Jabs-Kiesler, Karin
Fächer: Französisch, Geschichte, Politik
Lebenslauf:
* 01.10.1939 in Karlshafen / Weser (kriegsbedingt);
Schulzeit in Saarbrücken, dort 1959 Abitur am Mädchengymnasium;
Studium der Geschichte und Romanistik in Saarbrücken, Helsinki, Göttingen; dort Jan. 1965 1. Staatsexamen; Referendariat in Lehrte und Hannover;
1967-81 am Graf-Stauffenberg-Gymnasium;
seit Herbst 1981 am EMA
Mitglied des Rates der Stadt Osnabrück (SPD – Fraktion) von 1986-96 sowie seit 2001
Bürgermeisterin der Stadt Osnabrück bis 2015
Verabschiedung in den Ruhestand, Juli 2003
Laudationes:
Schulleiter Hartmut Bruns, OStD
Für den Personarat und die Fachgruppe Geschichte: Helmut Brammer-Willenbrock
Zur Verabschiedung
von Karin Jabs-Kiesler, Nelly Henne und Dr. Heinrich Hirschfelder am 8. Juli 2003
Laudatio von Schulleiter Hartmut Bruns
Es ist ein unmögliches Unterfangen heute – bei drei so unterschiedlichen Persönlichkeiten – etwas zu sagen und damit Ihnen allen gleichzeitig gerecht zu werden, ohne gleich drei Reden zu halten.
Dennoch möchte ich Ihnen, sicherlich nicht als Ihr bedeutendster, aber als Ihr letzter Schulleiter, etwas mit auf den Weg geben, das ehrlich gemeint und wenig floskelhaft ist, etwas, an das Sie sich gerne erinnern.
„Niemand denkt und fühlt und handelt so wie Du,
Und niemand lächelt, so wie Du’s grad tust.
Vergiss nie: Niemand sieht den Himmel ganz genau wie Du,
Und niemand hat je, was Du weißt, gewusst“.
(Jürgen Werth)
Jeder von Ihnen hat das Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium in den letzten 20 Jahren auf besondere Weise geprägt, jeder auf seine ganz persönliche Art und Weise; und Schülerinnen und Schüler haben das auch zu schätzen gewusst, was ich an drei kleinen Beispielen verdeutlichen möchte:
Unser gutes altes EMA existiert in diesem Jahr seit 136 Jahren. Wenn man Ihre Dienstjahre an unserer Schule addiert, so haben Sie mehr als ein halbes Jahrhundert lang unser Traditionsgymnasium mitgestaltet.
Schule war für Sie mehr als Routine. Sie waren alle drei Pädagogen, die sich mit Liebe, Kompetenz und Zuwendungsfähigkeit um Ihre Schülerinnen und Schüler bemüht haben. Natürlich haben Sie Schule nicht immer nur als Freude empfunden. Manchmal waren Sie auch gestresst, genervt, Sie haben sich geärgert: über Ihre Schülerinnen oder Schüler, über den Stunden- oder Vertretungsplan, über den Schulleiter, aber immer wieder haben Sie sich aufs Neue den Ihnen anvertrauten jungen Menschen zugewandt und sie mit all ihren Stärken und Schwächen angenommen, denn Sie haben Ihren Beruf geliebt.
Für Ihre Arbeit und Ihr Engagement für viele Schülergenerationen und für unsere Schule spreche ich Ihnen im Namen des gesamten Kollegiums Dank und Anerkennung aus.
Persönlich danke ich Ihnen allen für die gute, loyale Zusammenarbeit mit mir.
Folgende kleine Anekdote wird von einem Rabbi überliefert, dessen Namen ich leider vergessen habe.
Als ein Tourist einmal einen Rabbi zu Hause in seiner Wohnung besuchte, stellte er fest, dass der Rabbi in seiner Wohnung kaum Möbel hatte. Die Wohnung bestand im Wesentlichen aus einem Schreibtisch und vielen Regalen mit Büchern. „Wo sind deine Möbel, Rabbi“, fragte der Fremde? Darauf entgegnete der Rabbi mit einer Frage. „Wo sind denn deine Möbel?“ „Meine Möbel? Du weißt doch, Rabbi, ich bin doch nur auf der Durchreise.“ „Siehst du“, antworte der Rabbi, „ich auch.“
Ein Tag wie der heutige ist Abschied und Aufbruch zugleich. So formuliert es auch Hermann Hesse in vollendeter Poesie in seinem Gedicht Stufen zur Sinnbetrachtung des menschlichen Lebens:
„Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben,
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft zu leben. …“
Sie treten heute in den Ruhestand ein, eine Zeit dehnt sich für Sie, Sie haben jetzt alle Zeit der Welt, wie der Volksmund sagt. Mit gutem Gewissen einfach nur da sein, aus dem aktiven Schuldienst, einem Leben mit ungeheurem Termindruck aussteigen.
„Und es ist wahrlich ein Vergnügen, in aller Ruhe allein oder mit seinem Ehepartner zu frühstücken. Aber wie selten schaffen das verheiratete Leute inmitten ihres hektischen Alltags.“ (Anne Morrow Lindberg)
Ich habe einmal versucht herauszufinden, was Literaten und Philosophen über den Müßiggang geschrieben haben, der nun für Sie statt Schule auf der täglichen Speisekarte steht.
