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Briefe nach Hause: Otto Horst Reinecke, 1942-1945

Briefe des Schülers Otto-Horst Reinecke aus der Kinderlandverschickung

1942 in Bresnitz / Breznice, 1944 in Eerde/Ommen, 1944/45 in Mühlbach

Wie fühlt sich ein Junge mit 11, 12, 13 Jahren, wenn er weit weg von zu Hause ist, ohne die Möglichkeit zu telefonieren oder Statusmeldungen abzusetzen? Wenn er Angst um seine Eltern und Geschwister hat? Wenn er hört, dass die Heimatstadt bombardiert wird und nicht weiß, ob sein Elternhaus noch steht? Wenn er erfährt, dass der Vater in den Krieg muss, und nebenan wartet ein Klassenkamerad auf die Nachricht, ob seine Eltern noch leben …
Eine Klassenfahrt von zweieinhalb Jahren Dauer ist das jedenfalls nicht.

 

Otto-Horst Reinecke kurz vor der Abfahrt in die Kinderlandverschickung. Auf dem Pappschild, das alle um den Hals trugen, waren Name und Bestimmungsort eingetragen.

 

Otto-Horst Reinecke im Mai 20134 vor dem Schulgebäude an der Knollstraße, Mai 2014. Er ist 2018 verstorben.

 

Otto-Horst Reinecke war während des Zweiten Weltkrieges Schüler unserer Schule. Als die Alliierten den Bombenkrieg intensivierten und die meisten deutschen Städte in Schutt und Asche legten (Osnabrück wurde etwa 70 Mal angegriffen und zu 85% zerstört; unsere Schule am damaligen Standort Lotter Str. 6 erhielt im August 1942 einen Volltreffer), wurden Kinder evakuiert und in ländliche Gegenden, die nicht Ziele der Bomber waren, gebracht – die sog. “Kinder-Landverschickung” (KLV). Sie wohnten in Jugenherbergen oder Landschulheimen und wurden von Lehrkräften begleitet. Nach Hause konnten sie nur wenige Wochen. Über Briefe und Postkarten hielten sie Verbindung mit zu Hause.

Otto-Horst Reinecke war vom Sommer 1942 bis Februar 1945 an verschiedenen Orten in von der deutschen Wehrmacht besetzten oder annektierten Gebieten: Bresnitz (Tschechien), Schloss Eerde (Niederlande), Abtenau (Österreich). Er hat uns die Briefe an seine Eltern, Geschwister und Großeltern überlassen mit der ausdrücklichen Genehmigung, diese hier zu veröffentlichen – ganz herzlichen Dank, Herr Reinecke!

Die Briefe habe ich eingescannt, und sie sind hier veröffentlicht. Sie zeigen uns die Alltagssorgen – Schuhcreme! Briefmarkenalben! 2 Scheiben Brot mit Wurst! Großappell! Lebensmittelmarken! Umzug in ein anderes Lager! Schlechtes Essen! Marschieren! Schneeballschlachten! Heimweh! Spannende Bücher! – und die Streiche der Jungen, aber auch die tiefen Sorgen um die Lieben zuhause und das Wissen um die Zensur – Lehrer und Lagerleitung lasen mit und hielten Briefe zurück. – Ab Ende 1944 werden die Briefe länger, die Jungs sind unzufrieden, Otto-Horst möchte nach Hause, dann doch wieder nicht. Bald schreibt er fast jeden Tag.

H. Brammer-Willenbrock

Also los – lassen wir die Briefe sprechen:

Bresnitz Schloss EerdeMühlbach am Inn, Salzburger Land

Foto: privat

Die Schüler haben sich zur Abfahrt vor der Schule, Lotter Str. 6 aufgestellt.
Jeder trägt ein Pappschild mit Angaben zur Person und zum Bestimmungsort am Mantel. Im Hintergrund an der Schulmauer stehen Eltern, meist Mütter – die Väter sind ja im Krieg oder tot.

 

 
Bresnitz / Breznice im besetzten Tschechien

Bresnitz, 22.11.42

Liebe Mutter!

Gestern abend um elf Uhr gelangten wir nach dreißigstündiger Fahrt im Lager an. Das Lager ist ein riesengroßes, dreistöckiges Gebäude, welches in 250 Meter Höhe liegt. Als wir ankamen waren wir völlig durchgedreht, wir bekamen sofort ein Zimmer angewiesen in welchem wir dann einschliefen. Das Essen ist hier sehr gut. Gleich am Abend bekamen wir eine Flasche Selterwasser und eine Stulle Brot welche in den Mund gar nicht hineinpasste. Heute Morgen bekamen wir vier Stück Kuchen und Kaffee. Zu Mittag gab es ein Kottlet und Rotkohl. Dann eine Stunde Bettruhe und dann mußten wir unseren Spind einräumen. Als wir abfuhren bekam ich noch nicht einmal alle Sachen in den Koffer, Papa schickt sie nach. Wir schlafen hier in zwei Betten übereinander, ich oben. Auf der Parterre ist der große Eßraum, in welchem wir essen und trinken. Nun muß ich Papa auch noch schreiben und bald schreibe ich mehr.
Herzlichen Gruß und Kuß Otto!

 

Liebe Eltern ! ! ! !

Heute bin ich schon eine Woche hier im K. L. V. Lager Bresnitz. Ich habe mich hier schon richtig eingelebt und bin mit dem Essen gut zu frieden. Jetzt sind wir gerade von einer Schneeballschlacht zurückgekehrt und sitzen ganz vergnügt um unseren Stubentisch und schreiben. Gestern hatten wir Ausgang und ich habe mir allerhand Zeitungen zum Lesen gekauft. Heute Mittag gibt es bei uns Gänsebraten und heute morgen gab es drei Stück Kuchen. Aber mit Rosinen kann ich euch sagen. Da ist der Kuchen in Osnabrück Mist dagegen. Meistens gibt es hier Mahlzeiten und die „schmecken“. Gestern war ich im Schloß und habe mir es angesehen.
Wie geht es Peter und Jürgen? Wann ist Mama wiedergekommen? Hier in der kleinen (?) ist auch ein Kino, vielleicht haben wir auch einmal Gelegenheit da hinein zu gehen. Bloß Süßigkeiten sind hier sehr knapp. Morgen müssen wir Tannenbäume holen und ich nehme an, das wir hier auch Weihnachten feiern. Einen Adventskranz haben wir schon. Wenn Du mir zu Weihnachten ein Spiel schicken willst wäre ich dir sehr dankbar. Grüße bitte Frau Riehemann, bald schreibe ich ihr. Schicke das Paket.

Viele Grüße und einen Kuß
Dein Otto!

Zu Weihnachten
schicke ich ein
Päckchen.

Die Briefe VON mir müssen aufbleiben

 


Ort? Datum?

Liebe Eltern!!

Heute bin ich schon zwei Wochen im Lager. Ja, und nun wird es bald Zeit, Euch einen Dienstplan des Tages beschreiben.

Morgens um sieben Uhr wird geweckt, dann springen alle vierzehn Jungen unserer Stube aus den Betten und weil wir bloß zwei Waschbecken in der Stube haben, will jeder der erste am Krane sein. Wenn wir fertig sind ist Stubenappell, dann Kaffeetrinken und dann gehen wir in den Unterricht. Nach der zweiten Stunde haben wir unser Frühstück. Meistens gibt es eine Schnitte mit Honig. Die Skihose ziehe ich nie an, weil ich so bange bin, daß sie zerreißt. Ich bin sehr artig und ich ziehe mir dann die langen Strümpfe an. Sie halten sehr warm und ich freue mich, daß das Paket abgeschickt ist, denn ich (vermisse?) schon die lange Hose. Auf der Karte welche ich Euch geschrieben habe ist das Lager zu sehen und die angekreuzten Fenster ist unsere Stube. In einem deutschen Diktat, welche die erste Arbeit war, schrieb ich eine zwei. Um euch eine Freude zu machen, habe ich meine ganze Freizeit und Abends im Bett um die Vokabeln von Geschichte zu lernen. In Geschichte führe ich mich sehr gut, und die meisten Lehrer stammen von unserer alten Schule. Jetzt ist gerade der Großappell beendet und ich habe mein Spind so aufgeräumt, so daß ich Euch mitteilen muß, daß ich der Einzige unserer Stube bin, welchem der Spind nicht ausgeräumt wurde. Morgens und Abends waschen wir uns gründlich. Ich habe schneeweiße Zähne, das kommt von vielem Zähneputzen. Dreimal am Tage müssen wir uns die Zähne putzen.

Laß Papa
bitte einmal schreiben

Herzlichen Gruß und Kuß
Otto

Hat Papa eigentlich noch nicht meinen Brief erhalten?

 

Liebe Eltern!

Mir geht es noch immer sehr gut. Wie geht es Euch? Wie geht es Jürgen und Peter? Hoffentlich geht es ihnen gut. Muß Vater noch zur Feuerwehr? Es ist ja schade, daß der Tommy immer noch kommt und daß Du, Mutter, immer mit Peter und Jürgen in den Luftschutzkeller gehen mußt. Wir haben unsere Stube jetzt mit Sprüchen ausgeschmückt. Z. B.: Wir toten Flieger blieben Sieger durch uns allein. Volk flieg du wieder und du wirst Sieger durch dich allein! Über der Tür sind die 3 Prüfungen, das heißt die Abzeichen mit den Schwingen angemalt. Bald schicke ich Euch wieder Briefmarken von der Winterhilfe. Sonst ist es hier noch alles bei altem, der Stempel, den ich bestellt habe, wird bald fertig sein. Schickt mir bitte das Stempelkissen und den Druckkasten. Sonst geht es mir noch immer gut.
Nun seid gegrüßt und geküßt

von Deinem und von eurem Sohn Otto!

 


Bresnitz 14.12.42

Lieber Vater!

Gerade habe ich Deine liebe Karte dankend erhalten. Das Wäschepaket habe ich leider noch nicht erhalten. Man muß Geduld haben. Es dauert 8 bis 14 Tage. Aber es sind 200 Pakete auf der Post; darum nehme ich an, daß mein Paket dabei ist. Schickt mir doch bitte nichts. Sage mal kann Ich Meine Skihose nach Hause schicken, Ich habe eine geliehene Uniform, darunter auch eine Skihose. Nun für heute genug
herzlichen Gruß an Mama, Papa, Jürgen und einen dicken KUSS Otto!

Letzte Englischarbeit schrieb ich drei.

Soeben erfahre ich, daß wir heute 14 (??) Ferien bekommen haben, wir wurden eine Stunde später geweckt.

Herzlichen Kuß und Gruß
Otto!

 


BRESNITZ, DEN

Liebe Eltern!

Ich muß Euch die erfreuliche Mitteilung machen, daß mein Gewicht sich um zwei Pfund erhöht hat. Heute morgen begann der regelmäßige Schulunterricht bei uns. Nachstehend schreibe ich Euch unseren Stundenplan. Montag: Englisch, Englisch, Mathematik, Deutsch. Dienstag: Mathematik, Englisch, Erdkunde, Geschichte. Mittwoch: Biologie, Kunstunterricht, Englisch, Mathematik. Donnerstag: Englisch, Deutsch, Biologie, Geschichte. Freitag: Englisch, Geschichte, Deutsch, Mathematik. Samstag: Englisch, Deutsch, Mathematik, Erdkunde. Außer Mittwoch und Sonnabend haben wir an allen Tagen nachmittags von 17 bis 19 Uhr Schularbeitsstunde. Zwei Stunden Schularbeiten jeden Tag das macht schon viel aus. Im Lesen habe ich mich schon tüchtig gebessert; das kommt; weil ich jeden Tag in Büchern von der Kriegsmarine und von der Luftwaffe lese. Vor einigen Tagen sah die gesamte Lagermannschaft unseres Lagers den wunderschönen Film „Die Entlassung“ mit Bismarck. Er war so schön, daß wir die Vorstellung zweimal angesehen haben. In nächster Zeit werden wir uns die Filme „Volksfeind“ und „D3-88“. Aber nach all diesem habe ich eine Bitte an Euch. Mit der Zeit ist mein Geld mit Postwertzeichen und Heften nahe an das Ende gekommen und nun bitte ich Euch mir etwas zu schicken. Das Armband meiner Uhr ist gerissen; so daß ich die Uhr nicht mehr um den Arm binden kann. Noch in dieser Woche schicke ich das Wäschepaket mit meiner Skihose, meinem blauen Anzug und einigen anderen Wäschestücken ab. In der Mitte des Kartons befindet sich zwischen den Wäschestücken meine Armbanduhr. Macht Euch keine Sorgen, ich schicke es unter „dringend“ ab.
In der Stadt auf dem Marktplatz steht eine wunderschöne Kirche mit Zwiebeltürmen. Nun sagt einmal, was macht eigentlich unser kleiner Peter? Lacht er schon etwas? In unserer Stube habe wir einige Baupläne von großen Segelflugzeugen, worauf wir konstruieren und berechnen. In meinem Spind habe ich ein großes Führerbild und ein Bild von Tante Lissi’s Haus, neben unserem Gebäude steht ein Haus. Wir nennen es Revier, es ist ein kleines Krankenhaus, worin zwei Schwestern uns verbinden.
Wir sind schutzgeimpft worden. Die Impfung ist durchgeführt worden, weil einige Kameraden in unserem Lager an Scharlach erkrankt sind. Durch die Impfung sollen wir vor einer Erkrankung geschützt werden. Die Impfung wurde durchgeführt durch den leitenden Arzt der K.L.V. im Protektorat Oberarzt Dr. Schimmel und durch die K. L.V. Klinik in Prag. Ich wurde nicht geimpft, weil ich schon Scharlach gehabt habe. Alle Zugführer unseres Lagers stammen von einer N.P.E.A. – Nationalpolitische Erziehungsanstalt – und sind alle stämmige Bauernburschen. Oft machen wir spannende Geländespiele um trigonometrische Türme. Dann stehen wir oben auf den Punkten und beobachten die umliegenden Wälder und Dörfer. Wahrscheinlich kommen wir im April oder Mai wieder. Im Lager haben wir eine schöne und große Bücherei. Ich hole mir regelmäßig Bücher.
Was macht eigentlich unser kleiner Jürgen? Geht er auch in den Kindergarten? Nun für heute genug
es grüßt und küßt Euch alle

Euer Otto!

 


Ort? Datum?

Mein lieber Vater!

Soeben erhalte Ich Deinen lieben Brief.
Es wunderte mich, daß Du die Geduld hattest mir so einen langen Brief zu schreiben. Das Wäschepaket ist noch nicht da, ich erwarte es schon sehnsüchtig jeden Tag. Jeden Sonnabend geben wir unsere schmutzige Wäsche ab und bekommen sie in der anderen Woche sauber und gebügelt wieder zurück. Gestopft und gebügelt werden unsere Strümpfe und andere Kleidungsstücke im Keller. Im Lager sind ungefähr zehn Tschechenmädchen angestellt, welche sich mit Küchen und anderen Arbeiten beschäftigen. Vielleicht weißt Du schon, daß zehn Heller 1 Pfennig bedeuten, so daß auf den Marken 60 nichts anderes bedeutet als 6 Pfennig. Gestern gab es Wurst. Es war eine Hülle, welche mit Leberwurst gefüllt und an beiden Enden wie beim Rollmops mit einer Art Streichhölzern zugesteckt war. Die Leberwurst schmeckte prima.
Wie sieht es denn im Garten aus? Hier sind die Straßen ganz verdreckt von Schneewasser, darum müssen wir jeden Tag unsere Uniform reinigen. Habt Ihr auch tüchtig Plätzchen gebacken? Schickt mir man nicht so viel, sonst bekomme ich noch Leibschmerzen. Alle Weihnachtspakete geben wir beim Klassenlehrer ab, der Sie bis Weihnachten aufbewahrt und uns bei der Bescherung damit überraschen wird. Habt Ihr das Weihnachtspäckchen von mir noch nicht erhalten? Schreibt mir bitte, wenn Ihr es erhalten habt.
Kürzlich schrieben wir zwei Englischarbeiten. Die eine fiel mit drei aus, die andere bekommen wir erst nach den Ferien wieder. Leider können wir hier nicht mehr Ski laufen, weil hier kein Schnee liegt. Geld gebe ich grundsätzlich jetzt nicht mehr aus, es liegt alles in der Kasse von Dr. Kaufmann. In der Stadt ist ein großes Schuhgeschäft. Gestern habe ich meine Kanonenstiefel zum Nähen weggebracht, gleich nach zwei Tagen sind sie fertig. Einen Düsseldorfer Zugführer haben wir hier hin bekommen. Einen ganz lustigen.
Mittwochs und Sonntags Nachmittags haben wir Ausgang. Donnerstags sind alle Geschäfte geschlossen. Vom 14. bis 5. haben wir Ferien. Jeden Morgen machen wir einen Ausmarsch von zwei Stunden. Manchmal marschieren wir über zehn Kilometer. In den Wäldern rund um uns liegen riesige Findlinge; auf welchen wir die ganze Ausmarschzeit herumklettern. Als Zugtiere für Pferdewagen werden meistens Ochsen und Kühe gebraucht. Ein großes Schloß ziert die Mitte des Städtchens, in dem ein Graf namens Palffi wohnt. Weihnachten wird hier herrlich gefeiert. Jede Stube hat schon Tannengrün bekommen. Ein ganzer Wagen Tannenbäume ist schon eingetroffen. Sehr viel Wild ist hier zu finden, vor allen Dingen Hasen und anderes Kleinwild. Fleisch bekommen wir hier jeden Mittag. Siebzehn Gänse sind für das Lager schon eingetroffen. Zweimal in der Woche können wir Post abgeben. Mit Tinte und Briefpapier bin ich gut versorgt. Wenn Ihr Zahnpasta oder anderen Kleinkram benötigt, schreibt es, ich schicke es denn gleich. Für zehn Mark sind hier sogar Hosenträger noch aus echtem Gummi zu haben. Füllfederhalter kann man hier sogar noch bekommen. Aber ich traue mir diesen Sachen nicht. Dieser schöne Bleistift, welchen Du mir mitgabst, Vater, scheint ewig zu halten. So gute Bleistifte gibt es selten. Sag mal, Vater, wer hat eigentlich die Karte geschrieben, die in diesem Briefe beilag? Sonst ist alles munter.

Herzlichen Gruß und einen dicken Kuß an Vater, Mutter, Jürgen und Peter
sendet Otto!

 


Ort? Datum?

Mein lieber Vater!

Heute Mittag habe Ich mit vielen Dank Dein Wäschepaket erhalten. Zuerst dachte Ich schon es wäre das Weihnachtspaket; aber als ich fühlte, dachte ich: „Mach es doch auf.“ Daraufhin habe Ich es denn auf gemacht. Die Birnen haben gut geschmeckt, die Bonbons habe ich mir weggelegt. „Alles für Weihnachten.“ Den blauen Anzug und nach andere Sachen brauche ich nicht. Ich werde sie wohl bald wieder abschicken. Die Briefmarken habe Ich gleich ins Spind gelegt, sonst wär‘ die ganze Stube darüber her gefallen. Die Fragen, welche Du mir schriebst, werde ich Dir in einem anderen Brief beantworten. Die Spindanordnung auch. Gestern bekam Ich von Tante Lissi einen Brief. Darin stand: „Weihnachtspaket abgeschickt“. Soviel Süßigkeiten wie in diesem Jahr werde ich sonst wohl nach nicht bekommen haben. Nun für heute genug, herzlichen Gruß und einen dicken Kuß und herzliche Weihnachtsgrüße sendet
Otto!

Bald mehr.

 


Meine lieben Eltern und Geschwister!

