheiratete Leute inmitten ihres hektischen Alltags.“ (Anne Morrow Lindberg)

Ich habe einmal versucht herauszufinden, was Literaten und Philosophen über den Müßiggang geschrieben haben, der nun für Sie statt Schule auf der täglichen Speisekarte steht.

Aristoteles:
„Das Ziel der Arbeit ist die Muße, und die Muße ist die Schwester der Freiheit.“

Franz Kafka:
„Müßiggang ist aller Tugenden Krönung.“

Friedrich Schlegel:
„O Müßiggang! Du bist die Lebensluft der Unschuld und Begeisterung, dich atmen die Seligen, und selig ist, wer dich hat und hegt, du heiliges Kleinod! Einziges Fragment von Gottähnlichkeit, das noch aus dem Paradiese blieb.“

Die Bibel, Mathäus 6,28ff.
„Lernt von den Lilien, die auf dem Felde wachsen: Sie arbeiten nicht und spinnen nicht. Ich sage euch: selbst Salomo war in seiner Pracht nicht so gekleidet wie eine von ihnen.“

Alles hat seine Zeit. Das sagte schon
Johann Wolfgang von Goethe:

„Das Nahe wird weit
Das Warme wird kalt
Das Junge wird alt
Das Kalte wird warm
Der Reiche wird arm
Der Narr gescheit
Alles zu seiner Zeit.“

Alles zu seiner Zeit. Sie beenden einen Lebensabschnitt, beginnen aber gleichzeitig einen neuen, einen – wie Ihnen die wenigen von mir ausgewählten Zitate hoffentlich gezeigt haben – wunderschönen, einen, um den Sie sicherlich viele beneiden.

Schließen möchte ich mit einer kurzen Geschichte, die Dschunag Dse, ein chinesischer Philosoph, aufgeschrieben hat.

„Als der Weise ostwärts zum Ozean reiste, begegnete er Yüan-Feng am östlichen Meer. ‚Wohin des Wegs?‘ rief er Ihm zu. ‚Ich gehe zum Ozean‘, antwortete der Weise. ‚Was willst du da tun?‘ – ‚Tun?‘ sagte der Weise. ‚Der Ozean ist ein Ding, das du durch Eingießen füllen oder durch Ausschöpfen leeren kannst. Ich gehe zu ihm, um mich an ihm zu erfreuen.’“

Auch Ihnen wünsche ich, dass Sie oft an den Ozean gehen können – was immer das für Sie ganz persönlich sein mag – einfach nur, um sich an ihm zu erfreuen.

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Laudatio für das Kollegium

Lieber Heinrich,
Du gehörst zu den Kollegen, die nicht im Rampenlicht stehen wollen. Du gehörst aber unbedingt zu denen, die mit größter Akribie ihren Dienst versehen.
1985 warst Du im Abitur Korreferent in meinem damaligen Leistungskurs Geschichte. Wir hatten darüber diskutiert, ob eine Arbeit noch befriedigend zu nennen sei, ich plädierte für 6 und Du für 8 Punkte.
Da sagtest Du mir: „Du musst dir immer vor Augen halten, mit wem du es zu tun hast – mit Leuten, die 18 und 19 Jahre alt sind, nicht mit Studenten in der Zwischenprüfung oder im Examen. Das haben die alle noch vor sich!“
Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Ich bin Dir für diese Sätze dankbar.
Heinrich, ich stehe hier vor Dir in dreifacher Gestalt, als Kollege der Fachgruppen Geschichte und Latein, als Mensch, der Dich außerordentlich schätzt, und als Personalrat.
Ich wechsele mal eben die Funktion und überreiche Dir namens der Fachgruppe Latein ein kleines Abschiedsgeschenk: In diesem kleinen Glas ist römische Erde, aus Rom, zusammengeklaubt an der Zuwegung zur Domus Aurea Neronis – Wilfried (Pabst) ist mein Zeuge. Und dieser Ziegelstein ist auch von dort, es ist ein römischer, aber kein antiker Ziegel. Und nun schaue bitte in dieses Glas mit der römischen Erde und sieh Dir diesen Käfer an; er rührt sich nicht – er ist ja auch aus Holz.
Aber hierzu will ich eine kleine Episode erzählen, die sich 1992 bei Gelegenheit einer Studienfahrt in Rom zugetragen hat.
Wir gingen mit der Schülergruppe die Via dei Fori Imperiali hinunter auf das Kolosseum zu. Etwa dort, wo man rechts zum Konstantinsbogen hin abbiegt, lag – wie überall, weil ständig gegraben wird – ein Erdhaufen mit ein paar Grassoden darauf. Nun ist Heinrich ja keineswegs bekannt für sehr schnelle Laufbewegungen. Aber plötzlich sprintete er los – da vorn das Kolosseum, hier wir, dazwischen der schnellfüßige Heinrich, der auch schon wieder bei uns war – mit einem Käfer in einem Glase, in dem er ständig Chloroform hatte. Auf die entsetzten Schreie der Schüler entgegnete er gelassen: „Davon hat der gar nichts gemerkt“ und ging wieder weiter.

Lieber Heinrich!
Als Geschenk darf ich Dir namens des Kollegiums einen „Poetischen Reiseführer Rom“ in deutscher und – leider nicht lateinischer, sondern – italienischer Sprache überreichen – und diese Rose.

H. Brammer-Willenbrock

Dr. Heinrich Hirschfleder während der Studienfahrt nach Rom 1992, Pompeji
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