Aristoteles:
„Das Ziel der Arbeit ist die Muße, und die Muße ist die Schwester der Freiheit.“
Franz Kafka:
„Müßiggang ist aller Tugenden Krönung.“
Friedrich Schlegel:
„O Müßiggang! Du bist die Lebensluft der Unschuld und Begeisterung, dich atmen die Seligen, und selig ist, wer dich hat und hegt, du heiliges Kleinod! Einziges Fragment von Gottähnlichkeit, das noch aus dem Paradiese blieb.“
Die Bibel, Mathäus 6,28ff.
„Lernt von den Lilien, die auf dem Felde wachsen: Sie arbeiten nicht und spinnen nicht. Ich sage euch: selbst Salomo war in seiner Pracht nicht so gekleidet wie eine von ihnen.“
Alles hat seine Zeit. Das sagte schon
Johann Wolfgang von Goethe:
„Das Nahe wird weit
Das Warme wird kalt
Das Junge wird alt
Das Kalte wird warm
Der Reiche wird arm
Der Narr gescheit
Alles zu seiner Zeit.“
Alles zu seiner Zeit. Sie beenden einen Lebensabschnitt, beginnen aber gleichzeitig einen neuen, einen – wie Ihnen die wenigen von mir ausgewählten Zitate hoffentlich gezeigt haben – wunderschönen, einen, um den Sie sicherlich viele beneiden.
Schließen möchte ich mit einer kurzen Geschichte, die Dschunag Dse, ein chinesischer Philosoph, aufgeschrieben hat.
„Als der Weise ostwärts zum Ozean reiste, begegnete er Yüan-Feng am östlichen Meer. ‚Wohin des Wegs?‘ rief er Ihm zu. ‚Ich gehe zum Ozean‘, antwortete der Weise. ‚Was willst du da tun?‘ – ‚Tun?‘ sagte der Weise. ‚Der Ozean ist ein Ding, das du durch Eingießen füllen oder durch Ausschöpfen leeren kannst. Ich gehe zu ihm, um mich an ihm zu erfreuen.’“
Auch Ihnen wünsche ich, dass Sie oft an den Ozean gehen können – was immer das für Sie ganz persönlich sein mag – einfach nur, um sich an ihm zu erfreuen.
Laudatio
Für den Personalrat und für die Fachgruppe Geschichte:
22 Jahre EMA – liebe Karin, Dein Name steht – neben Deiner unbestrittenen fachlichen Kompetenz – für Tatkraft, Energie, Durchsetzungsvermögen. Meine Mutter pflegte mit größter Hochachtung über Frauen wie Dich zu sagen: „De kann aber wat berieten!“ (Für die, die des-Plattdeutschen nicht mächtig sind: „Die kann aber was schaffen/ausrichten!“). Das ist auch so. Wer hätte die Töpfe, in denen Du gerührt hast und noch rührst, gezählt? Wer wollte wissen, wo Du gerade steckst? „Unstet und flüchtig“, wie es in der Bibel heißt, so will es mit Dir manchmal scheinen. Dabei sind doch Geradlinigkeit und Direktheit Deine Stärken.
Karin, wir sind zusammen in Helmstedt, mehrmals in Berlin, zweimal in der DDR (das eine Mal mit Schülern in Stralsund und Greifswald, das andere Mal mit dem Geschichtslehreverband in Sachsen und Thüringen) gewesen, und wir waren in Paris und Angers. Das ist für mich – das sei erlaubt einzuflechten – von unschätzbarer Bedeutung gewesen, denn so ziemlich alle Erwachsenen, mit denen ich als Kind zu tun hatte, haben mir erzählt, dass „der Franzose“ gefährlich sei (1. Weltkrieg). Und nach dem 2. Weltkrieg hieß es, dass „der Ami“ und „der Tommy“ ganz ordentlich seien, „der Franzose“ tauge nichts und „der Russe/der Iwan“ sei ganz schlimm. Über die Franzosen, nein, „den Franzosen“ haben die Bauern in der Lüneburger Heide kein gutes Wort gefunden. Dahinter
steckten wohl Erfahrungen aus Krieg und Gefangenschaft. (Merkwürdigerweise reden sie ganz anders über die französischen Zwangsarbeiter auf den Höfen.)
Und dann fuhren wir 1985 nach Frankreich anlässlich einer Schüleraustauschbegegnung mit unserer Partnerschule in Angers. Umfangreiches Besichtigungsprogramm, Saumur, Chinon, Schlösser der Loire – Du hast mich an „savoir vivre“ herangeführt; wir haben gelebt „wie Gott in Frankreich“. Das waren Erlebnisse und Eindrücke, die mir einen ganz neuen Horizont eröffnet haben, geschätzte Karin.
Neben Deiner Frankophilie muss unbedingt noch Deine „Skandinavophilie“ (man verzeihe diese Wortschöpfung) erwähnt werden; schließlich hast Du auch in Helsinki studiert, und es zieht Dich immer wieder in den Norden, sei es nach Schweden, sei es nach Finnland. Das ist eine weitere Gemeinsamkeit zwischen uns.
Liebe Karin!
Als Geschenk darf ich Dir namens des Kollegiums einen „Poetischen Reiseführer Paris“ in deutscher und französischer Sprache überreichen – und diese Rose.
für den Schulpersonalrat und die Fachgruppe Geschichte:
H. Brammer-Willenbrock
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