Hoffentlich wird Euch der Weihnachtsmann tüchtig bescheren. Es ist nun die erste Weihnacht wo Ihr ohne Theda und ohne Otto feiern müßt. Aber dafür habt Ihr ja als Weihnachtsgeschenk den kleinen Peter bekommen. Darüber können wir uns ganz bestimmt doppelt freuen. Hier im Lager wird Er uns wohl auch nicht vergessen. Habt Ihr im O.T. („Osnabrücker Tageblatt“) die Grüße der Stube 17 mit meinem Namen gelesen? Die Anzeige habe ich aufgestellt. Die Weihnachtspakete bekommen wir erst bei der Bescherung.

Herzlichen Weihnachtsgruß an Euch alle sendet Otto!

 


Ort? Datum?

Liebe Eltern, lieber Bruder liebe Großeltern!

Herzliche Grüße aus dem K.L.V. Lager sendet Euch Ihr lieben Angehörigen Euer Otto. Möge Euch der Weihnachtsmann in diesem Jahr um so reichlicher bescheren. Einen Tannenbaum werdet Ihr auch wohl haben, mit vielen, vielen Geschenken und auch Kerzen. Hier in der Fremde wird das Weihnachtsfest ganz anders gefeiert als in der Heimat, zumal mit Teufeln und Engeln. Eßt nicht zu viel und bleibt munter und gesund es grüßt

Otto!

 


Bresnitz, den 24.12.1942

Liebe Eltern!

Viele Grüße aus dem K.L.V. Lager sendet Euch, Ihr Lieben, Otto. Meine Seifenkarte lege ich bei, ich brauche sie gar nicht und deshalb könnt Ihr sie weiter gebrauchen.

(LETZTER SATZ MIT BLEISTIFT DURCHGESTRICHEN)

In den nächsten Tagen schicke ich ein Paket mit Kleinigkeiten ab, welche es in Osnabrück nicht mehr gibt (Schuhcreme, Lederfett, Zahnpasta, Schnürsenkel und anderes.) Euer Weihnachtspaket habe ich noch nicht erhalten. Ich warte schon jeden Tag sehnsüchtig darauf. Nun etwas für Vater. Du kennst doch die Frau Tesch von damals, wir haben sie gestern als Pflegemutter hierhin bekommen. Sie betreut uns mit Wäsche und Nähen. Die Briefmarken auf diesem Briefe mache Dir ab und klebe sie in Dein Briefmarkenalbum. Gleich muß ich in den Brauseraum und mich vor der Bescherung anständig brausen. Ich bin hier jeden Tag am Briefmarken sammeln.
Sonst geht es uns sehr gut.

Viele Grüße und einen dicken Kuß
Euer Otto

(MIT BLEISTIFT: „folgt im nächsten Brief“)

 


Liebe Oma, lieber Opa!

Heute morgen habe ich dankend Eure liebe Karte erhalten. Es freute mich, zum Jahreswechsel eine Karte von Euch zu erhalten. Jedesmal wenn ich eine Karte oder einen Brief von Euch erhalte, dann freue ich mich immer. Liebe Oma, über die Taschentücher und über das Briefpapier habe ich mich riesig gefreut, übermorgen schreibe ich Euch aus Freude einen ganzen langen Brief.

Nun für heute genug
es grüßt Otto!

(Januar 1943, in Opas Schrift)

 

Lieber Vater!

Vielen Dank für Deinen lieben Brief. Es freute Mich, da6 ich von Dir wieder einen Brief erhielt. Zuerst möchte ich Euch einmal das Leben in der Schule beschreiben. Der Schulunterricht beginnt um 8: 45 Uhr und endet um 12:45 Uhr. Die Lehrer möchte ich Euch auch schreiben: Herr Jasch (Ratso.), Herr Hölscher (?)(Ratso.), Herr Dr. Lang (wahrscheinlich „PutPat“ Laig) (staatl. O.), Herr Dr. Kaufmann (Staatl. O.), Herr Lehnel (?)(Staatl.O.), Herr Schumann,(Staatl. O.). Die Unterrichtsstunden sind die selben bis auf Turnen, Sport betreiben wir im Dienst. In unserer Stube haben wir einige schöne Spiele. Unsere ganze Freizeit verwenden wir zum Zeichnen, weil wir unsere Stube von „Infanterie“ auf „Himmelsstürmer“ getauft haben. Habt Ihr unsere Annonce in der Zeitung gelesen? Morgen schicke ich ein Paket an Euch ab. Auch mit einigen Nüssen.
Ich habe sie mir aufgespart von unseren Nachtischen. Von Oma erhielt ich heute eine Karte zum neuen Jahr.
Was macht eigentlich unser kleiner Peter. Könnt Ihr keine Aufnahme von Peter besorgen? Schickt mir bitte eine!

Nun für heute genug
es grüßt
Otto!

(Postkarte, 1943)

Meine lieben Eltern!

Ich muß Euch die erfreuliche Mitteilung, daß ich übermorgen in ein Erholungsheim bei Prag fahre. Erst dann kann ich Euch wieder richtig Briefe schreiben, weil ich noch nicht ins Lager darf und mein Schreibzeug holen kann. Wir bekommen hier fast jeden Tag ein bis drei Mandarinen oder Apfelsinen. Jetzt bekommen wir sehr gutes Essen. ? oder Kartoffeln und Fleisch mit Soße oder Rouladen mit ordentlich Speck drin und Kartoffelbrei. Im Krankenhaus habe ich Schach spielen gelernt. Wenn ich im Mai wieder komme, dann können wir uns die Zeit damit vertreiben, und Kniffe kann ich! Dann setze ich Dich in vier Zügen schachmatt! Von Tante Alma habe ich ein Päckchen erhalten. Mit schöner Schokolade und Bonbons, Pralinen und Äpfeln. Darüber habe ich Mich sehr gefreut. Wenn ich wieder komme bringe ich Euch etwas schönes mit. Grüße allen Verwandten und bestelle Ihnen, daß ich wieder gesund bin.
Nun seid herzlich gegrüßt und geküßt

von Eurem lieben Otto!

 


Bresnitz, den …

Lieber Vater!

Gestern habe ich Deinen Einschreibebrief und heute Deinen lieben Brief erhalten. Vielen Dank dafür. Die Briefmarken wollen mir wohl gefallen. Im Englischen sind wir bei der 24. Lektion beim a-Stück. Ungefähr jeden Mittwoch und Samstag haben wir bei Herrn Dr. Kaufmann Nachhilfeunterricht. Ich habe schon zwei Lektion nachgeholt. Ich freue mich richtig darüber.

Lieber Vater, die Werte von 30 und 50 K (Kronen) kann ich erst dann kaufen, wenn ich noch etwas Geld geschickt bekomme, denn ich habe schon ungefähr 25 M. für die anderen Briefmarken bezahlt. Der Satz ist nicht mit Adolf Hitler-Kopf und Lorbeerblättern, der Satz ist nur mit Lindenblättern, aber ich kaufe ihn nicht weil er zu teuer ist, denn Du kannst das Geld ja auch für andere Zwecke gebrauchen. Die Werte vom Heldengedenktag schicke ich Euch wieder zurück. Ich glaube, daß jetzt die Regenzeit hier im Lande eingetroffen ist.
Was macht denn unser Peterchen? Am Anfang der großen Ferien werde ich wohl wieder zurück sein. Heute nachmittag hatte die Lagermannschaft Ordnungsdienst. Leider konnte ich nicht mit, weil ich zur Nachhilfe mußte. Alles kam, durchnäßt bis auf die Haut wieder zurück. Bald mehr. Gruß und Kuß

Dein Sohn Otto!

 


 

Liebe Eltern!

Nun will ich Euch wieder ein Briefchen schreiben. Gestern habe ich ein Wäschepaket im Wert von 100 Mark an Euch abgeschickt. Dienstag waren wir in der Burg Irlik an der Moldau. Wir fuhren erst mit der Eisenbahn und dann mußten wir 10 km marschieren. Ein riesengroßer Park liegt um die Burg. Ich habe schon etwas Briefpapier und andere Sachen gekauft. Ich bringe sie im Koffer mit nach Osnabrück. Es fällt hier bloß schwer, einen großen Karton zu bekommen. Wenn es eben geht schickt mir etwas Bindfaden für Pakete und einen großen Karton. Gestern war Herr Hartung hier im Lager. Er kam ganz überrascht aus Serbien. Ich glaube, daß er nach Osnabrück fahren will. Ich werde meine Wäsche alle vorweg schicken und etwas Briefpapier und Seifenpulver und andere Raritäten. Eben hatten wir Englisch, gleich Deutsch und jetzt in der Pause schreibe ich Euch diesen Brief. Muß Vater immer noch zur Feuerwache? Ich freue mich schon auf das Essenbringen. Vielleicht fahren wir noch zur Karlstein. Es kostet 6 bis 8 Mark. Da wir es aber selber bezahlen müssen, kaufe ich lieber etwas anderes dafür. Ich habe vor mir als Andenken einen Siegelring zu kaufen. Was meint Ihr dazu? Was machen denn meine beiden Brüder Jürgen und der kleine Peter? Geht Jürgen auch noch immer fleißig zum Kindergarten? Hat Vater eigentlich den Satz zum Führersgeburtstag gekauft? Ich kann ihn hier für 6,00 Mark kaufen. So etwas gibt es hier alles. Aber Vater, sage mal hast Du Dich nicht vertan? Du hast die 15 Pfennig Marke vom Heldengedenktag zweimal auf Briefen geschickt. Ich nahm an, daß Du Dich versehen hast. Schreibe mir bitte darüber. Nun Schluß, bald mehr,

Gruß und
tausend Küsse Euer
Otto-Horst!

 


Liebe Eltern!

Gestern nachmittag wurden meine Kameraden und ich von unserem Lagerleiter ins Erholungslager gebracht. Ihr werdet sicher staunen wenn ich Euch mitteile, daß im Lager trotz meiner Krankenhauszeit fünf Pfund zugenommen habe. Da staunt Ihr sicherlich. Ich bin mit Erich, Helmut, Bernd Finkenstädt, Arno Eichholz, Heinz Kohlmann, Heiner Simoneit, meinem Lagerfreund im Erholungslager. Jeden Nachmittag machen wir einen Ausmarsch in die Berge. Heute nachmittag haben wir einen Felsen beklettert, ich kann Euch sagen, das war schön und geschwitzt haben wir wie die Bullen, so heiß schien die Sonne. Schulunterricht haben wir jeden Morgen mit der Volksschule zusammen, ich kann Euch sagen, die sind doof. Immer mit weniger usw usw, da wird man auf die Dauer verrückt. Mein Lagermannschaftsführer ist auch ein Reihneke (?) von der Nationalpolitischen Erziehungsanstalt. Ich kann Euch sagen, so ein Kerl.
Nun Schluß, für heute genug.
Gruß und Kuß Otto.

Lieber Jürgen, lieber Peter!

Du freust Dich sicher schon wenn ich im Mai wieder komme. Was? Dann können wir wieder spielen und uns kloppen.
Nun Schluß
Es grüßt Otto!

 


Lieber Vater!

Gestern erhielt ich dankend Mutter‘s lieben Brief, heute den deinigen. Nun paß einmal auf lieber Vater. Die Briefmarken werde ich sobald wie möglich kaufen und schicken. Mit meinem Gelde werde ich sicherlich nicht auskommen. Darum werde ich die Briefmarken erst dann kaufen, wenn die 30,- Mark angekommen sind. Solange wirst Du ja wohl noch warten können; oder ist es eilig? Ich will Dir einmal die Marken aufzählen: 1 Pf 3 Pf 4 Pf 5 Pf 6 Pf 8 Pf 10 Pf 12 Pf 15 Pf 16 Pf 20 Pf 24 Pf 25 Pf 30 Pf 40 Pf 50 Pf 60 Pf 80 Pf 1,00 Pf 2,00 Pf . Viel nicht wahr? Habt Ihr mein Einschreibepäckchen schon erhalten? Ich freue mich immer, wenn ich einen Brief oder ein Päckchen erhalte. Von Theda habe ich schon lange keine Post erhalten, ich weiß gar nicht, wie es Theda geht und was sie so in Juist treibt. Darüber freue ich mich gar nicht. Ich bekomme nur Post von Euch, noch nicht einmal von Oma. Sage Ihr doch bitte einmal, sie möchte mir doch bald wieder ein Brieflein schicken. (Man verliert bald die Lust zum schreiben, das kann ich Euch nur sagen.) – LETZTER SATZ DURCHGESTRICHEN!- Nun habe ich Dir ja wohl genug berichtet, bald werdet Ihr mehr hören.

Gruß und Kuß Otto!

Ich habe mich ungeschickt ausgedrückt, ich schreibe Euch immer gern.

 


Liebe Eltern!

Heute will ich Euch ein paar Briefmarken senden. Vater hat sie sicher noch nicht. Euren Brief und Euer liebes Päckchen habe ich dankend erhalten. Der Inhalt hat mir gut geschmeckt. Allerlei schöne Briefmarken habe ich gekauft. Ihr nehmt es mir doch wohl nicht übel. Kauft mir doch bitte die Sondermarken vom Heldengedenktag. Ich wäre Euch sehr dankbar dafür. Wie geht es denn unserem Peter? Geht Jürgen immer noch in den Kindergarten? Gestern habe ich ein Einschreibepäckchen abgeschickt; drinnen befinden sich meine Uhr, mein Kompaß und eine schöne Taschenlampe, welche ich für den Fall eines Fliegeralarms für Euch gekauft habe. In den letzten Tagen haben wir zwei Arbeiten geschrieben, die eine, ein Aufsatz, fiel mit einer drei aus. Die Andere, eine Englisch-Arbeit haben wir noch nicht wieder bekommen. Vierzehn Tage habe ich Nachhilfeunterricht. Hoffentlich komme ich schon in zwei Monaten wieder. Nun Schluß

Gruß und Kuß Otto!

 


Liebe Eltern!

Nun möchte ich Euch einmal eine genaue Beschreibung unseres Wochenendes (geben). Wie Ihr vielleicht schon wißt, ist Dr.Laig der blödeste Pauker des Lagers. Er wird Put-Pat genannt. Gestern abend um neun Uhr. Leise schleichen drei der Stärksten mit einem Tau zu Put-Pat‘s Tür. Ein Strick soll es verhindern, daß Put-Pat sein Zimmer ver-(lassen?) konnte. Aber es mißlang. Da ruft schon eine Stube Put-Pat. Er rennt die Treppe hinunter zu der Stube hin. Da ruft unsere Stube Put-Pat. Er keucht zu uns herauf. Eine halbe Stunde geht das so. Dann werden Zettel geschrieben. „ Nieder mit Put-Pat, wählt Behnel.“ An allen Wänden werden sie angeklebt. Vor das Zimmer des F.V.D.‘ s kam ein Schild Junggenosse vom Dienst!
Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden!!
Rache ist süß!!!

Plötzlich kam der Lagerleiter. Aber Herr Behnel war auf unserer Seite. Schnell wurden Stühle aufgestellt und nun konnte er kommen. Er kletterte mutig über die Stühle und schwupp lag er auf der Schnauze. So ging das die ganze Nacht durch bis der Lagerleiter mit dem Spazierstock dazwischen haute. Heute morgen wurde uns verkündet: 8 Tage Ausgehverbot.
Bald mehr.

Gruß und Kuß
Otto

 


Liebe Eitern!

Vorhin habe ich Buren lieben Brief erhalten. Vielen Dank dafür. Wie geht es Euch? Mir geht es noch sehr gut. Ich freue mich schon auf das Wiedersehen. Lieber Vater, die Einsteckalbums sind für 1000 Marken berechnet und kosten 6,50 RM. Ich frage deshalb an, ob sie nicht zu teuer sind; denn Ihr könnt mir doch nicht immer Geld schicken. Schreibt mir bitte darüber und ich besorge es sofort. Geld habe ich genug. Mein Zeug habe ich so ziemlich alles wieder. Etwas fehlt mir noch. Wenn ich es nicht wieder bekommen sollte, dann sagte Herr Dr. Kaufmann: Müßt Ihr Schadenersatz fordern. So schlimm wird es wohl nicht sein. Regt Euch bitte nicht darüber auf. Ich werde mich schon darüber bekümmern. Bald werde ich Euch wieder Bilder schicken. Macht Peter denn auch schon kleine Dummheiten? Gestern sagte uns Herr Dr. Kaufmann, daß vierzehn Eltern dafür wären, daß ihre Kinder noch weiter an der K.L.V. teilnehmen könnten. Hier wurde erzählt, daß ein kleiner Angriff auf Osnabrück gewesen wäre. Wir wollen es ja (nicht?) hoffen. Habt Ihr dort oft Fliegeralarm? Friedhelm Middendorf und Ralf Luley schreiben mir oft. Ich schreibe Ihnen auch immer wieder. Ich sammel jetzt alle Marken, auch wenn es deutsche sechs- und zwölf Pfennig’ s sind. Man kann sie ja immer noch gut los werden. In der vorigen Wache habe ich einen Briefmarkenkatalog eines meiner Kameraden geliehen. Darin habe ich in der ganzen Freizeit des Ostersonntags herumstudiert. Abends ist jetzt die Lagerruhe auf 21:00 Uhr verlegt. Heute hat unsere Stube Wache. Das macht Spaß.

Nun Schluß, bald mehr .
Gruß und Kuß
Euer treuer
Junge Otto-Horst

 


 


Liebe Eltern!

Ich habe gestern Euer liebes Osterpaket dankend erhalten, über den Kuchen habe ich mich reichlich gefreut. Am Ostersonntag bekamen wir ein bemaltes Ei. Gestern war General Thams bei uns. Ich kann Euch sagen eine Uniform. Ein Auto hatte er wie ich noch kein zweites gesehen habe. Sonntag spielten wir Fussball. Erich stieß mit dem Arm in eine Fensterscheibe und riß sich den Arm auf. Er wurde mit acht Stichen genäht. Es geht ihm aber schon wieder sehr gut. Am Montag spielte unsere Mannschaft in Blatna gegen das Lager Sedlitz. Wir bekamen mit sieben zu null den Laden voll. Es gab zwei Verwundete. Wißt Ihr schon, daß ich mir ein Einsteckalbum mit 16 Seiten und 8 Reihen (?) und in jede Reihe passen 8 Briefmarken. Es ist sehr schön. Ich habe mir schöne Winterhilfsmarken mit Soldaten gekauft. Ich habe schöne Briefmarken. Wieviel mal soll ich den Satz Führers Geb. kaufen? Sie zeigen Adolf Hitler in Prag. Ich glaube, daß ich alle Sätze ein paar mal mitbringen werde. Wir können sie ja vertauschen oder verkaufen. Was macht denn der kleine Peter? Oma schrieb mir, daß Jürgen im Kindergarten ordentlich bastelt. Ich freue mich schon, daß ich bald nach Hause komme. Habt Ihr mein Päckchen mit der Uhr schon erhalten? Es macht mir reichlich Sorge. In meiner Freizeit bringe ich meine Wäsche in Ordnung. Etwas fehlt mir noch, aber es wird bald wieder kommen. Heute morgen ist bei uns der Unterricht wieder angefangen, Herr Dr. Kaufmann wird am 15. Mai zur Wehrmacht eingezogen. Alles freut sich schon darauf. Wir haben schon gedichtet. Mit der Serviette in der Hand, Bubi vorne in der Suppe stand. Wenn er in die Klasse kommt, ruft er: „Faustdicker Mief, zum Durchschneiden.“ Beim Heimnachmittag wurden alle Lehrer durch den Kakao gezogen. Nun Schluß, bald mehr.
Gruß und Kuß
Euer Sohn
Otto!
Gruß an Jürgen!

 


Bresnitz den:

Lieber Vater!

Habe die 30,–Mark dankend erhalten. Die Briefmarken habe ich soweit sie vorrätig waren gekauft. Es fehlen noch 10 Pf, 24 und 25 Pf, ferner 60 Pf. Sie werden bald besorgt sein. Wenn Du einen Satz von Peter Parler, dem Erbauer Prags haben willst, nur schreiben. Es wird bald besorgt sein. Bald wird ein Brief folgen. Nun Schluß und tüchtiges Briefmarkensammeln!

Gruß, Kuß und guten
Haarwuchs
Otto!

 


(Kartenbrief, 17.4.43)

Liebe Eltern!

Die besten Ostergrüße sendet Euch Euer lieber Otto. Zu Ostern braucht Ihr mir nichts zu schicken. Vielleicht etwas Geld für Briefmarken. Möge Euch der Osterhase tüchtig bescheren. Bewahrt diesen Brief nur gut auf mit der Marke drauf.
Nochmals herzliche Ostergrüße von Eurem Otto!

Ist es wahr, daß die meisten Eltern dafür sind, daß wir wiederkommen.

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Schloss Eerde in den besetzten Niederlanden

Schloß Eerde Sonntag nachmittag

Liebe Eltern und Geschwister!

Es wird Euch wahrscheinlich sehr in Erstaunen bringen, daß Ihr einen Brief von mir erhalten habt, der aus Deutschland stammt. Die Überbringerin ist Frau Menke von der Bergstraße, die mit dem zweiten Elternbesuchstransport Jörn besucht hat. Zuerst etwas zum Essen. Das Essen ist gut, wenn die Elternteile im Lager essen. Sind sie abgefahren, und des Nachmittags kommen Neue, dann gib‘s des Mittags ein altes Matschgemüse, das schlecht zubereitet ist. Über das Essen sind sie am Murren, da manchmal Essig, Salz oder andere Zutaten fehlen. Die Unterkunftsräume gefallen ihnen sehr, weil sie luftig sind. Wie steht es eigentlich mit dem Einziehen (zur Wehrmacht)? Papa werden sie wohl auch bald gebrauchen müssen? Wenn er fort muß, dann soll er sich nicht darum kümmern, daß er mich besuchen kann. Er muß sofort zum STADTSCHULAMT HOCHHAUS gehen und für mich Heimaturlaub beantragen. Nochmals die Gründe. Papa und Mama können mich nicht besuchen. Papa wegen einziehen, Mama wegen meiner Geschwister, für die Oma nicht aufpassen kann. Alter der Geschwister angeben. Ich bekomme also keine Elternbesuche. Sofort beantragen und ich werde Euch zehn Tage besuchen können. Für die Grüße, die Heino Warnken mir bestellt hat, danke ich Euch auch noch. Wenn die Eltern am ersten Abend bei uns am Tische essen, dann haben die meisten keinen Hunger und es bleibt viel für uns übrig. Sonst ist es mit dem Sattwerden man mieß. Wenn Ihr etwas zu essen für mich übrig habt, schickt es mir bitte.
Liebe Eltern, ich will schließen. Herzliche Grüße Otto.

WIR SIND ALLE GUT HUNGRIG.
Schickt Geld und Briefmarken.

 


 

 

Schloß Eerde den 17.5.1944

Liebe Eltern!

Euch zur Mitteilung, daß ich heute nachmittag um 1/2 halb 4 Uhr im Lager angekommen bin. Die Fahrt war im Zuge war sehr amüsant. Dann folgte ein Fußmarsch von einer Stunde, der meistens durch Wald führte. Umsteigen mußten wir in Rheine und Bentheim. Ab Bentheim bekamen wir einen durchgehenden Zug bis Zwolle, wo wir an einen anderen Zug nach Ommen. Das Schloß ist von einer Gracht umzogen. Vor dem Schloß befindet sich ein Rasenplatz, der mit einer Sonnenuhr geziert ist. Wir sind mit sechs Jugenden auf einer fabelhaften Stube. Nach der Gartenseite befinden sich zwei riesige Fenster, die fast die ganze Front einnehmen. Das Essen ist ganz prima. Als wir ankamen, bekamen wir „Labskaus“. Heute abend gab es drei Schnitten Brot, 2 Scheiben Wurst und ein Stück Butter. Zu Nachtisch einen tiefen Teller voll Pudding, Außer mir sind noch Werner Vahrenkamp, Bodo Sturm, Tischer, Menke und Hans Lange auf unserer Stube. Nun für jetzt genug, bald mehr, schreibt bald wieder-Euer

Otto-Horst!

 


Schloß Eerde den 23.5.44 III. Brief

Liebe Eltern und Geschwister!

 

Herzliche Grüße aus dem K.L.V. Lager sendet Buch allen Euer Sohn und Bruder Otto-Horst. Heute morgen bekamen wir neue Betten zugeteilt. Die anderen krachten in jeder Facht. Die neuen sind sehr stabil und knarren nicht bei jedem Umdrehen. Neben unserer „Bude“ liegt das Zimmer von Dr. Lechtenberg,. Ich schreibe Euch nachstehend die ungefähre Beschaffenheit von Lager und Umgebung: Das Lager ist ein Schloß, welches im Jahre 1715 von einem Grafen Eerde erbaut wurde, In ihm befinden sich: der Eßsaal mit Radio, die Klassenräume, das Krankenrevier und das Zimmer des Lagerleiters. Es ist von einer Gracht umzogen, in welcher sich viele Goldfische und Wasserpflanzen befinden. Vor dem Schloß ist ein großer, runder Rasenplatz, der durch eine Sonnenuhr geziert ist. Rechts und links von ihm befinden sich zwei längliche Gebäude. In einem sind wir untergebracht, und in dem anderen befinden sich Turnhalle, Bühne und Werkstätten. Hinter dem großen Hauptgebäude liegt die einzigartige Liegewiese, auf der sich zwei Ziegen mit zwei kleinen Zicklein tummeln. Dann muß man über eine kleine Holzbrücke gehen, um auf den Sportplatz zu gelangen. Ein schönes Schwimmbad dient zum Benutzen. Wenn es desinfiziert ist, werden wir eifrig baden. Ein riesiger Garten ist mit Stachel- und Johannisbeersträuchern bepflanzt. Die Lage ist fabelhaft. Hauptsächlich kommen hier Krähen und Tauben auch Wildenten und Kuckucke vor. Des Morgens von 8:10 Uhr bis 11:45 Uhr haben wir Schulunterricht. An jedem Morgen 4 Stunden. Meistens nehmen wir unsere Stühle mit nach draußen und lernen in der Sonne. Im Biologieunterricht gehen wir in den Wald. Jetzt nehmen wir meistens die Waldbäume durch. Wildenten kommen hier zahlreich in den Grachten vor. Es sieht sehr niedlich aus, wenn die Wildenten mit den Jungen die Gräben durchkreuzen. Des Nachmittags von 14:00 Uhr bis 16:00 Uhr müssen wir unsere Schularbeiten machen. Unsere Klasse besteht aus 42 Jungen. Bei Herrn Dr. Lechtenberg bin ich stellvertretender Sprecher. Des Morgens bekommen wir 1 Sch. Graubrot und 2 Sch. Weißbrot, dazu bekommen wir 1 Stückchen Butter und 1 Klumpen Marmelade. Zum Frühstück 1 Scheibe Weißbrot, und beim Mittagessen holen wir uns die Kartoffeln um die Wette aus dem Topf. Abends gibt es wieder 3 Scheiben Brot. Wenn ihr mein Paket noch nicht abgeschickt habt, dann denkt an eine „AUSLANDSPAKET“ für das Paket. Schickt mir bitte: Briefpapier, ein paar Schuhe und an den Anzug. Mehr NICHT. Das Eßbesteck habe ich abgegeben. Wir mußten es alle; aber ich habe es vorher gekennzeichnet. Besorgt mir Tinte. Schickt mir auch ein paar große Briefumschläge. Einiges habe ich für Euch. Was macht eigentlich unser kleiner Peter? Verlangt und sucht er noch nach mir? Ich hätte ihn jetzt gern bei mir. Was macht der Garten? Hat Papa schon die Bude errichtet? Wenn ich zu Haus wäre, stand sie ganz bestimmt schon. Hoffentlich habt ihr nicht so viel Alarm wie zuletzt, als ich noch zu Haus war. Nun will ich schließen. Laßt bald von Euch hören und schickt das Paket.

Herzlichen Gruß und Kuß

Otto-Horst!

Sag Papa, daß er die Männer von der Feuerwache grüßen soll. Otto

 


Schloß Eerde den 25.5.44.

Liebe Eltern!

 

Nachstehend schildere ich Euch mein Tageserlebnis vom 24.5. Am Mittwoch nach dem Mittagessen pfiff Lagermannschaftsführer Schüring: „Raustreten zum Ausmarsch nach Ommen.“ Wir freuten uns riesig. Zugweise marschierten wir über die Landstraße zum Bahnhof Ommen. Denn gegenüber von ihm liegt eine Wirtschaft, in der wir uns an Limonade laben sollten. Im Garten standen allerlei Sport und Belustigungsgeräte. Zuerst bekamen wir eine Flasche Limonade, die wir, vom langen Marsch ermüdet, durstig hinunterschlürften. Sie hat uns fabelhaft geschmeckt. Danach gab Dr. Lechtenberg mir noch 25 Cents, daß ich mir noch eine Flasche kaufen konnte. Eine lange Kutschbahn wurde von uns mit viel Spaß benutzt. Ein Schaukelpferd für 8 Personen war immer besetzt. Luftschaukeln und Fässer zum Laufen (wie im Garten) brachten uns in eine freudige und frohe Stimmung. Kurz danach traten wir an, um mit einem zackigen Marsch durch die Stadt unseren lustigen Nachmittag zu beenden. Als wir die Vechte überquerten, sahen wir eine Windmühle, die ihre breiten Flügel vom Winde treiben ließ. Kleine, feinbemalte Boote waren am Ufer des Flusses vertäut. Dann war aber bedrohlich der Abend gekommen, und wir mußten uns beeilen, wenn wir zum Abendessen pünktlich sein wollten. So lösten wir unseren „Verein“ auf und gingen im Eilmarsch die Landstraße hinunter. Ich war einer der Ersten und legte die 5 km in ungefähr 1/2 Stunde zurück. Wir waren fürchterlich müde. Zum Abendbrot gab es zwei Scheiben Graubrot und drei Scheiben Weißbrot, dazu einen Teller Milchsuppe. Wir verschlangen alles heißhungrig. Abends putzte ich meine Schuhe, denn zum Schuhapell muß alles glitzern. Vom rechten Schuh habe ich einen Haken verloren, und vom Linken hängt einer lose. Ich habe ihn aber noch. Deshalb schickt bitte sofort das andere Paar, damit ich diese schonen kann. Abends kam die Schwester Helene und sah die Fingernägel nach. An den Meinigen hatte sie nichts auszusetzen. In den neuen Betten schläft es sich prima. Laßt bitte bald einmal etwas von Euch hören. Schickt das Paket bald ab. Auch etwas zu essen darf darinnen sein. Jetzt bin ich in der Schularbeitsstunde, Herr Dr.Laig hat uns erlaubt, Briefe zu schreiben. So schreibe ich jetzt an Euch. Ich weiß nicht, ob er noch ein paar Tage liegen bleibt, da wir noch keine Schreibstunde haben. Es schadet aber gar nichts. Ihr werdet immer von allem unterrichtet werden. Hoffentlich bekomme ich Heute abend Post von Euch. Ich berichte es am Ende des Briefes . Nun seid herzlichst gegrüßt und geküßt von Eurem Sohne
Otto-Horst. Gruß an Theda, Jürgen und Peter!

Nochmals die besten Pfingstgrüße. Wenden!

Heute ist der 26. und soeben erhalte ich Euren lieben Brief. Von Tante Lissi erhalte ich auch einen Brief. Vielen Dank dafür. Denkt an Kondensmilch, Süßigkeiten und Fressalien.

Gruß und Kuß
Otto-Horst

 


Schloß Eerde den 4.6.44
nachmittags.

Mein lieber Vater!

Ich habe Euren lieben vom 1. Juni mit vielem Dank erhalten. Zuerst gratuliere ich Dir zu Deinem 42. Geburtstag und wünsche Dir für Dein kommendes Lebensjahr viel Glück, Gesundheit und Freude. Hoffentlich habt Ihr in Osnabrück am 8. nicht so viel Alarm, so daß Du Dein Geburtstagsfest in Frieden verleben kannst. Nochmals recht vielen Dank für den Kuchen im Paket. Ich werde sehr sparsam mit ihm umgehen, damit ich länger etwas davon habe. Bis jetzt habe ich erst zwei Stück gegessen. Hat unsere Gegend beim letzten Angriff nichts abgekriegt? Am vorigen Donnerstag war Dr. Lechtenberg in Osnabrück und hat auch sicher allerlei erzählt. Auf das nächste Paket mit dem Schwarzbrot freue ich mich schon im voraus. Am heutigen Sonntag war das Essen tadellos. Morgens: 1 Zwieback, 1 Scheibe Graubrot, 2 Scheiben Weißbrot, Mittags: Spargel, 1 Kottlet, Kartoffeln, die von uns selbst geschält wurden; zu Kaffeetrinken gab es: 1 Stück Torte,1 Scheibe Weißbrot und 20 Bonbons. Am Abend bekamen wir 6 Scheiben Brot, 1 Ei, Kunsthonig und Butter. Ihr seht also, daß das Essen heute sehr gut war. Vorhin machten wir einen Ausmarsch in das Gelände. Wir gingen in aufgelöster Marschordnung, so daß wir uns frei bewegen konnten. Nun will ich schließen; denn ich weiß nichts mehr zu schreiben.

Herzlichen Gruß und Kuß
Dein Sohn
Otto-Hors

 


Schloß Eerde den 6.6.1944

Ihr Lieben!

Leider hörte ich heute mittag wieder, daß Osnabrück angegriffen wurde. Gleichzeitig mußte ich hören, daß die Tommys durch Luftlandetruppen und von der See her an der Kanalküste gelandet sind. Die Rede von der „Invasie“, wie die Holländer zu sagen pflegen, ist bei uns im Lager groß. Einige sagen: Wir sind doch bald zu Haus und andere reden: Eine Ewigkeit dauert das ja doch noch. Seid Ihr in Osnabrück auch so am Reden? Im vorigen Brief habt Ihr mich gefragt, ob hier auch die Tommys zu sehen und zu hören sind. Manchmal können wir sie hören, manchmal aber sind sie auch zu sehen. Dann berechnen wir schon die Stunden, die Ihr im Keller zu sitzen habt. Jetzt ist Schreibstunde. Ich sitze am Fenster unserer „Bude“ und schreibe diesen Brief an Euch. Im Augenblick plästert es unaufhörlich. Frau Hartung ist bis jetzt noch nicht angekommen. Dr. Lechtenberg sagte mir, daß für sie kein Platz mehr im Lager wäre. Über die Zeitungen habe ich mich riesig gefreut. Abends im Bett lese ich sie immer wieder von neuem. Die Rätsel habe ich auch schon ausgerechnet.
Wir haben eine sehr deutschfreundliche Holländerin in der Küche. Weil sie etwas Brot an uns verteilt hat, warf sie der Bewirtschafter hinaus. Ich glaube, daß sie zu Herrn Dr. Laig nach Osnabrück fährt. Alles redet jedenfalls davon. Mich wundert es ja nur immer, daß Du, Vater, die Sondermarken bekommen hast. Denn die Post ist doch auch zum großen Teil zerstört. Heute nachmittag haben wir wieder eifrig Sport getrieben. Am Sonntag ist Reichssportwettkampf. Unsere Wäsche müssen wir ab sofort bereit halten, daß wir innerhalb von 20 M. (Minuten) unsere Koffer packen können. Nun seid herzlichst gegrüßt von Eurem
Otto-Horst!

Anbei ein Heft „Was jeder Deutsche in den Niederlanden wissen muß“

An
Fräulein Theda-Luise Reinecke
Osnabrück Lotterstr. 35

Für mein liebes Schwesterlein
Wenn Du mir Geld schickst,
kann ich Dir mehr
Anhängsel
kaufen

(gefaltetes Papier)

Schloß Eerde den 9.6.1944

Liebe Eltern und Geschwister!

Als erstes habe ich Euch mitzuteilen, daß bei den Briefen, die an mich abgeschickt werden, die Adresse durch „Abholamt Dienstpost (UNLESERLICH VON ERW. KORRIGIERT) Zwolle“ zu ergänzen ist. Es kommen nämlich sonst die Briefe durch die verschiedensten Postämter in unserem Lager an. Im Augenblick ist bei uns scheußlich schlechtes Wetter und wir müssen uns schon mit Geräteturnen in der Turnhalle begnügen. Unsere Turnhalle ist sozusagen klein aber fein. In der letzten Schreibstunde habe ich einen Doppelbrief mit einem Geburtstagsbrief an Papa abgeschickt. Außerdem habe ich ein Heft „Was jeder Deutsche in den Niederlanden wissen muß“ für Euch beigelegt. Papa kann dadurch ja sein Holländisch auffrischen. Habt Ihr das Paket mit dem Schwarzbrot schon an mich abgeschickt? Ich freue mich schon im voraus darauf. Ihr braucht mir nicht viel Post und Pakete schicken. Natürlich habe ich nichts dagegen, wenn ich ein Paket bekomme. Hauptsächlich ist es mir darum zu tun, daß ich nach Angriffen Post oder ein Lebenszeichen von Euch bekomme. Gestern bekamen wir eine KLV Schreibmappe mit 20 Umschlägen, Briefpapier und Löschblatt. Was macht denn unser kleiner Peter? Geht nur recht oft in den Garten, wenn es Euch die Zeit erlaubt, und kein Alarm dazwischen kommt, Hans Lange ist am Mittwoch von Prag zurückgekehrt. Er war beim letzten Nachtangriff in Osnabrück und hat uns ausführlich berichtet. Auch ließ er mich von Herrn Hagenbuch grüßen. Hier ist alles in bester Ordnung und unser Leben geht regelmäßig weiter. In diesen Briefumschlag lege ich einen Brief für Oma bei, weil ich nicht mehr so viel Briefmarken besitze. Wenn ihr wollt, schickt mir bitte Briefmarken mit. Theda kann sie ja von der kleinen Post holen. Mit meiner Wäsche ist es bis jetzt noch in bester Ordnung, Auch die Schuhe brauchen noch nicht repariert zu werden. Sonst geht es mir sehr gut. Herzliche Grüße und Küsse Euer

Otto-Horst

Grüße auch Herrn Hagenbuch und sage ihm, daß ich ihm schreiben werde. Grüße auch die Feuerwache.

Otto-Horst!

 


Schloß Eerde den 11.6.44

Meine lieben Eltern und Geschw. !

Gestern abend erhielt ich Euren lieben Brief vom 6.Juni, für den ich recht herzlich bedanke. Ich habe mich riesig gefreut, wieder einmal Post von Euch zu erhalten. Es ist ja schön, daß Ihr bis jetzt alle Briefe erhalten habt. Das Paket mit dem Büchsenfleisch und dem Schwarzbrot habe ich noch nicht erhalten; aber ich hoffe, daß es bald einrollen wird. Ihr schreibt, ob ich auch Hunger habe, Manchmal werde ich nicht recht satt, aber man merkt doch, daß man bestrebt ist, uns mehr Essen zu geben. Jedesmal, wenn der Postbote die Post ins Lager bringt, warten wir gespannt, ob wir auch einen Brief oder Paket bekommen. Der Lehrer, von welchem Ihr schreibt, war Dr. Lechtenberg. Schade ist nur, daß Papa ihn nicht getroffen hat. Die Todesanzeige vom Tode Günther Keute Bruders bekam Werner Vahrenkamp geschickt. Das Ralf Luley sein Haus räumen muß, tut mir aber leid. Hoffentlich kommt Theda in diesem Jahre auf die Oberschule. Herr Suter soll sich bloß nicht aufregen. Ich weiß, was Theda leistet. Heute morgen hatten wir Reichssportwettkampf. Ich lief auf 60 m = 9 Sek, sprang 4,35m und warf 47m . Nach dem Kaffeetrinken ist Urkundenverteilung. Wahrscheinlich bekomme ich auch eine. Im nächsten Brief werde ich es Euch mitteilen. Daß Peter immer noch von mir spricht, ist niedlich. Mit gleicher Post werde ich an Jürgen eine Karte abschicken. Es wundert mich ja nur, daß Jürgen mich vermißt. Wann soll denn die Gartenbude abgebrochen werden? Den Fliegeralarm vermisse ich hier immer, aber es ist doch schön, wenn man des Nachts durchschlafen kann. Nun will ich schließen, bald mehr.
Gruß und Kuß
Otto-Horst!

Anbei eine Karte für Jürgen

 


(Karte, gestempelt 15.6.44)

Liebe Eltern und Geschwister!

Habe am heutigen Mittag Euer Paket erhalten. Recht vielen Dank dafür. Leider war das Schwarzbrot ein bißchen schimmlig. Ich habe aber trotzdem schon einige Schnitten verzehrt. Wenn Ihr mir wieder etwas schicken solltet, so schickt man einen Kuchen mit Bucheckern. Auch Bucheckern lose sind bei mir gern gesehen. Ferner schickt mir bitte einen Schuhanzieher. Beim Reichssportwettkampf habe ich gut abgeschnitten. 180 Punkte mußten wir haben und 210 P. holte ich heraus. Außerdem holte ich mit 4.25m den dritten Platz in der D.J. Klasse im Springen. Im Augenblick regnet es und deshalb habe ich mir es nicht nehmen lassen, einen Brief an Euch zu schreiben. Im nächsten Brief 2= 7 1/2 A gest. und 2 = 5 A gest. (wohl Briefmarken: 2 zu 7 ½ Pfg. und 2 zu 5 Pfg., beide gestempelt) Herzlichen Gruß
Euer Otto-Horst!

 


Schloß Eerde den 16.6.1944

Liebe Eltern und Geschwister!

Habe gestern abend Euren lieben Brief mit vielem Dank erhalten. Gleichzeitig kam der erste Brief von Tante Anna hier an, die mir nicht eher schreiben kannte, weil Onkel Theo auf Urlaub war. Das Schwarzbrot, welches im letzten Paket ankam, habe ich schon verzehrt, um es nicht ganz faul werden zu lassen. Vom Fleisch ist noch etwas übrig, welches ich mir auf das Abendbrot schmiere. Eine Bitte habe ich an Euch. Schickt mir bitte im nächsten Brief Briefmarken, denn ich habe nur noch ein paar 6. Pfennig Briefmarken. An Onkel Willi habe ich bis jetzt noch nicht geschrieben. Onkel Herrmann schickt mir die Briefe durch die holländische Post. Die Briefmarken, die er auf die Briefe klebt, schicke ich in Briefen mit. Hinter unserem Wohnhause liegt ein großer Acker, der in den letzten Tagen mit Bohnen bepflanzt wurde. Gestern (morgen) abend und heute morgen bekamen wir je eine Tomate. Der Rhabarber, der uns aufgetischt wird und übrigens sehr gut schmeckt, wächst auch in unserem großen Garten. Wenn die Obstbäume gezählt würden, dann würde wohl jeder einen bekommen. In diesem Monat mache ich mein D.J. Leistungsabzeichen. Zum Sport benutze ich die Ergebnisse vom letzten Reichssportwettkampf. In der letzten Woche haben wir eine Englischarbeit, die mir mit 3 zensiert wurde. Heute nachmittag werde ich das eine Paar Schuhe mit Haken zum Schuster geben, weil Absätze und Sohlen erneuert werden müssen. In der vorgestrigen Biologiestunde gingen wir zu den Roggenfeldern hinter unserem Sportplatz. Plötzlich sahen wir in der Nähe eines zugewachsenen Badebeckens eine etwa 1 m lange Ringelnatter, die flink und gewandt durch das Gras schlüpfte. Wir folgten ihr und jagten sie in das Wasserbecken, um zu sehen, ob sie auch schwimmen und tauchen könne. Und wirklich blitzartig schlängelte sie sich durch das Wasser und versuchte die Wände des Beckens zu erklimmen. Wir aber hatten das Becken umstellt und verhinderten ein Hinauskommen. Einer faßte sie am Schwanz und hob sie hoch, so daß sie sich nicht wehren konnte. Nach diesem Erlebnis gingen wir weiter und nahmen den Roggen durch, in dem wir an einer Ähre lernten. Beim gestrigen Geländedienst sahen wir eine Schlangenhaut. Es sieht hier fast so aus, als ob man sich auf den Dünen der Insel Juist befindet. Wildenten schwimmen in rauhen Mengen auf den Flüssen und Bächen umher, und wenn man sie jagt und aufscheucht, fliegen sie auf und davon. Auch Möwen kann man zuweilen sehn. Unser Lagermannschaftsführer Heinz Müller hat etwas am Fuß und kann nicht laufen, deshalb muß Hänschen Lange den Dienst leiten. Neuerdings geht ein deutscher Junge, der der Sohn des Ortskommandanten von Zwolle ist, bei uns zur Schule. Die Turnhalle wird jetzt auch von uns benutzt. Jeden Sonnabend baden wir. Bei uns auf dem Flur sind zwei Brauseräume mit je einer Brause. Mit zwei Mann auf einem Male können wir ihn benutzen. Das macht riesigen Spaß, Die Seife, die Du, lieber Vater, mir geschickt hattest, kann ich sehr gut gebrauchen; denn wir sind manchmal sehr schmutzig und beschmiert. Dann haben wir Not, daß wir unseren Körper sauber kriegen. Vom Lager bekamen wir ein Stück Schwimmseife gestellt. Abends bekommen wir jetzt immer reichlich zu essen. Gemüse vom Mittag und dazu gibt es noch Brot oder Milchsuppe. Ferner gibt es 3 Scheiben Brot, Butter und Wurst, welches ich mit auf die Stube nehme und mit Genuß verzehre. Das Eßbesteck habe ich auf der Stube, nehme es zu jeder Mahlzeit mit in den Eßsaal und wasche es mit „Kulturit“ wieder sauber. Nun sei dieses für heute genug.

Seid herzlichst gegrüßt und geküßt
von Eurem

Otto-Horst!

Denkt an Briefmarken.

Anbei ein Brief an Onkel Willi, Schickt ihn nach. Schickt mir bitte einen Blau- und einen Rotstift.

 

Soeben habe ich Euren lieben Brief mit sehr vielem Dank erhalten. Gleichzeitig traf ein Brief von Tante Lissi hier ein. Als erstes etwas über unseren Schulunterricht. Im Englischen lesen und übersetzen wir Stücke, die über die englischen Schulen und die Erziehung der Jugend handeln. Latein geht immer gleichmäßig weiter und die Lektionen fliegen nur so vorbei. Die Biologiestunden sind die spannendsten Stunden, die bei uns in der Schulzeit vorkommen. Wir wandern in die Umgegend des Schlosses hinaus und Herr Dr. Kellner, der auch bei mir mit am Tische sitzt, erklärt uns die verschiedenartigsten Blumen und Gewächse. Eidechsen, kleine Schlangen und junge Dohlen, die wir so mit der Hand fassen können, durchkreuzen oft unsern Weg und geben uns die Möglichkeit, an ihnen zu beobachten. Im Geschichtsunterricht komme ich gut vorwärts und hoffe auf eine Verbesserung meiner Leistungen. Die Mathematik wird immer schwieriger; aber wenn man „paukt“, schafft man es wohl. Die Zeugniskonferenz der Versetzung fand am heutigen Nachmittag statt und ich werde ja natürlich versetzt. Einige werden wahrscheinlich das Schuljahr noch einmal durchleben müssen, aber daran ist natürlich nichts zu ändern. Über die Briefmarken habe ich mich sehr gefreut, denn mein Vorrat war ganz erheblich eingeschrumpft. Als ich die Einer und Zehner sah, dachte ich sofort an das Album, das doch gewiß noch im Keller liegen wird. Onkel Hermann schickt mir nur Briefe durch die holländische Post. Die abgestempelten Marken sende ich Euch in Briefen zu. Gestern machten wir den Leistungsmarsch für das D.J.L. Er bestand aus einem 15 km langen Marsch, der abwechselnd durch verschiedenartige Wälder und Wege führte. Dabei legten wir sogar mindestens 25 km zurück und kamen abends todmüde im Lager an, In der letzten Woche machte ich meinen ersten Kopfsprung vom 3m Sprungbrett in das Wasser, der für das Leistungsabzeichen eine Bedingung bildet. Vorhin wurden wir beim Schwimmen von einem Gewitter überrascht, so daß wir uns schleunigst in das Wohngebäude zurückziehen mußten. Am letzten Sonnabend fand der Stubenwettkampf der einzelnen Stuben untereinander seinen Abschluß. Im 2. Zug holten wir uns den 2,Platz heraus. In der mittaglichen Freizeit fing das Putzen an. Ich hatte das Amt eines Fensterputzers übernommen und begab mich mit einem Lappen und Zeitungspapier an die Arbeit. Es kostete viele Mühe und Arbeit, die Schmutzflecken von Kitt und Farbe zu entfernen. Sämtliche Hocker und Tische nebst Bücher- und Schuhständer hatten wir auf den Flur befördert. Aufnehmer, Besen und Handfeger flitzten nur so über den Fußboden hinweg und bald hatten wir unsere „Bude“ von jeglichem Schmutz und Dreck befreit. Nun galt es noch die Stühle und Tische an den richtigen Ort zu stellen. Einige hübsche Blumensträuße haben wir dann noch schnell aus dem nahen Wald geholt, um unsere Stube dadurch zu schmücken. Trotzdem hatten die Lagermannschaftsführer etwas an ihr auszusetzen, das uns aber nicht erschüttern konnte. Der erste Preis bestand aus einem Bild, das an die Stube 7, die durch Jungen der Reiterschar gebildet ist, zur Verteilung. Auf den Kuchen, die Bucheckern und die Zeitungen bin ich jetzt schon sehr gespannt. Gerade höre ich die Melodien aus der Sendung „Für jeden etwas“ aus dem Zimmer von Herrn Dr. Lechtenberg zu uns herüberklingen und denke dabei an Euch, denn das Radio vermisse ich manchmal doch. Nun will ich schließen und bald wieder von mir hören lassen. Seid herzlichst gegrüßt und geküßt von Eurem Sohn und Bruder

Otto-Horst!

Schickt mir bitte einen Blau- und einen Rotstift. Anbei eine 15 Pf Marke gestempelt

 


Schloß Eerde den 30.6.44

Liebe Eltern!

Allmählich rückt der Tag des Bannsportfestes näher. Morgen mittag schon werden wir mit dem Zuge nach Groningen abdampfen, um pünktlich beim Wettkampf einzutreffen. Sobald ich zurückgekehrt bin, berichte ich Euch Näheres über die Ergebnisse. Wir haben jetzt Schularbeitsstunde, weil ich aber meine Aufgaben schon fertig habe, schreibe ich gleich einen Brief an Euch. Helmut Hartung erzählte mir, daß sein Vater an der rechten Hand durch einen Granatsplitter verwundet worden ist. Er bleibt aber weiterhin bei seinem Truppenteil. Meine Uhr habe ich selbst repariert. Sie läuft wieder genau, und ich kann mich nach ihr richten. Zwei von den Wappen, die Theda an Ihrem Armband hat, habe ich gekauft und an meiner Uhr befestigt, die verlassen an meinem Bette hängt. Wenn ich in Groningen noch einige Wappen erstehen kann, schicke ich sie Theda zu. Der letzte Sonntag wurde von uns zu einem Ausmarsch nach Marienberg benutzt, der gleichzeitig für das D.J.L. angerechnet wurde. Nach dem Mittagessen traten wir zugweise auf dem Appellplatz vor der Sonnenuhr, um uns dann auf den Weg zu machen. Nachdem wir ein Stück Landstraße hinter uns hatten, bogen wir in einen Kiefernwald ein, der sehr reich an Gestrüpp und anderen Hindernissen war. Als nächstes ging es über einige Wanderdünen, und ich fühlte mich direkt nach Juist versetzt. Eine Eisenbahnlinie wurde überquert; dann aber kam eine endlos lange Landstraße, die uns unbezwingbar schien. Nach zweistündigem Fußmarsch gelangten wir in dem Orte an, der den Endpunkt des Marsches bildete. Für 21 Pf. tranken wir eine Limonade, um alsdann unsere Heimreise anzutreten. Auf dem Rückmarsch sahen wir außer Rehen auch einige Hasen und Wildkaninchen, die in greifbarer Nähe an uns vorbeihuschten. Kurz vor sieben Uhr befanden wir uns wieder in der Bannmeile, die durch die zweite Gracht gebildet wird. Ein gutes Essen wurde uns verabreicht, und dann sanken wir todmüde in unsere Kojen. Auch hatte unsere Stube Küchendienst. Die Aufgabe bestand aus dem Auf- und Abräumen des Geschirrs und dem Heraufholen der Speisen und Getränke. Dieses tat ich gern; denn der Koch ist Koch auf einem Ozeanriesen gewesen und spricht sehr gut Englisch. Sobald ich die Küche betrete, grüße ich ihn durch „Good morning, Sir“. Manchmal erzählt er mir etwas auf Englisch; aber ich kann ihm noch nicht recht antworten, da mein Englisch gegen sein Können sehr dürftig ist. Der Baron von Berde, der das Lager ab und zu besucht, unterhält sich mit Herrn Dr. Lechtenberg auf Englisch, da er kein gutes Deutsch kann. Dr. Lechtenberg und Herr Studienrat Schumann sind Gestern in Urlaub nach Osnabrück gefahren. Die Klassen eins und zwei bilden jetzt eine gemeinsame Klasse und der Stundenplan ist umgeworfen worden. Die Briefe und Päckchen, die Onkel Hermann mir zuschickt, sind mit holländischen Marken frankiert. In dem letzten Plätzchenpäckchen sandte er mir einige ungestempelte 7 ½ zu, die ich auf Briefe an Onkel H. kleben soll. Die Gestempelten schicke ich Euch zu, damit Papa sie in mein Alben kleben kann. Gestern abend gab es für jeden Jungen einen tiefen Teller voll schöner roter Kirschen. Tomaten bekommen wir jetzt an jedem Abend. Die Stachel-, Johannis- und Erdbeeren werden auch wohl bald reifen, so daß wir sie essen können. Mit Briefmarken bin ich noch gut versorgt. Es schadet aber nichts, wenn Ihr mir in jedem Briefe einige zusendet; auch Geld kann ich wohl etwas gebrauchen. Wenn Ihr Zeit habt, schickt mir die Mathematischen Bücher von Onkel Heinrich. Seid herzlichst gegrüßt und geküßt von

Eurem Otto-Horst!

 


Schloß Eerde den 4.7.44

Liebe Eltern und Geschwister!

Nachdem ich glücklich aus Groningen zurückgekehrt bin und einen Brief von Euch vorfand, möchte ich Euch gleich über meine Reise berichten. Wir starteten schon am Samstag morgen und kamen am Mittag am Ziele an. Die Marschverpflegung bestand aus einem Graubrot, einem 1/4 Pf. Butter, drei Scheiben Leberwurst und zwei Stückchen Käse. Vom Bahnhof trabten wir zur Banndienststelle, wo wir unser Gepäck ablegten. Dann marschierten wir zum Sportplatz, um uns das Gelände anzusehen, auf welchem wir am folgenden Tage Sportlern sollten. Ein Essenwagen stand schon bereit, und wir fielen heißhungrig über ihn her. Es gab Blumenkohl mit Kartoffeln und Soße. Danach begaben wir uns in die Kaserne der Marineartillerie, die unser Quartier für die drei Tage werden sollte. Die Spinde wurden eingeräumt, und dann begab sich jeder in die Stadt, um sich einige Kleinigkeiten zu kaufen, Am anderen Morgen gingen wir zum Sportplatz, zogen uns Turnzeug an und alsbald mußten wir auf dem Sportfeld antreten. Es folgte ein Aufmarsch der Sportler, an dem sich auch die holländische Jugend beteiligte. Wir bekamen die Listen für den Wettkampf ausgehändigt und liefen zum Start des 6om Laufes. Es kamen dann noch andere Lager an, und ich traf Jürgen Gramatke, der auch in den Niederlanden in einem Lager untergebracht ist. Unsere Siege sind sehr zahlreich. Nachstehend einige von ihnen.

D.J. Mannschaft Ommen 1.Platz
ich machte auch mit.
H. J. Mannschaft Ommen 1. Platz
Hochsprung D.J. Klasse Bannmeister
75m Lauf Einzelkampf Bannmeister
Keulenweitwurf H.J. Kl. Bannmeister
4 x 75m Staffel D.J. 2,Platz
4 x 100m Staffel H.J. 2. Platz
100m Lauf Einzelkampf 1.Platz
Keulenweitwurf Einzelkampf 2.Platz
Schlagballweitwurf Einzelkampf 2.Platz.

Es sind noch längst nicht alle Siege, die von uns errungen wurden, auch im 800m und 1500m Lauf halten wir die Bannmeister. Ich hatte mir beim Hochsprung im Lager das Bein ein bißchen verknackst, deshalb mußte ich beim zweiten Sprung aufhören. Es hat sich schon wieder gebessert und ich hoffe an den Gebietswettkämpfen teilnehmen zu können. Am 14.fahren wir wieder fort, wahrscheinlich nach den Haag oder Nijmegen, um an den Gebietswettkämpfen teilzunehmen. Es wird wohl vom 14. bis 16. des Monats andauern. Dafür schickt mir bitte wenn möglich Turnschuhe und ein schlichtes Turnhemd, weil wir einheitlich gekleidet sein müssen. Nach den Bannwettkämpfen hielten der Kreisleiter und der Bannführer ein Siegerehrung ab, die durch einen Marsch um das Sportfest zu beendet wurde. Plötzlich wurden wir von einem Platzregen überrascht. Wir zogen unsere Hemden aus und marschierten in Turnhose und bloßem Oberkörper durch den strömenden Regen weiter. Am Montag kauften wir noch allerhand ein, und ich hätte ein einzigartiges Briefmarkentauschalbum von mindestens 3 cm Dicke kaufen können, wenn ich genug Geld gehabt hätte. Deshalb schickt mir bitte etwas für die Gebietsmeisterschaften. Heute morgen erhielt ich Euer Paket mit dem wundervollen Kuchen. Vielen Dank dafür. Über das Sporthemd, die Buntstifte und den Schuhanzieher bin ich sehr erfreut. Auch den anderen Inhalt werde ich mir gut schmecken lassen. Onkel Hermann habe ich beim Wettkampf nicht getroffen. Es kann wohl sein, daß er dort war, aber ich hatte viel zu laufen und zu tun, so daß ich nicht richtig nach ihm suchen konnte. Die Kernseife habe ich schon in den Koffer gepackt, damit ich sie nicht sofort verbrauche, denn mit der Seife komme ich jetzt aus. Die Windbluse ist noch nicht gewaschen, denn ich habe sie noch nicht oft benutzt und sie ist noch sehr sauber. Nun will ich schließen.

Seid herzlichst gegrüßt und geküßt von Eurem Otto-Horst!
Anbei das Anhängsel von Groningen für Theda.
Herzlichen Gruß an Oma!

SchloB Erde den 7.7. (44)

Liebe Eltern!

Ich kann Euch die erfreuliche Mitteilung machen, daß ich in die 4. Klasse versetzt bin. Einige erreichten das Klassenziel nicht. Auch Wilfried Spannagel und Dieter Tritschler kamen nicht mit in die nächste Klasse. Schon zwei Tage lang ist es das schönste Wetter, doch plötzlich änderte sich heute das Wetter und ein sehr stürmisches Gewitter entflammte. Die Blitze krachten und donnerten ganz in unserer Nähe in die Erde. Wenn die Schrift auch jetzt nicht so ausfällt wie es sonst wohl üblich ist, so beruht das nicht auf Faulheit oder Mißstimmung, sondern ich bin sehr müde vom Baden, denn ich habe heute schon dreimal Kopfsprung geübt und Langstrecken geschwommen. Mein Training gilt dem Fahrtenschwimmer und dem Grundschein für das Rettungsschwimmen. Beide Prüfungen werde ich in nächster Zeit ablegen. Vorgestern wurden wir gegen Scharlach geimpft. Ich aber wurde wegen des Gebietssportfestes davon befreit. Wenn es eben geht, schickt mir bitte meine Turnschuhe und nach Möglichkeit ein schlichtes Turnhemd. Hänschen Lange ist auf Urlaub nach Osnabrück gefahren, da sein Vater auf Urlaub ist und seine Schwester Hochzeit hat. Die Hauptaufgabe in den Ferien ist es, Heilkräuter zu sammeln und Stachelbeeren bzw. Johannisbeeren oder Himbeeren für Kompotte oder für rohes Essen von diesen Früchten zu pflücken. Auch Unkraut jäten und Wege säubern ist eine Arbeit. Margen ist wieder Großappell. Im nächsten Brief werde ich Euch den Großappell als Aufsatzthema schildern. Doch nun will ich schließen. Der nächste Brief wird wohl zehn Seiten lang werden. Am Dienstag geht er per Post ab. Freut Euch man schon im voraus. Nun geht‘s schon wieder in das Schwimmbassin.

Mit herzlichen Grüßen und Küssen
Euer Otto-Horst !

 


Schloß Eerde den 11.7.1944

Liebe Eltern und Geschwister!

Es ist jetzt Dienstag abend, und die regelmäßig auftretende Schreibstunde hat soeben begonnen. Für Eure Karte, die ich gestern erhielt, danke ich Euch vielmals. Der Postbote ist noch nicht eingetroffen, und sollte ein Brief von Euch dabei sein, dann beantworte ich ihn am Ende dieses Briefes. An erster Stelle steht die Beschreibung des letzten Großappells, die ich Euch ja versprochen habe. Schon in der täglichen Freizeit begannen wir, mit Putzlappen bewaffnet, den Angriff auf Tische und Stühle, die, nachdem sie gesäubert waren, auf den Flur geschafft wurden, Ich hatte mich an mein Spind begeben, um die Sachen einigermaßen ordentlich aufzubauen. W. Vahrenkamp und W. Fischer lagen im Bett und H. Lange weilt wegen Hochzeit seiner Schwester in Osnabrück auf Heimaturlaub, deshalb waren wir gezwungen, mit drei Mann die Bude auf Schwung zu bringen. Die Betten wurden von den Wänden abgerückt, und die Fußleisten naß abgewaschen. Ich räumte indessen das Bücherbord auf und sorgte dafür, daß Zahnbürsten und Kämme ordnungsgemäß gesäubert waren. Inzwischen war es 4 Uhr geworden und der U.v.D. pfiff zum Kaffeetrinken. Abends um 8 Uhr war die Abnahme angesetzt. Die vier Lagermannschaftsführer betraten die Stube, und nach kurzer Zeit hatten sie 23 Minuspunkte zusammen, trotzdem hielten wir den zweiten Platz. Am letzten Sonntag war ich U.v.D. (Unterführer vom Dienst). Um halb 8 Uhr hatte ich die Lagermannschaft durch Pfiffe zu wecken, nachdem der Bläser geblasen hatte. Ich hatte für rechtzeitiges Kaffeetrinken zu sorgen und mußte die Lagermannschaft auf dem Appellplatz antreten lassen. So ging das den ganzen Tag lang, aber es war sehr schön. Ich habe jetzt mit dem H. J. Leistungsabzeichen in Bronze begonnen. Ihr seht also, daß ich an Training und Pauken an weltanschaulicher Schulung viel zu tun habe. Das D.J.L. habe ich fertig und bestanden. Die einzige Sorge macht mir der Grundschein der D.L.R.G,(Deutsche Lebensrettungsgesellschaft).Dafür muß ich nämlich 17 m tauchen. Sonst sind die Bedingungen ziemlich einfach und leicht zu erfüllen. Frau Hartung ist am Freitag mit Heinz Hollmann eingetroffen und verwaltet die Wäsche. Am nächsten Freitag fahren wir höchstwahrscheinlich nach Nijmegen zum Gebietssportfest, wenn die D.J. Klasse auch mit fährt, weil mit die drei besten Mannschaften aus Holland starten. Die H.J.Klasse ist bestimmt unter ihnen, aber bei der D.J. Klasse ist es nicht gewiß. Wir haben einen neuen Lagermannschaftsführer bekommen, der aus Düsseldorf stammt. Über meine Versetzung habt Ihr Euch sicher gefreut. Die Zeugnisse sind noch nicht ausgeschrieben, da die Formulare noch nicht eingetroffen sind. Die jetzige Klasse fünf kommt wahrscheinlich zum Ernteeinsatz nach Deutschland. Zwei Jungen vom Jahrgang 1928 sind für zwei Monate zum Kriegseinsatz in die Nähe von Utrecht gefahren. Im Augenblick beschäftigen wir uns, gemeint sind die Jungen, die das H. J. L. machen, mit dem Marschkompaß, Planzeiger und Karte. Heute morgen nach der Schule teilte „Lama“ Otto Schlippschuh aus Rothenfelde uns in drei Gruppen ein und drückte uns Kompaß und einen geschlossenen Marschbefehl in die Hand. Wir mußten nach einer bestimmten Marschzahl marschieren, bis wir an einen unbekannten See kommen würden, und erreichten als erste Gruppe das Ziel, wo die Lagermannschaftsführer standen. Dieses marschieren nach Zahlen müssen wir auch für das H.J.L. können. Durch Sumpf und dichtes Unterholz hat man dabei zu laufen oder zu kriechen, denn wenn man auch nur etwas von der Marschzahl abzweigt, kommt man an einen falschen Punkt. In unserer Gegend kommen sehr viele Korinthenbäume vor. Die Früchte sind jetzt noch dunkelrot, können aber erst gegessen werden, wenn sie sich dunkelblau-schwarz gefärbt haben. An Stachel- und Johannisbeeren fehlt es nicht und Kirschen bekommen wir oft genug. Die Lehrer sind bis auf Herrn Dr.Kellner und Herrn Albrecht alle in Urlaub gefahren, so daß wir bloß von halb 9 Uhr bis 10 Uhr 20 Unterricht haben. Soeben erhalte ich Euren lieben Brief, den ich gleich beantworten möchte. Gerade komme ich vom 3km Lauf zurück und erfuhr, daß ich 12 Min und 51 Sek gelaufen habe, Leistung was? Mit Peter geht es hoffentlich besser. Das was Du, Mutter, geschrieben hast, glaube ich Dir gern. Es ist schon bald Lagerruhe und deshalb schreibe ich Euch im nächsten Brief, der Freitag abgeht, die Antworten der Fragen dieses Briefes. Inge N. erwartet noch Post von mir. Denkt an Geld und Turnschuh.
Herzlichen Gruß und Kuß

Otto-Horst!

 


Schloß Eerde den 14.7.44

Liebe Eltern!

Zuerst möchte ich Euch etwas neues mitteilen. Am Mittwoch abend war eine Inspektion aus dem Heimatgebiet hier. Ein Oberstammführer hielt eine Rede und sprach unter anderem von dem Besuch der Eltern in den Lagern. Er sagte uns, daß Ihr uns in nächster Zeit besuchen könntet. Erkundigt Euch danach und schreibt mir darüber. Wenn Ihr bzw. Papa kommt, dann weißt Du, Vater, über die Uniform ja Bescheid. In diesem Brief sende ich Euch, Theda, Jürgen, Mama einige Wappen zu, weil Ihr Euch darüber gefreut habt. Das Gartenhaus möchte ich gern einmal sehen, denn Ihr schreibt mir immer einiges Neues darüber. Die 30 RM habe ich bereits in Gulden ausbezahlt bekommen. Es gab dafür 22,51 Gulden. Leider kommt die D.J. Mannschaft nicht mit nach Nijmegen, wo die Gebietswettkämpfe stattfinden, weil wir nicht unter den drei besten Mannschaften sind. Zum Briefeschreiben folgendes. Es kommt vor, daß ich Eure Briefe erst am Ende des Briefes beantworte, denn ich schreibe die Briefe oft schon in der Mittagsfreizeit und der Postbote kommt am Abend. Entschuldigt also bitte, Herr Albrecht ist soeben in Urlaub gefahren, deshalb dürfen wir nicht so viel schreiben, weil nur Herr Dr. Kellner im Lager ist. Von Tante Lissi habe ich auch ein Päckchen bekommen, ebenfalls einen Brief von Oma. Grüße sie und sagt ihr, daß sie am Dienstag von mir einen Brief bekommt. Grüßt alle Bekannten und seid selbst herzlichst gegrüßt und geküßt von Eurem Otto-Horst.

Anbei 5 Wappen! !

 


21.7.44

Liebe Eltern und Geschwister!

Da ich in den letzten Tagen viel Post von Euch erhielt, möchte ich Euch nicht mit Post vergessen. Am letzten Dienstag traf der Brief von Papa ein, den ich zuerst beantworten will. Papa scheint den Garten mit dem Haus mit aller Gewalt auf Schwung bringen zu wollen, worüber ich sehr erfreut bin. Die Stiefel sind ja nun endgültig in meinen Besitz gelangt. Hoffentlich passen sie nach meiner Rückkehr besser. Ich mußte leise lächeln, als ich hörte, daß Papa sich zugleich an‘s Auto- und Motorradfahren begeben hat, denn vorher war er ja nicht dazu zu bewegen. Um die Briefmarken werde ich mich bemühen. Am Mittwoch traf der Brief von Theda hier ein, den ich noch ihr selbst beantworten werde. Heute morgen brachte mir der holländische Briefträger das langersehnte Paket. Vielen Dank dafür. Die Turnschuhe wie auch das Turnhemd passen wie angegossen, und über die anderen Leckereien habe ich mich sehr gefreut. Sehr überrascht war ich von der Mordanschlagsmeldung auf den Führer. Die Schweinslederschuhe weilen augenblicklich beim Schuster in Ommen, denn sie müssen besohlt und die Absätze erneuert werden. Wie steht es eigentlich mit den Elternbesuchen? Die anderen Jungen wurden von den Eltern dadurch verständigt, daß sie vom Schulrat Elternbesuchskarten erhalten hätten. Gestern nachmittag hatte ich von Zwolle die Post zu holen. Ich hatte sehr viel Spaß in Zwolle. Sogar ein Kettenarmband mit drei Wappen habe ich für Mama in Zwolle gekauft. Bald werde ich ein Päckchen an Euch absenden, in dem ich auch das Armband schicke. Die Limonade im Wehrmachtsheim schmeckte zwar nicht besonders, aber das konnte mich ja nicht erschüttern, Geld habe ich noch genügend. Ihr braucht mir also noch nichts wieder zu schicken. Wenn man mit Gulden reichlich versorgt ist, kann man doch allerhand kaufen. Das Fußpuder werde ich sorgfältig benutzen und meine Füße pflegen. Auch werde ich einführen, daß ich Euch regelmäßig Dienstags und Freitags einen Vierseitenbrief zusende.

Seid herzlichst gegrüßt und geküßt von Eurem

Otto-Horst!

Dienstag Päckchen, adressiert an Jürgen!

 


Schloß Eerde den 25.7.1944

Liebe Eltern und Geschwister!

Heute werde ich mit gleicher Post einen Doppelbrief an Euch absenden, in dem sich ein Kartenspiel und ein Kettenarmband mit drei Wappen befindet. Das Armband habe ich auf der letzten Zwollefahrt gekauft; ebenfalls die drei Wappen. Einen Brief lege ich nicht bei, deshalb sende ich diesen Brief an Euch ab. Theda schrieb, daß sie jetzt auf der Mädchenoberschule sei. Sie wüßte aber nicht bestimmt, ob sie mit ins Lager käme. Schreibt mir bitte bald, ob sie mit kommt bzw. gekommen ist, denn wie ich hörte, ist das Lager Raalte, welches etwa 20 km von uns entfernt liegt, von ihnen besetzt worden. Wenn sie mitkommt, kann ich Sie eventuell besuchen. Das Essen ist prima, sogar Pfirsiche bekamen wir in der letzten Woche. Am letzten Sonntag machte ich meinen Fahrtenschwimmer, nach einer halben Stunde schwimmen, gingen die Beine automatisch mit, so daß mir die letzte Viertelstunde auch keine Schwierigkeiten bereiteten. Wir haben jeden Tag zwei Stunden Schulunterricht und danach 3/4 Stunde Arbeitsstunde. Nachmittags gehen wir oft zum Heilkräutersammeln. Korinthen sind sehr begehrt und schmecken sehr süß. Beim letzten Heilkräutersammeln durfte unsere Stube mit dem Kahn an ein reiche Stelle fahren und sammeln. Plötzlich klatschte es und Hans Lange lag samt Zeug in der Gracht, bis auf die Haut durchnäßt schwamm er an das Ufer. Dr. Lechtenberg ist auch wieder eingetroffen. Er erzählte mir auch, daß er Papa getroffen hat. Doch ich muß jetzt schließen, da die Schreibstunde zu Ende ist und ich noch das Päckchen packen muß.
Viele Grüße und Küsse Otto!

 


Schloß Eerde den 27.7.1944

Liebe Schwester Theda!

Nun möchte ich auch Dir wieder ein kleines Brieflein zusenden. Gestern abend traf ein Brief von Mama ein, aus dem ich erfuhr, daß Du am 8.August den ersten Schulweg in die Mädchenoberschule antrittst. Hoffentlich kommst Du gut mit, Deine Kameradinnen sind in diesen Tagen auch in unsere Gegend gekommen. Sie befinden sich in Raalte, einem Lager, das ungefähr 15 km von uns entfernt liegt. Wenn Ihr auch die Stadt verlassen müßt, wirst Du auch dorthin kommen. Vielleicht kann ich Dich dann besuchen. Müßt Ihr in Osnabrück Heilkräuter sammeln? Wir gehen oft los und sammeln Korinthen und die verschiedenartigsten Blätter. Die Korinthen essen wir zum größten Teil selber, weil die Blaugefärbten fabelhaft schmecken. In der letzten lacht donnerte ein fürchterliches Gewitter über uns hinweg. Die Blitze zuckten grell auf, und es donnerte abscheulich. Was macht eigentlich der J.U. Dienst? Ist Edith Middeldorf noch da? Von unseren ersten drei Lagermannschaftsführers ist nur noch einer da. Zwei sind in andere Lager versetzt, aber dafür haben wir neue bekommen, die auch sehr gut sind. Doch nun will ich schließen . Ein anderes mal mehr.
Herzlichen Gruß

Otto-Horst!

Schicke mir bitte im Doppelbrief eine oder zwei leere Schuhcremedosen.
Möglichst schnell. Doppelbrief = 24 Pfg

 


Schloß Eerde den 27.7.44

Liebe Eltern!

Da ich gestern Euren lieben Brief erhalten habe, möchte ich ihn auch gleich beantworten. Daß der Brief mit den Wappen angekommen ist, hat mich sehr freudig gestimmt, denn es ist man eine gewagte Sache, Wappen in einfachen Briefen zu schicken. Am Dienstag habe ich einen Doppelbrief an Euch abgesandt, in dem sich ein ausgezeichnetes Kartenspiel und ein Kettenarmband, welches ich in Zwolle gekauft habe. Das Kartenspiel ist auch für Romme eingerichtet, Dr. Laig hat mir schon erzählt, daß er Papa getroffen hat. Heute morgen ist Heino Warnken von der Lotterstr. auf Heimaturlaub nach Osnabrück gefahren, um seinen in Urlaub befindlichen Vater zu besuchen. Mit den Elternbesuchen ist noch nichts Neues heraus. Hoffentlich klappt es, daß Papa mich besuchen kann. Als Uniform, wenn er in solcher erscheint, kann er ja seine Uniform mit roten Biesen und sein Käppi anziehen. Ein Paket braucht er mir nicht mehr vorher zu schicken; aber wenn er kommt, dann denkt an Zahnbecher, Gardinenschnur für Schuhe, Briefmarken und das Lateinbuch für die 4. Klasse. Seife habe ich noch genug. Das Stück, das Ihr mir geschickt habt, liegt noch im Koffer. Vorläufig brauche ich es noch nicht. Die Zeitungen bewahre ich alle auf. 20 Illustrierte habe ich schon, dazu kommen noch „Die Lustigen Blätter“ und „Kladderadatsch“. Ich lese sie noch oft von hinten nach vorne und von vorne nach hinten. Die Wäsche kommt jetzt regelmäßig Sonnabends wieder. Bis jetzt ist sie noch ganz, und ein paar Schuhe sind beim Schuster. Die Mädchen der Oberschule sind in Raalte im Lager. Theda wird wahrscheinlich auch verschickt werden. Ich werde Sie dann besuchen können. Heute soll wieder eine Inspektion kommen. Gestern morgen war ich beim Friseur. Auf Holländisch heißt er „Kapper“. Habt Ihr eigentlich noch Passbilder von mir zu Haus? Ich benötige nämlich einige für Leistungsbuch und Ausweise. Denkt bitte daran und schickt sie mir im Brief. Auch wenn Ihr neue Bilder von Euch habt, könnt Ihr sie mir schicken. Doch nun will ich schließen.
Grüßt Oma, Opa, Theda, Jürgen und Peter und seid selbst vielmals gegrüßt und geküßt von Eurem Sohne Otto-Horst!

Anbei eine holländische 15 Pf. Marke!

Onkel Hermann läßt vielmals grüßen! Seine Adresse lautet

Feldpost!
M.-A. Obermaat H.Freese p. Adr. Herrn Job. Wallschlag 23 Utende / Strücklingen

 


(Schloß Eerde)

Liebe Eltern!!

Wie Ihr vielleicht schon wissen werdet, führe ich Mich in der Schule sehr gut. Am Freitag schrieben wir eine deutsche Arbeit, in welcher ich mit einem Fehler eine zwei bekam. Selbst Helmut Hartung schrieb eine zwei.
Nun muß ich Euch einmal meine Kameraden der Stube beschreiben. Alfred Eckart, Gottfried Kruggel, H. Jürgen Hellmann, Gerhard Bartfeld, und dann aus Klasse zwei: E.H. Hartung, K. Blöcher, T. Bohlmann, E. Müller, Goldmeier, Uelchersmann. Ich war schon mit meinen Kameraden beim Lagermannschaftsführer Hollwedel. Es geht leider nicht, daß wir nur mit Kameraden der früheren Klasse zusammen kommen. Ich bleibe munter und gesund.
Herzlichen Gruß und Kuß von Otto an Papa, Mama, Jürgen und Peter.

Ich habe kein bißchen Heimweh. Gestern traf Werner Rademacher im Lager ein.

 


Schloß Eerde, den 31.7.1944

Liebe Eltern!

Es ist jetzt neun Uhr abends. Ich liege in meiner Koje, die unmittelbar am Fenster steht, und da ich Langeweile habe, begebe ich mich an‘s Briefeschreiben. Vorgestern ist die Zugführerstube gegründet worden. Manschen Lange mußte unsere Bude verlassen. An seine Stelle ist Heinz Sollmann getreten, der erst kürzlich aus Osnabrück eingetroffen ist. Am nächsten Sonntag startet der bunte Lagerabend, zu dem auch die Osnabrücker Mädel aus Raalte eingeladen sind. Auch ich muß eine Rolle übernehmen, die ich aber wegen Lagerspionage nicht schreiben kann; denn jeder Zug ist erpicht, die Stücke der anderen Züge zu erfahren. Es wird sehr lustig werden, denn wir haben sogar eine kleine Kapelle aufgestellt. Heute mittag traf unerwartet eine Inspektion von Führern hier ein. Hänschen und ich kamen gerade vom Korinthensammeln zurück, da haben sie gleich einige von ihnen probiert. Die Korinthen werden in einem Kasten gemessen, in Punkte umgewertet, und die Punkte aufgeschrieben. Nach Beendigung der Sammelzeit werden Preise, bestehend aus Büchern und anderen Sachen, an die Besten im Sammeln verteilt. Das Sammeln macht Spaß, wenn man eine gute Stelle hat, wo man nur die Beeren von den Bäumen rupfen braucht. Die Amalia unser guter Kahn ist infolge des großen Gewitters unter der Feuerleiter abgesoffen und es hat viel Mühe gekostet, ihn von dem vielem Wasser zu befreien und an Land zu bringen. Nach Ommen komme ich ab und zu auch. Manchmal wegen dem Wäschewegbringen, oder auch dienstlich. Heute abend habe ich einen Brief von Inge Hebel bekommen. Schickt mir bitte bald Passbilder und Photographien für dienstliche Zwecke und leere Schuhcremdosen. Freitag schicke ich einen langen Brief an Jürgen ab. Seid herzlichst gegrüßt von Eurem Sohne

Otto-Horst!

 


Freitag, den 4.8.1944

Mein lieber Bruder Jürgen!

Um Dir wieder eine Freude zu bereiten, schreibe ich Dir diesen Brief. Den Umschlag, in welchem dieser Brief steckt, habe ich van Tante Lissi bekommen. Die Blumen sind hübsch, nicht wahr? Ich weiß wohl, daß Du Dich zu jeder kleinsten Gabe freust, deshalb werde ich Dich nicht vergessen. Auch lege ich eine Postkarte bei, auf der tapfere Soldaten abgebildet sind. Bei uns haben wir jetzt viel Spaß. Am nächsten Sonntag haben wir einen lustigen Nachmittag. Ich muß auch auf der Bühne Theater aufführen. Am meisten Spaß macht mir das Korinthensammeln. Ich glaube, daß Du gerne mit mir in die Bäume steigen würdest. Auf der Gracht liegt ein alter, gebrochener Kahn, der Amalia heißt. Beim letzten großen Regen ist er ganz voll Wasser gelaufen und lag unter dem Wasserspiegel. Die Männer haben ihn aus dem Wasser geholt, an Land gezogen und das Wasser rausgetan. Auf der Wiese hinter dem Schlosse tummeln sich niedliche kleine (Enten)Ziegen und Schafe, mit denen wir auch spielen können. Dahinter liegt unsere Badeanstalt, in deren Wasser wir jeden Tag baden. Wir springen dann mit dem Kopf zuerst in‘s Wasser, daß uns keiner sehen kann. Vor einigen Wochen mußte ich solange laufen, als wenn Du bis zum Garten und zurück läufst. Dabei mußten wir rasen. Die Schule macht bei uns viel Spaß, weil wir immer mit Schemeln nach draußen gehen und uns in die Sonne setzen. In den Pausen dürfen wir in den Garten laufen und uns Johannisbeeren, Bickbeeren (Blaubeeren), Himbeeren und Stachelbeeren pflücken Auch haben wir viele Apfelbäume im Garten. Die Äpfel dürfen wir noch nicht pflücken, da sie noch nicht reif sind. Sogar viele, viele kleine Bienen stehen an der Mauer, fliegen im Garten umher und bringen süßen Honig in ihren Bau. Doch nun will ich schließen. Sei vielmals gegrüßt von Deinem Bruder

Otto-Horst !

Wenn Du erst schreiben kannst, schreibst Du mir auch, nicht wahr?

 


Liebe Eltern!

Gestern machten wir eine Tagesfahrt nach Zwolle, um uns die Stadt einmal näher zu betrachten und einiges einzukaufen. Des Morgens um neun Uhr fuhren wir aus Ommen ab. In Zwolle angekommen, marschierten wir zum Ortskommandanten . Nachmittags sahen wir im Kino „Die Krone“ den Film „Die Feuerzangenbowle“, der mir sehr gefallen hat. Dabei ging so ungefähr mein ganzes Geld zum Teufel, so daß ich Euch bitten muß, mir wieder einiges per Postanweisung zu schicken. Ich habe mir zwei fabelhafte Bücher gekauft. Das erste ist 380 Seiten stark und „Boot greift wieder an“ betitelt. Es handelt von Kampferlebnissen der Kriegsmarine. Das zweite heißt „So wird man Fallschirmjäger“. Es ist reich bebildert und enthält allerlei Scherze, die sehr zum Lachen sind. Außerdem kaufte ich mir Schuhcreme und Schnürbänder. Auch Eis haben wir gegessen. Wenn Papa kommt, dann soll er mir doch leere Schuhcremdosen, Nähnadeln, etwas Gardinenschnur zum Schnüren der Schweinslederschuhe und etwas zum Essen mitbringen. Anderes fällt mir im Augenblick nicht ein. Wenn, dann schreibe ich es im nächsten Brief. Auch denkt an neue Schulbücher. Morgen fahre ich nach Zwolle ins Kino, um zusammen mit 20 Kameraden einen Tonfilm über Wehrertüchtigung zu sehen. Wie wird es nun mit Theda? Wegen meiner könnt Ihr sie ruhig mit nach Raalte lassen. Ich kann Theda dann auf einem Sonntag besuchen. Die Lagermädelführerin von dem Lager hat uns auch schon besucht. Der totale Krieg wird jetzt wohl wieder viele Frauen und Männer zur Arbeit heranziehen. Hoffentlich bleibt Papa zu Haus und Mama kann bei den Kindern bleiben. Was macht denn Papas Autofahren? Er kann mich, wenn ich zurückkehre, spazierenfahren. Ich habe mir eine leichte Erkältung zugezogen, die aber nicht sehr schlimm ist. Gestern mittag erhielt ich im Wehrmachtsheim von Zwolle Euren Brief vom 1., für den ich mich herzlichst bedanke. Muß Jürgen denn schon mit Tinte schreiben, daß er sich so vollgeschmiert hat. Das geschickte Armband ist nett, nicht wahr? Sandmann ist versetzt und geht mit mir in eine Klasse. Wie geht es denn dem Heinz Riehemann? Ich werde Ihm gelegentlich einen Brief zusenden. Denkt an Geld und seid herzlichst gegrüßt und geküßt von Eurem Sohne
Otto-Horst i

Denkt an Photographien und Freßsachen.
(Erwachsenenschrift: Otto ist wieder besser. Gruß Lechtenberg

Schloß Eerde den 10.8.44

Liebe Mutti!

Eigentlich ist heute noch keine Schreibstunde, um aber mit dem Schreiben fertig zu werden, beginne ich jetzt schon den Brief an Dich. Gestern wurde uns das Zeugnis ausgehändigt, dessen Zensuren ich Dir nachstehend schreibe.

Bemerkung: Er arbeitete im Unterricht gut mit und entsprach in seinen Leistungen den Anforderungen der Schule.

Deutsch = ausreichend, mündlich besser; Geschichte befriedigend; Erdkunde befriedigend; Biologie = gut; Mathematik = befriedigend; Englisch = befriedigend; Handschrift=gut. Das Formular selbst gebe ich, der Sicherheit wegen, Papa mit, der es mitnimmt und unterschrieben zurücksendet. Sollte ich morgen abend einen Brief erhalten, oder sollte Papa etwa selbst kommen, so berichte ich am Ende darüber. Die Jungen, deren Eltern hier zu Besuch sind, können bis abends spät bei ihren Eltern weilen und sind von jeglichem Dienst befreit. Die Mütter und Väter essen mit uns an den selben Tischen. Ich werde auch mit Papa nach Zwolle fahren und uns einige spannende Bücher kaufen. Mit Schulbüchern ist es in diesem Jahr eine verzwickte Sache; denn es dürfen keine Schulbücher mehr gedruckt werden. Wir müssen deshalb die Bücher der 4.Klasse von den Schülern der jetzigen 5. übernehmen und kaufen. Schick mir bitte sofort das Lateinbuch der 5.Klasse. Fragt bitte laufend bei Schöningh nach den bestellten Schulbüchern. Vorhin habe ich mit Herrn Bracksieker gesprochen, der auch bei seinem Jungen hier im Lager weilt. Papa weiß sicher, wer gemeint ist. Im Augenblick bin ich sehr mit Geld in Verlegenheit. Tut mir bitte den Gefallen und sendet mir auf dem schnellsten Wege einige Gulden zu. Auch denkt in den nächsten Briefen an Marken. Wie steht es eigentlich mit den Sondermarken? Hat Papa die Neuherausgekommenen besorgt? Wenn nicht, dann schreiben. Ich organisiere sie von der deutschen Dienstpost. Wenn Papa kommt, dann soll er mir doch einen Zahnbecher und eine Seifenschale mitbringen. Sonst ist hier noch alles beim alten. Heute morgen war der Scherenschleifer da, bei dem ich mir für 10 (Pfg?) mein Messer habe schleifen lassen. Es ist jetzt so einigermaßen scharf. Hat Jürgen den Brief vom letzten Freitag erhalten.
Nun will ich den Brief beschließen. Herzlichen Gruß und Kuß von Deinem Sohne

Otto-Horst

 


Schloß Eerde den 11.8.1944

Lieber Vater!

Gestern abend habe ich Deinen lieben Brief vom 8. erhalten, für den ich mich bei Dir herzlichst bedanken möchte. Wenn etwas, das im Brief an Mutter steht, durch Deinen Brief rückgängig gemacht wird, habe ich das stehen lassen. Nun zu den Schulbüchern. Das Lateinbuch, das ich von der Schule gekauft habe, muß noch in der Wohnung liegen. Es ist von der 4. Klasse. Die bei Schöningh bestellten Bücher sind von der Klasse 3 an und im vorigen Jahre bestellt. Wie ich aus Deinem Brief erlesen habe, wird bei Euch tüchtig gesiebt. Wenn Du eingezogen werden solltest und aus Osnabrück fortmußt, dann kann ich auf Heimaturlaub kommen. Ich habe schon mit Dr. Lechtenberg darüber gesprochen. Du mußt folgende Sachen angeben. Du kannst mich nicht besuchen und wirst zur Wehrmacht eingezogen, Mutter kann meine Geschwister nicht unterbringen, auch nicht bei Oma, so daß Mama mich auch nicht besuchen kann. Bei diesen Gründen kann ich Euch für einige Tage besuchen. Wenn es so weit kommen sollte, daß Papa Osnabrück verlassen muß, kümmert Euch bitte darum, damit ich pünktlich zu Euch kommen kann. Die entsprechenden Dienststellen werde ich Dir mitteilen. Ferner verseht mich jetzt reichlich mit Post, damit ich über alles am laufenden gehalten werde. Da ich heute morgen im Unterricht gut aufgepaßt hatte, durfte ich nach Dramen zum Schuster fahren und reparierte Schuhe abholen. Natürlich während des Unterrichts!

Sei herzlichst gegrüßt und geküßt von Deinem Otto-Horst!

 


Schloß Eerde den 15.8.(44)

Liebe Eltern!

Gestern nachmittag überbrachte mir Frau Tritschler die Post von Euch und von Oma, für die ich mich bei Euch herzlichst bedanken möchte. Es freut mich riesig, daß Papa es durchgesetzt hat, mich besuchen zu können. Abholen kann ich ihn vom Bahnhof nicht, aber er wird von Herrn Dr. Lechtenberg mit einem Wagen abgeholt werden. Wir werden ein paar schöne Tage verleben und auch nach Zwolle fahren. Bringe soviel Geld wie möglich mit, damit wir uns einige Bücher kaufen können. Gestern holte ich mir eine Wunde am kleinen Finger, die zuerst stark blutete. Sie ist aber schon wieder geheilt, Natürlich noch nicht ganz. Sie behindert mich noch ein bißchen am Schreiben, deshalb wird der Brief heute nicht so lang. Am Freitag der nächste, auch an Oma. Herzlichen Gruß und Kuß

Otto-Horst!

 


Schloß Erde den 18.8.(44)

Liebe Eltern!

Jetzt seid Ihr wieder an der Reihe, von mir einen Brief zu erhalten. Übermorgen ist denn ja der Tag gekommen, an dem ich Papa vom Bahnhof abholen kann. Ich freue mich riesig auf seine Ankunft. In der Schule stehe ich gut und als neues Fach haben wir Physik dazubekommen. Wir sind bei Versuchen vom Fall einer Stahlkugel. Im Lateinischen sind wir bei Hannibals Alpenübergang. In Geschichte beim Ende des dreißigjährigen Krieges und in Mathematik beim Koordinatenkreuz. Das Zeugnis bringt Papa am nächsten Mittwoch mit nach Haus. Gestern abend erhielt ich einen Brief von Onkel Hermann. Daß ich ihn in Groningen nicht getroffen habe, liegt nur daran, daß der Brief, den ich an Onkel H. schickte und in dem der Abfahrtstag und Uhrzeit angegeben war, auf der Post verloren gegangen ist. Onkel H. konnte sich sofort frei machen. Am letzten Mittwoch wurden wir gegen Scharlach und Diphterie im linken Unterarm geimpft. Der Arm ist etwas rot und angeschwollen, aber das kann mich ja nicht erschüttern, und deswegen krank feiern, liegt mir auch nicht. Doch nun ist meine Weisheit zu Ende.
Herzlichen Gruß
und viele Küsse
von Eurem
Otto-Horst!

 


Liebe Mama !

Um Dir das, was Papa Dir etwas genauer erklärt hat, anschaulicher zu machen, sende ich Dir inliegende vierzehn Aufnahmen. Aufgenommen sind sie von einem Photographen aus Dramen mit einer „Leica“. Sie sind prima geworden, nicht wahr? Den richtigen Brief lege ich auch noch bei. Viele Grüße und Küsse

Otto-Horst!

 


Sonntag mittag in der Bettruhe

Liebe Schwester Theda!

Habe Deine liebe Karte mit recht vielem Dank erhalten und mich gefreut, wieder einmal Post von Dir zu erhalten. Die schönen Tage, die Papa mit mir hier verlebte, sind ja nun leider vorüber, aber wir haben viel Spaß gehabt und Papa hat etwas gesehen. Über die beiden Ringe und den Millimeter Block (habt ich) hast Du Dich doch sicher gefreut, nicht wahr? Das Wetter ist augenblicklich wunderschön. Wenn Du erst einmal in Raalte bist, können wir uns ja einmal sehen. Doch nun will ich schließen. Herzlichen Gruß

Otto-Horst!

Frag Papa mal, ob er mir nicht Holzsandalen besorgen kann. Schickt auch bitte das Paar hohe schwarze Schuhe, die mir zu klein sein sollen. Ich werde versuchen, sie anzuziehen und beim Dienst zu gebrauchen. Denkt auch bitte an die Uniform und die Knickerbockerhose; denn die Tage werden täglich kürzer und kälter und ich habe dann lange Hosen hier.
Gruß Otto-Horst!

 


Schloß Eerde den 27.8.44

Liebe Eltern!

Gestern abend habe ich Euren lieben Brief vom 25.8. erhalten, den ich, da wir jetzt Freizeit haben, Euch beantworten möchte. Nach der Abfahrt des Zuges ging ich mit Bodo St. nach Ommen zur Apotheke, gingen dann noch zur Post und begaben uns auf den Heimweg. Wir dachten noch einen leeren Wagen zu erhaschen, der uns ins Schloß bringen würde. Doch es kam natürlich keiner, und wir waren gezwungen zu Fuß ins Lager zurückzutippeln. Vorgestern machten wir ein Großgeländespiel im Schloßgelände. Wir mußten mit Meldungen arbeiten und die beste Mannschaft, die die besten Meldungen gebracht hatten, erhielt den Befehl zum Angriff auf das feindliche Lager. Bodo Manschen und ich gingen auf Spähtrupp gegen den Feind, um das Lager zu erkunden. Der Spielleiter war ein Unteroffizier. Die Feinde erhielten den Befehl zum Angriff. Es gab eine Keilerei und wir verloren das Spiel. Wir hatten uns ganz mit Dreck beschmiert und sahen ganz wild aus und das Braunhemd, das ich dabei angezogen hatte, muß jetzt auch in die Wäsche wandern, denn es ist dabei auch nicht gerade sauber geblieben. Gestern nachmittag mußte ich für die Küche Äpfel pflücken. Wir hatten sehr viel Spaß dabei. Vorhin sahen wir den Film „Die große Nummer“ und einen Film über Hans Hass und sein Tauchen. Sie waren beide sehr schön. Die in Zwolle gekaufte Nagelfeile benutze ich jetzt jeden Morgen und abend. Daß Theda sich über die beiden Ringe gefreut hat, kann ich mir gut denken. Was hat Mama denn von meinem Siegelring gesagt? In diesem Brief schicke ich Euch die drei Bilder mit, die Papa hier vergessen hat. Wenn Ihr mir wieder mal ein Paket schickt, dann schickt mir doch bitte ein Frottierhandtuch zum Baden und wenn Mama bekommen kann eine Turnhose. Gleich gehts wieder ans Baden.
Herzlichen Gruß und Kuß
von Eurem

Otto-Horst!

Anbei 3 Photographien und vier holländische Marken.
Geht mal zum Fähnlein und erkundigt Euch nach der D1ENSTKARTE DER HITLERJUGEND von mir.

 


1. September 1944

Meine lieben Eltern!

Inzwischen habe ich Euren letzten Brief mit vielem Dank erhalten und nun erwarte ich sehnsüchtig das angekündigte Paket. Wenn es nachher noch ankommen sollte, berichte ich es am Ende des Briefes. Am letzten Mittwoch wurden die Schulbücher verteilt. Von Heino Warnken bekam ich das deutsche Lesebuch Kl. 4, das Erdkundebuch Kl. 4, das Geschichtsbuch Kl. 4 und von einem anderen Schüler das Biologiebuch Kl. 3 und 4. Von der Schule erhielt ich leihweise das Mathematikbuch Kl. 3, 4 u.5, so daß ich jetzt alle Bücher bis auf das Physikbuch für dieses Schuljahr besitze. Mein Geschichtsbuch Kl. 3 und das deutsche Lesebuch Kl. 3 habe ich an Hermann Warnken abgetreten. Für dieses Jahresdrittel habe ich mir vorgenommen, nach fleißiger als zuvor zu arbeiten. Bis jetzt habe ich es durchgehalten. In Geschichte habe ich mir schon eine zwei geholt. Das Baden ist jetzt leider vorüber, denn es wird merklich kälter, so daß ich nochmals wegen der langen Hosen anfrage. Am Dienstag schicke ich Euch eine Abschrift unseres Schulaufsatzes „Der lustige Lagerabend“. Heute teilte uns Herr Albrecht mit, daß eine Zeitung aufgestellt mit der Überschrift „Die Gracht“, so wie wir in Bresnitz die Prager Burg erhielten. Auch wir sollen mit Aufsätzen und Schilderungen zum Texte der Zeitung beitragen. Gestern morgen wurden wir gewogen, wobei sich herausstellte, daß ich 106 Pfund wiege, also 2 Pf zugenommen habe. Heute Mittag bekamen wir Fleisch von unserer Lagerziege.
Soeben erhalte ich die Geldkassette mit dem wundervollen Inhalt, für die ich mich noch bedanken möchte. Mit vielem Dank und vielen Grüßen und Küssen verbleibe ich
Euer Otto-Horst!

 


Liebe Eltern!

Soeben erfahre ich, daß Hans Lange auf Urlaub nach Osnabrück fährt, weil sein Vater auf Urlaub ist. Deshalb folgendes, Der Brief geht V.T. Was hat Albrecht geschrieben? Schreibt alles was vorkommt, ich liege mit ihm in Streit. Er scheint mich schikanieren zu wollen. Schreib ihm mal, aber nichts womit er mich in die Klemme kriegen kann. Wenn er was drunter schreibt, sofort mitteilen. Neue Geheimschrift:
xxxx = Streit mit Lagerleiter
x = Gut
xx = Essen schlecht

Papa, finde eine Geheimschrift aus und schicke sie mir zu.

Bannsportfest in Nijmegen. Eine Ehre was.

Kuß Otto-Horst!

 

 

Mandlwandhaus in Mühlbach am Hochkönig, Salzburger Land, Österreich

Unten sind einige Bilder angefügt, die einige in den Briefen erwähnte Gebäude und Landschaften illustrieren. Diese Fotos hat Georg Felhölter viel später gemacht. Er war als Schüler des Ratsgymnasiums dort gewesen und hat die Gegend häufig wieder besucht. Vielen Dank!

 

Liebe Eltern!

Am Mittwochmittag landeten wir in Bischofshofen, wo wir mit allem Gepäck den Sonderzug verließen, um mit einem Autobus nach Mühlbach zu gondeln. In Mühlbach stellten wir das Gepäck unter und wanderten los. Sachmittags um drei Uhr kamen wir im Lager an. Unser Lager ist das „Manndlwandhaus“, das nur von der 4. Klasse bewohnt wird. Das gesamte Lager besteht aus drei Häusern, die von einem Hauptlagerleiter beaufsichtigt werden. Das Gepäck steht noch in Mühlbach. Deshalb schreibe ich noch keinen Brief.
Herzlichen Gruß

Otto-Horst!

 


Mandlwandhaus 12.10.1944

Liebe Eltern!

Die herzlichsten Grüße aus dem Manndlwandhaus sendet Euch Euer Otto -Horst!

Die Fahrt verlief ganz gut und am (Dienstag) Mittwochmittag kamen wir in Bischofshofen an. Wir fuhren über Bünde, Löhne, Elze, Bebra, Göttingen, Nürnberg und Salzburg. Mit einem Autobus ackerten wir an den Bergen vorbei. Ich war sehr schlecht zu frieden und kaum waren wir ausgestiegen, da ging die Sache los. Deshalb glaubte ich nicht, es bis zum Lager durchhalten zu können. Doch Frau Hartung half mir durch einen Kognac. Schon auf der Fahrt wurden wir mit der Ratsoberschule zusammengeworfen, so daß zwei Lehrer das Feld räumen mußten. Leider waren die betreffenden Herren Herr Dr. Lechtenberg und Herr Schomburg. Die Gegend ist einzigartig, jedoch die Gebäude, also das Lager selbst lassen viel zu wünschen übrig. Wir hoffen alle schon auf eine Verlegung des Lagers in eine andere Gegend. Schickt bitte noch nichts, denn ich weiß noch nicht was kommt. In der Bude steht ein Ofen, den wir selbst heizen müssen. Holz und Koks zerkleinern ist unsere Hauptarbeit. Doch nun will ich schließen, denn gleich ist Zapfenstreich. Ich werde eifrig schreiben, doch für ein Überkommen kann ich nicht garantieren.

Herzlichen Gruß und Kuß
Otto (Horst durchgestrichen)

 


Mandlwandhaus, 15.10.1944

Liebe Eltern!

Viele Grüße aus dem K.L.V. Lager „Manndlwandhaus“ sendet Euch Euer Otto. Um vorne anzufangen, will ich als erstes schreiben, daß wir auf der Fahrt schon, die sonst ganz gut verlief, mit der Ratsoberschule zusammengeworfen wurden und infolgedessen zwei Lehrer verschwinden mußten. Diese beiden waren, wie schon vorauszusehen, Dr. Lechtenberg und Herr Schomburg. Es wäre noch bald zu einer Schlägerei gekommen. Als wir in Bischofshofen ausgestiegen waren, warteten wir auf den Omnibus, der alsbald eintraf. Mein Gepäck liegt bis jetzt noch in Mühlbach in einer Scheune. Jeden Tag fahren zwei Ochsenwagen einige Koffer zu uns ins Lager. Dieses Briefpapier ist auch geliehen. Das Essen ist sehr minimal; aber daß ich satt werde, glaubt Ihr doch auch wohl. Portionen unterschlagen ist nichts Neues mehr. Unser Hauptlagerleiter ist Knochen Konrad (Albrecht?, der webmaster), der Führer unseres Lager ist Herr Schumann, mit dem wir uns gut verstehen. Außerdem wohnt bei uns noch Herr Vesper von der Lotterstr. mit seiner Schwester und seinem fiesen Köter, den wir dauernd ärgern. Unser schönstes Spiel ist die Zapfenschlacht. Oben im Walde kämpfen wir mit Tannenzapfen. Dabei entdeckten wir ein Lager mit Platzpatronen, wohl ein paar hundert Schuss. Hierbei haben wir viel Spaß. Heute unternahmen wir eine Wanderung zu Hochkeil, der wohl rund 1800m hoch ist. Von dort aus hatten wir eine herrliche Aussicht auf die Spitze des Großglockners, die noch über die Walken hinausragt. Wir fanden viele Bickbeeren, die wir freudig aßen. Sonst geht es mir noch gut. Doch erzählten mir die hier wohnenden Soldaten, daß Osnabrück wieder einen Terrorangriff hatte. Hoffentlich seid Ihr verschont geblieben. Nachstehend schreibe ich Euch meine vorläufige Adresse, da wir doch wahrscheinlich abdampfen werden.
Jgm. (Jungmann) Otto Horst Reinecke K.L.V. Lager „Manndlwandhaus“ bei Mühlbach am Hochkönig, Pinzgau

Unter diesen Brief wird Frau Hartung noch einige Zeilen schreiben. Sie hat auch genug von den hier herrschenden Zuständen. Nun will ich schließen.
Seid herzlichst gegrüßt und geküßt von Eurem Otto Horst!

Liebe Familie Reinecke!

Auch ich schließe mich den Grüßen Ottos an. Wir sind hier oben sehr enttäuscht, sowohl im Essen und in der ganzen Unterbringung, Herr Albrecht setzt alles in Bewegung, um uns noch vor Ausbruch des Winters in ein anderes Lager zu bringen, Hoffen wir erstmal das Beste, so kann es doch nicht lange weiter gehen.

Für heute schließe ich mit v. Grüßen
Mary Hartung

 


Mandlwandhaus den 20.10.1944

Liebe Eltern!

Viele Grüße aus dem Lager sendet Euch Euer Otto. Gestern hörte ich von Lmf. (Lagermannschaftsführer) Hammans, daß er durch die Lotterstr. gegangen wäre, aber nichts von Zerstörung gesehen hätte. Daraus schließe ich, daß Ihr alle gesund seid und nichts mitgekriegt habt.

Lmf. Hammans, der auch schon unser Zugführer in Schloß Eerde war, traf gestern abend bei uns ein, Doch leider muß er als Lmf. ins Hochkeilhaus, da Otto Schlippschuh wieder nach Osnabrück fährt. Heute morgen lag bei uns der erste Schnee, der jedoch heute abend schon wieder getaut ist. Vor einigen Tagen begann bei uns der Schulunterricht; aber nur in sehr primitiver Form, denn unsere Klasse ist im Speisesaal untergebracht, der nach dem Kaffeetrinken blitzartig in den Klassenraum umgebaut werden muß. Tafel und andere Scherze dieser Art kennen wir hier gar nicht. Als nächstes will ich Euch meine jetzige Adresse zusenden, damit Ihr wißt, wo ich mich befinde. Sie lautet:
Otto-Horst Reinecke K.L.V.Lager „Manndlwandhaus“ bei Mühlbach am Hochkönig, Pinzgau.

Unsere Stube besteht aus zwei Zimmern, die mit je drei Jungen belegt ist. Es ist wieder die alte Belegschaft von Schloß Eerde auch mit Hans Lange. Ich habe ein großes Spind, mit dem ich jedoch nicht auskomme, so daß ich im Koffer ein zweites Spind errichtet habe. Die Wäsche habe ich in den Koffer verpackt. Ich habe sechs Decken zum Zudecken, also komme ich gut aus. Mitten in der Stube steht ein großer Tisch. An der Wand hängen Regale, auf die wir Schulbücher und Waschzeug legen. An der Tür steht ein großer, eiserner Ofen, den wir selbst einheizen müssen. Koks und Holz bekommen wir geliefert.
Wie sieht es jetzt eigentlich in Osnabrück aus. Schreibt mir bitte über die letzten Zerstörungen. Die Post ist ungefähr 1 Woche unterwegs.
Nun will ich schließen. Viele Grüße und Küsse

von Eurem
Otto-Horst!

 


Mandlwandhaus, den 24.10.1944

Liebe Eltern!

Da B. Sturm heute nach Mühlbach geht, kann er wieder mal einen Geheimbrief von mir mitnehmen. Vorgestern kam ein U.offz (Unteroffizier) als Hauptlagermannschaftsführer zu uns ins Lager. Mit allen Jungen über 14 Jahren beginnt er eine Ausbildung im Bergsteigen und Bewegen im Hochgebirge, Auch sollen wir bei ihm Unterricht im Skilaufen erhalten. Es ist ein großer Stiesel. Er hat Arme wie ein Mädchen und Finger wie ein Mädchen. Sie sind feinpoliert und gepflegt. Das Essen ist noch immer man nicht besonders. Aber ich habe ja noch Wurst und Marmelade von der Fahrt. Wir selbst nennen das Lager schon K.Z. ohne Stacheldraht. Unser Wohngebäude gehört einem Hauptmann, der bei jeder geringsten Kleinigkeit an zu meckern fängt. In der Schule stehe ich bei allen Lehrern sehr gut. Die einzelnen Fächer haben wir bei folgenden Lehrern. Englisch: Herr Schumann, Deutsch: Herr Vesper, Biologie: Dr. Kellner, Mathematik: Dr. Kellner, Geschichte: Herr Albrecht, Physik: Dr. Kellner, Latein: Herr Jasch, Erdkunde: Herr Jasch.

In Biologie sammle ich mir die Pflanzen, die wir in der Stunde durchnehmen. Auch eine Enzianblume liegt schon bei mir im Biologiebuch. Das Mittagessen ist sehr unpünktlich. Es kommt gar nicht darauf an, ob wir um 12 Uhr essen oder um 2 Uhr. Zum Geländedienst ziehe ich immer die Schuhe von Thönes an, die ich mit Lederfett einschmiere, so daß sie kein Wasser durchlassen. Die Bilder, die ich vom Geburtstag mitgenommen habe, habe ich auseinander genommen und Bilder von Mama mit Peter und unserem Wohngebäude eingebaut. Im Augenblick trage ich Knickerbocker mit Stiefel und Windbluse. Die Schuhe wechsel ich jeden Tag. Nach dem Tragen werden sie geputzt und mit Lederfett eingerieben. Werner Vahrenkamp ist gestern zu einem Sportswartlehrgang in die Nähe von Salzburg. Kartoffeln für den Winter sind auch noch nicht da. Unser Lmf ist ein prima Kerl, der sehr wenig Dienst macht und bei allem Blödsinn mitmacht. Beim Holzsammeln verschwindet man schnell im Busch und geht zum Lager zurück. In der Freizeit gehen wir zu den Felsen am Wasserfall und machen Klettertouren. Herr Jasch bespricht jetzt mit uns in der Erdkunde den Gau Salzburg. Doch nun will ich schließen. Viele Grüße und Küsse

von Eurem Otto

Grüßt auch bitte
Oma und Opa
und alle Bekannten.

 


Mandlwandhaus den 26.10.1944

Liebe Eltern!

Habe bis heute mittag nach keine Post von Euch erhalten. Leider weiß ich nur, daß bei Herrn Vesper der Dachstuhl abgebrannt ist und Rolf Lorenz sagte mir, daß bei ihnen nichts passiert ist. Hans Lange erhielt die Nachricht, daß sie zum zweiten mal ausgebombt sind. Hoffentlich habt Ihr die ersten meiner Briefe erhalten, denn ich habe schon oft an Euch geschrieben. Augenblicklich ist eine Inspektion bei uns im Lager, um sich die Zustände anzusehen. Den Sieg trugen wir davon, die Blamage jedoch Herr Albrecht. Die Wirtschaftsleiterin fragte uns am gestrigen Abend, ob wir noch Hunger hätten. Wir bejahten ihre Frage, worauf sie antwortete, daß wir überhaupt keinen Hunger haben könnten, nur vielleicht etwas Appetit. Daraufhin stimmte das Lager ein wüstes Gebrüll, das mit sechs Schnitten Brot endete, Töpfe voll trocken Brot wurden noch ausgegeben. Schuhe werden nur auf Bezugsschein ausgegeben. Wenn wir einen Bezugsschein haben, können wir Gebirgsarbeitsschuhe von der K. L. V. Schuhfabrik in Rastadt beziehen. Gebirgsschuhe gibt es nur für die Wehrmacht. Deshalb hat der Besitzer den Gebirgsarbeitsschuh erfunden. Skier bekommen wir geliefert, jedoch befinden sie sich jetzt noch in Reparatur. Ferner sagte uns der Inspekteur noch, daß sich das Essen in nächster Zeit bessern würde.
Wie ist die Lage sonst in dem jetzigen Osnabrück? Ist der Markt 5 Bau jetzt auch ausgebrannt. Schreibt mir bitte bald wieder, natürlich nur, wenn es die Zeit zuläßt. Ich schreibe sehr unregelmäßig, meistens sende ich alle zwei bis drei Tage einen Brief an Euch ab.
Herzlichen Gruß und Kuß von
Eurem Otto-Horst!

 


Mandlwandhaus den 27.10.1944

Liebe Eltern!

Um Euch über alles am laufenden zu halten, sende ich Euch ab und zu noch einen Geheimbrief, der nicht durch die Zensur der Lehrer geht. Ich kann es nur noch selten tun, da Herr Albrecht auf der Hut ist. Otto Schlippschuh ist am Mittwoch wieder nach Bad Rothenfelde zurückgekehrt, worüber wir sehr erbost waren. Heute mittag wurde ich gefragt, in welche Einheit der H.J. ich überwiesen werden wolle. Ich habe mich zur Feuerwehr H.J. gemeldet. Also komme ich jetzt auch in das Fach vom Herrn Papa. Hoffentlich klappt die Sache mit dem Überweisen. Mit dem Essen wird es allmählich besser, und satt wird man jetzt wohl öfter als zuvor. Gestern gab es eine fabelhafte Erbsensuppe mit einem Beefsteak, von der wir vier volle Teller bekamen. Ich war natürlich satt bis oben hin. Von meinen privaten Fressalien ist noch ein Stück der dicken Streichmettwurst übrig, die ich mir fingerdick auf das Brot schmiere. Unsere Hauptbeschäftigung ist und bleibt weiterhin das Holzsammeln. Von entfernten Almen schleppen wir die Holzscheite an das Lager heran. Dabei haben wir viel Spaß und machen viel Blödsinn. In der Freizeit, mittags von 1-2 Uhr, kraxeln wir an den Felsen des hinter unserem Hause herfließenden Baches herum und werfen Stöcke und andere Kleinigkeiten in den Wasserfall, die dann rauschend in die Tiefe gleiten.

Unser Dienstplan läuft wie folgt ab.

6:30 Wecken
7:15 Stubenabnahme
7:30 Kaffeetrinken
8:10 Schulunterricht bis 11:45
12:00 Mittagessen
dann bis 14:00 Freizeit
14:00 Arbeits-bzw. Geländedienst
16:00 Nachmittagskaffee
16:30 Arbeitsstunde
bis 18:30
19:00 Abendbrot
19:45 Schreibstunde oder um
20:00 Verlesung des Wehrmachtsberichtes
21:00 Stubenabnahme
21:15 Zapfenstreich

Am Sonntag haben wir bis auf eine kurze Morgenfeier den ganzen Tag über Freizeit. Die vormilitärische Ausbildung bei dem Herrn Unteroffizier ist ganz beschissen. Er spann sogar davon, uns bei späterer Bandenbekämpfung in der Steiermark einzusetzen. Wir haben alle eine Stinkwut auf ihn und fast keiner gehorcht ihm. Gestern war ich beim Friseur in Mühlbach, der mir die Haare ganz gut schnitt. Friseur in Mühlbach ist eine Frau, die in einem alten Wohnkotten ihren Salon aufgemacht hat. In Mühlbach ist auch nicht mehr viel zu haben. Das Einzige ist das Lederfett. Nach jedem Gebrauch der Schuhe im Wasser oder in der Nässe fette ich sie gründlich ein. Frau Hartung und Frau Schwedes sollen jetzt die Wäsche von hundert Personen waschen, was natürlich sehr schwierig ist. Leider ist kein einziges Bügeleisen im Lager, so daß die Wäsche nicht gebügelt werden kann. Bis jetzt ist noch nichts gewaschen. Also habe ich die Unterwäsche von der Abfahrt immer noch an. Das Handwerkszeug was mir noch fehlt, sind die Bleistifte. Ihr könnt mir gelegentlich ja einige von den grünen zusenden. Wir bekommen jetzt drei Maultiere gestellt, damit sie uns die Lebensmittel hinauftragen können. In der Schule komme ich tadellos mit. In allen Fächern stehe ich gut. Die Schularbeiten machen wir zum Teil auf der Stube. Manschen, Bodo und ich sitzen immer zusammen am Stubentisch und arbeiten. Wie es mit der Kleiderkarte ist, könnt Ihr Euch ja überlegen. Mir wäre es ja ganz lieb, sie hier zu haben, aber wie gesagt, wenn es Euch zu gefährlich ist, könnt Ihr es ruhig lassen. Bei uns in der Gegend befand sich früher ein Kupferbergwerk, von dem nur einzelne Stollen übrig sind. Die Schächte und Häuser hierfür sind halb zerfallen und nicht mehr gut erkennbar. Mittlerweile habe ich mir auch schon eine kleine Sammlung von Alpenpflanzen angelegt, unter denen sich auch der Enzian befindet. Heute mittag haben wir beim Hauptmann im Duschraum der Soldaten gebadet, das erste Mal seit unserer Abfahrt. Von Otto Schlippschuh erhielt ich vor seiner Abfahrt mein Leistungsbuch. Eingetragen ist bis jetzt nur mein D.J. Leistungsabzeichen, das ich nicht ganz fertig bekommen habe.
Doch nun will ich meinen langen Brief beschließen
Seid vielmals gegrüßt und geküßt von

Eurem
Otto-Horst!

 


Mandlwandhaus den 29.10.(44)

Liebe Eltern!

Habe gestern Euren ersten Brief vom 20.10.erhalten. Recht vielen Dank dafür. Da Bodo Sturm morgen früh nach Salzburg fährt, nimmt er gleich einen Brief für mich mit. Mit dem durcheinanderwürfeln mit der Ratsoberschule ist es bei uns im Lager nicht so schlimm, denn die andern sind bloß 11 Mann, also sind wir ihnen in allen Teilen überlegen. Blockhaus ist ja etwas zuviel gesagt für unser Wohngebäude. So wüst darfst Du es Dir auch wieder nicht vorstellen. Auf unserer Fahrt hatten wir nur in Löhne auf dem Bahnhof Fliegeralarm. In Bünde blieben zwei Jungen auf dem Bahnhof stehen und in Osnabrück schossen Jungen mit einem K. K. (Kleinkaliber) Gewehr Freudensalut. Mit der Verpflegung kam ich prima aus. Warmes Essen bekamen wir in Salzburg. Es gab eine Knackwurst mit Gemüse dazu. Sonst verlief die Fahrt ganz prima. Wir schliefen im Gepäcknetz; dabei fielen auch einige heraus. Das Eure neue Wache zertrümmert war, hatte ich mir schon gleich gedacht; denn mitten in der Stadt, das mußte ja auch schief gehen. Wo standen denn die Fahrzeuge während des Angriffs? Doch in der Schule am Lieneschweg habt Ihr sicher noch weniger Platz. Jetzt sind die neuangemachten Verdunkelungen auch wieder in Schutt und Asche. Wie das mit dem Schicken ist, kann ich Euch nicht schreiben. Ihr müßt Euch schon selbst danach erkundigen. Wenn Ihr meint, daß es geht, dann könnt Ihr mir ruhig ein Beil schicken, dann aber auch, wenn Papa über hat, eventuell Hammer, möglichst kleine Nägel und anderes. Schickt mir bitte auch ein Vorhängeschloß für mein Spind, Teller und Tasse. Der Koffer wäre mir auf der Fahrt zerplatzt, wenn ich nicht persönlich für ihn gesorgt und in sicheres Gewahrsam gebracht hätte. Was meine Gesundheit anbetrifft, bin ich wohlauf, bloß mit der Waschgelegenheit ist es man so eine Sache. Du, Papa, kannst Dir sicher dies lange Waschbecken mit vielen Krahnen (Wasserhähnen) vorstellen. So ein urkomisches Ding haben wir hier auch: Also kannst Du Dir ja denken. Als Spiegel müssen wir schon die Fenster benutzen. Gestern war ich U.v.D. (Unterführer vom Dienst – offenbar in Anlehnung an den Unteroffizier vom Dienst beim Militär). Das war in Schloß Eerde doch eine andere Sache. Hier ist es nur Lauferei und anderes mehr. Von Heinz Hammans bin ich zum Hordenführer vorgeschlagen worden. Am 9. November werde ich wahrscheinlich bestätigt. Doch wenn ich in die Feuerwehr-H.J. komme bin ich wieder Jgg. Dann darf ich wenigstens einen Winkel tragen. Unser Lmf. aus Wallenhorst ist gestürzt und hat sich das Bein verletzt. Jetzt vertritt uns ein anderer. Gerade brummen wieder feindliche Kampfverbände über uns hinweg. Wir beobachten sie vom Fenster aus. Gestern fiel bei uns der erste richtige Schnee. Heute nacht schneite es mehr und fror. Heute morgen haben wir den schönsten Pulverschnee zum Skifahren. Hoffentlich schneit es immer eifrig dazu, so daß wir nicht mehr ein noch aus können. Ich habe mir sagen lassen, daß hier gewöhnlich 13m hoch Schnee liegt. Mit der Beförderung ist es ein großer Mist. Der Ut.offz. fragte uns nach allem Dod und Deubel. Feindliche Flugzeuge sind bei uns nichts seltenes mehr. Auch als sie Salzburg angriffen, schnurrten sie mit Kondensstreifen über uns hinweg. In Bischofshofen warfen sie am selben Tag auch Bomben. Jetzt kreisen sie über unserm Lager, aber es passiert hier gar nichts.
Fährt Theda denn nun eigentlich mit nach Wald ins Mädellager? H. Lange erzählte mir, daß es dort sehr gut ist. Aber mitzufahren würde ich Theda doch nicht raten. Das Essen wird von Tag zu Tag besser und schmackhafter, aber manchmal nicht genug. Die Erbsensuppe schmeckt ganz gut, aber zwei bis drei Teller hauen ja nicht hin. Das beliebte Essen ist Bratkartoffeln mit Erbsen und einem Beefsteak. Heute habe ich zum ersten Male meine Wäsche gewechselt, was auch sehr nötig war. Ich habe ein großes Wehrmachtsspind mit großen Fächern und Haken zum Aufhängen von Kleiderbügeln. Der Verschluß ist einer wie an unserer ersten Gartentür vorne am Parzelleneingang. Wenn ich nun auch ein Vorhängeschloß habe, kann ich es abschließen. Schuhe habe ich noch nicht in Reparatur gegeben. Bis jetzt sind sie alle nach heil. Doch nun will ich schließen, denn der Brief ist verdammt lang geworden. Viele Gruße und Küsse von Eurem

Otto-Horst!

Viele Grüße auch an Theda, Jürgen, Peter, Oma und Opa und die Hauptwache.

 


Mandlwandhaus den 3.11.44

Liebe Eltern!

Zuerst möchte ich Euch unser letztes Geländespiel in den Bergen schildern.

Damit beide Parteien gleichstark waren, wurde vor Spielbeginn die Hauptlagermannschaft in zwei gleiche Abteilungen eingeteilt, die gegeneinander eingesetzt wurden. Als Führer wurden Jungen gewählt, die am 9.11. befördert werden sollen. Beide Lager befanden sich einige km voneinander entfernt an der Manndlwand. Ich hatte das Glück mit Harry Schniedermann, den Papa von Schloß Eerde her sicher noch kennt, und K. Bracksieker gegen den Feind als Spähtrupp ausgesandt zu werden. Wir hatten für unsere Aufgabe zwei Stunden Zeit, die wir für das Erkunden nötig gebrauchten. So arbeiteten wir uns getarnt über Almen und Tannenwälder an das feindliche Lager heran. Immer näher rückten wir ihm auf die Pelle. Plötzlich ein Rascheln im Gebüsch. Plötzlich reißt ein feindlicher Späher sich einen Tannenzweig vorm Gesicht weg und rennt davon. Wir mit zwei Mann hinter ihm her. Bald haben wir ihn eingeholt und ihm den Lebensfaden abgerissen. Dann wird er als Toter zum Hochkeilhaus geschickt. Wir pirschen weiter vor. Allmählich wird es dunkel. Es ist 17:30 Uhr. Langsam versuchen wir von oben an das feindliche Lager heranzukommen. In der Dunkelheit erreichen wir die Felswand und wollen uns gerade an das Lager anschleichen. Da pfeift der Uoffz. das Spiel ab, und wir kraxeln am Felsen hinunter. Inzwischen treffen wir andere Spähtrupps, die sich ebenfalls auf dem Heimweg befinden. Wir fassen uns alle an und rutschen auf dem Hosenboden über ein Schneefeld hinweg. Doch fiel das Spiel unentschieden aus, denn die Zeit war zu knapp bemessen und der Aufgabenbereich dafür zu groß. Aber wir hatten viel Spaß und dreckig waren wir auch. Sonst geht es mir immer noch sehr gut. Am letzten Montag gaben wir die erste Wäsche ab, die aber noch nicht zurückgekommen ist. Deshalb kann ich Euch nicht schreiben, wie es mit dem Waschen steht. Gestern bekamen wir ein Stück Seife. Mit dem Waschzeug komme ich ganz gut aus, bloß mit der Zahnpasta komme ich schlecht aus, denn ich habe ja nur eine viertel Tube mitgenommen. Wenn Papa also mal wieder etwas bekommt, dann denkt an mich. Werner Vahrenkamp ist jetzt vom Lehrgang zurück. Er brachte mir aus Salzburg ein Stoffwappen Salzburg und eins von Tirol mit. Auf der Uniform trage ich anstatt „NordNordsee“ – „Südost Salzburg“. Auch habe ich schon ein Edelweiß für den Kragenaufschlag. An der Hose trage ich kleine Holzwappen von Tirol und Salzburg. Doch nun will ich schließen, denn ich muß noch an Tante Lissi schreiben, von der ich vorhin einen Brief erhielt.

Viele Grüße und Küsse Euer
Otto-Horst!

Schreibt bitte bald wieder!

 


Mandlwandhaus den 10. Nov. 1944

Liebe Eltern!

Erhielt gestern am 9.11. Mamas lieben Brief vom 30.10. Ebenfalls überbrachte mir heute morgen ein Kamerad den Brief mit der Schneebrille. Sie ist gleich durch alle Hände der Stube gewandert und mit gut zensiert worden, Sun zu Mamas Brief. Daß Ihr wieder Post von mir erhalten habt, freut mich tüchtig, denn man kann ja nicht wissen, wo die Post stecken bleibt. Mit Heino Warnken habe ich schon gesprochen. Ich wußte gar nicht, daß er mitgekommen war. Durch Zufall traf ich ihn im Hochkeilhaus. Herr Vesper wollte auch wegen Bombenschaden nach Osnabrück. Es scheint aber nicht geglückt zu sein, denn er ist immer noch hier im Lager. Daß Mama jetzt in den Bunker geht, ist wieder eine Beruhigung für mich. Ich weiß wenigstens, daß ihr beim Angriff nichts passiert ist. Oma zu gratulieren habe ich auch ganz vergessen, ist ja nicht schlimm. Ich bin froh, daß Theda mit nach Wald gefahren ist. Sie ist wenigstens aus Osnabrück heraus. Von Kameraden hörte ich auch, daß es die Mädel in Wald sehr gut haben. Auf der Reise wird Theda wohl viel gesehen haben. Ich habe zuerst gestaunt über die riesigen Felswände, doch jetzt sind sie schon in Fleisch und Blut übergegangen. Im Augenblick schneit es wieder unaufhörlich, so daß von den Bergen nichts (passiert) zu sehen ist. Würde das Land nicht so hügelig und felsreich sein, hätte ich es als Tiefland betrachtet. Vorhin habe ich eine Höhe 95cm gemessen. Einen Rucksack könnte ich wohl gebrauchen. Wenn man mal nach Mühlbach geht um einzukaufen, kann man so ein Ding gebrauchen, da man in die Hand doch nichts nehmen kann. Die Schneebrille kommt mir auch gut zu statten. Ich kann kaum gerade über ein Schneefeld hinwegsehen . Man wird durch die Strahlen fürchterlich geblendet. Helga schrieb mir aus Hilden, daß die Jahrgänge 30,29 und älter zum Schanzen gekommen wären. 30 ist sofort zurückgekommen. Man hatte keine Arbeit für sie, daher mußten sie Friedhofswege säubern. Vielleicht wäre ich auch schon dabei, wenn ich in Osnabrück geblieben wäre. Mit der Verpflegung wird es besser, bloß mit Nachschub ist es schlecht bestellt.
Man hatte mit dem plötzlichen Schnee nicht gerechnet, nun fehlt es an Lebensmitteln aller Art. Doch kommen wir in der Quarantäne mit allem gut davon. Daß wir mit der ganzen Stube in der Quarantäne sitzen, habe ich Euch schon im vorigen Brief berichtet, den ich gestern an Euch abgesandt habe. Wenn Ihr noch immer so viel Brotmarken übrig habt wie damals, schickt sie mir ruhig her. Ich kann mir dafür in Mühlbach was kaufen. Wie Euch sicher bekannt, besteht unsere Stube aus zwei Zimmern, die wir, um es gemütlicher zu haben, grundlegend umgebaut haben. Im einen Raum haben wir die Betten (auf)gestellt. Der andere Raum ist als Wohnraum eingerichtet mit einem großen eisernen Ofen. Wir haben fünf Spinde zu sechs Mann. Jedoch habe ich ein Spind für mich allein. Zwei große Tische sind in der Stube und zum Sitzen dienen Hocker. Getauft haben wir unsere Stube auf den Namen Heimatland. Schule haben wir in Quarantänezeit ja nicht, aber wir betreiben fleißig Selbstunterricht. Bei den Lehrern erkundigen wir uns nach dem durchgenommenen Stoff, den wir dann so gut wie es geht selbst bearbeiten. Wir haben ja Zeit genug und können uns also ausgiebig mit ihm beschäftigen. Es ist ja alles nicht schwer, man muß nur pauken, dann fällt einem der Kram auch leicht. Unser Lmf ist ein prima Kerl, mit dem man gut umgehen kann. Der Dienst ist nicht scharf und streng. Es ist ja auch bei uns auch nicht angebracht. Unsere Lehrer sind tadellos und helfen uns auch wenn nötig in allen Dingen. Daß Herr Schumann unser Lagerleiter ist, habe ich Euch in einem der ersten Briefe mitgeteilt. Herr Jasch führt die Jungen der Klasse fünf im Hochkeilhaus. Herr Albrecht hat die Kleinen unter sich und ist gleichzeitig Hauptlagerleiter. Um Euch unser Leben zu erklären, will ich den Tageslauf ohne Quarantäne berichten.
Des Morgens wird die Lagermannschaft durch Pfiff des U.v.D. geweckt. Gewöhnlich geschieht dies um 6:30 Uhr bzw. Sonntags um 7:30 Uhr. Dann folgt die Stubenabnahme vom Lmf., die aber nicht sehr streng genommen wird. Wir müssen dann mit allem fertig sein. Der Flurdienst des Tages hat für die Flure, den Tagesraum und den Waschraum zu sargen, deshalb wird er schon eher geweckt. Dann folgt Morgenappell und Kaffeetrinken, das sehr schnell gehen muß, da wir unseren Klassenraum noch für den Unterricht herrichten müssen, der um 10 Uhr beginnt. Er endet um 11:45Uhr. Allmählich beginnt der Tischdienst Teller aufzudecken. Die Bestecke müssen wir selbst mitbringen und auf der Bude aufwaschen. Teller und Tassen bekommen wir vom Lager gestellt. Nach der Mahlzeit haben wir bis 14:00 Uhr Freizeit, in der wir tun und lassen können was wir lustig sind. Um 14:00 Uhr beginnt der Nachmittagsdienst, der nicht anstrengend ist. Er gestaltet sich meistens im Holzknacken, das wir für den Winter in einem Schuppen aufstapeln. Jetzt natürlich, wo alles zugeschneit ist, machen wir Putz- und Flickstunde oder ähnliches. Dann folgt um 16:00 Uhr Kaffeetrinken., zu dem es zwei Schnitten Brot mit Marmelade gibt. Nach dem Kaffeetrinken ist Arbeitsstunde bis zum (Kaffeetrinken)Abendbrotessen. Wir machen die Schularbeiten auf der Stube, wo wir mehr Ruhe dazu haben als im Tagesraum. Nach dem Abendbrot wird der O.K.W. (Oberkommando Wehrmacht)-Bericht verlesen, den ein Junge bei der langsamen Wiederholung mitschreibt. Um 21:00 Uhr ist Zapfenstreich. Ausflüge und Wanderungen machen wir im Grunde genommen nicht, aber wir kraxeln in der Freizeit an den Felsen herum. Jetzt im Schnee geht es natürlich nicht. Wie weit es noch bis ins Lager Wald ist, kann ich Euch nicht schreiben, da ich keine genaue Karte außer dem Atlas habe. Hoffentlich hat Theda meine Adresse mitgenommen, weil ich Ihr nicht zuerst schreiben kann. Gestern am 9.November bin ich zum Rottenführer in der Feuerwehr H.J. befördert. Also dürft Ihr jetzt nicht mehr Jgg. sondern Rttf. (Rottenführer) schreiben. Eigentlich sollte ich mit zum Unterführerlehrgang in die Gebietsführerschule nach Grödig bei Salzburg gefahren sein, aber die Quarantäne hat mir das wieder versaut. Ich wäre gern mitgefahren. Nun fährt außer Erich Hartung noch ein anderer Junge für mich mit. Als Rottenführer darf ich jetzt eine Silberlitze auf den Schulterklappen tragen. Wenn Papa mal Zeit hat, kann er mal in ein Uniformgeschäft gehen und Schulterklappen für die Feuerwehr H.J. organisieren. Zwei Stück für den Bann 78. Frage mal, mit welcher Umrandung die Feuerwehr H.J. ihre Schulterklappen trägt. Ich vermute weiß, aber sicher ist sicher. Silberlitze hat Papa sicher noch zu Hause. Er kann sie mir ja im Doppelbrief herschicken. Wie Ihr es mit den anderen Sachen macht, soll mir egal sein. Das überlasse ich Eurem Glauben. Mit Kleidung und Schuhen komme ich ganz gut aus, überhaupt jetzt in der Quarantäne laufe ich den ganzen Tag nur in Turnschuhen herum.
Doch nun will ich schließen.
Viele Grüße und Küsse

Euer Otto-Horst!

Wenn ich keine Tinte mehr habe, werde ich wohl bald mit Bleistift schreiben müssen.

 


Mandlwandhaus, den 12. Nov. 1944

Liebe Eltern!

Viele Grüße aus der Quarantäne sendet Euch Euer Otto. Da heute Sonntag ist möchte ich Euch einige Zeilen schreiben. Einen Brief an Theda habe ich auch schon zusammengedoktort. Bei uns in der Bude ist es eisig kalt, denn wir haben kein Brennmaterial mehr. Deshalb müßt Ihr die Schrift schon entschuldigen. Meine Finger klirren und ich selbst zittere am ganzen Körper. Gestern waren wir zu faul, die Bude einzuheizen, deshalb blieben wir den ganzen Tag über im Bette liegen und ließen uns bedienen. Das Essen ließen wir uns im Bett verabreichen. Der Schnee wird immer mehr und das Essen weniger, durchschnittlich gibt es 4 Kartoffeln. Das Leben wird immer unhaltbarer. Wenn mittags Kartoffeln kommen, so müssen sie am Abend verwertet werden, weil nichts anderes auf Lager ist. Die Küche weiß nicht mehr, was sie machen soll. Wir haben uns schon einen Speiseplan angefertigt, auf den wir jede Kartoffel einzeln verzeichnen. Jetzt in der Quarantäne können wir es wohl noch aushalten, da die Schwester uns etwas mehr besorgt. Doch im Saal gibt es um die vier Kartoffeln erst immer Keilerei. Wir wagen uns schon gar nicht mehr aus der Tür heraus. Gestern ist auch ein Brief an Euch abgegangen. Jetzt in der Quarantäne kann ich es mir noch leisten, jeden Tag einige Zeilen an Euch abzusenden. Theda scheint gut angekommen zu sein, aber mit dem Umsteigen wird es wohl ein schwieriges Problem., Vor einigen Tagen war ein Ritterkreuzträger der Sturmartillerie bei uns, der uns für die Sturmgeschütze kalt machen wollte. Als er am Ende des Vertrages fragte, wer sich melden wollte, trat keiner zum Vorschein, um sich zu melden. Wir haben alle gelacht und er riet uns, dieses zu überlegen. Dabei wurde noch ein Film gezeigt, der allerdings sehr spannend war. Von Oma habe ich den ersten Brief erhalten, den ich auch noch beantworten muß. Viele Grüße und Küsse

Euer
Otto-Horst!

 


Mandlwandhaus, den 14.11.1944

Liebe Eltern!

Da ich jetzt gerade nichts zu tun habe, möchte ich Euch wieder einige Zeilen schreiben. Ich sitze im Bett, angezogen mit Nachthemd und Pullover, denn es ist lausig kalt in der Stube, und Brennmaterial gibt es wenig. Gestern morgen zog ich, da alle Fenster vereist waren, eine von den langen Unterhosen an, und ich muß sagen, daß ich es nicht bereue, sie mitgenommen zu haben. Sie halten sehr warm, vor allen Dingen die Beine.
Mit unserer Quarantänezeit wird es wohl hoffentlich bald zu Ende sein, denn wir vermissen doch das geregelte Leben. Es ist ja ganz schön und gut, von morgens bis abends im Bette zu liegen, aber besser ist doch die Schule und der Dienst. Wenn Ihr den ersten Brief der Quarantäne erhaltet, dann werde ich sicher wieder draußen sein. Heute kamen die ersten Schuhe aus der Fabrik zurück, unter denen sich auch die Stiefel von Hans L. befanden. Dabei bin ich zu dem Entschluss gekommen, die Stiefel nicht eher als unbedingt nötig in die Reparatur zu geben. Ich kannte sie nicht mehr wieder, so platt wie eine Briefmarke waren die Schäfte und die Füße waren nicht weniger demoliert. Mit Schuhen bin ich noch SEHR gut dran, denn sie sind bis jetzt noch alle heil. Die Schuhe von Thönes halten sich tapfer. Fingerdick das Lederfett drauf und sie sind wasserdicht. Gewaschen wird sehr unregelmäßig, aber rein wird sie. Im Bett wird es uns manchmal sehr kalt, obwohl wir sechs Decken mithaben. Unter den zwei Hollanddecken wäre ich schon erfroren. In Zukunft werde ich wohl die Briefe manchmal mit Bleistift schreiben müssen. Ihr müßt schon entschuldigen, aber es ist keine Tinte da.
Doch nun zum Schluß.

Viele Grüße und Küsse
von Eurem Otto-Horst!

Marken gern gesehen! Wir haben Hunger!

Anbei eine Postkarte für Jürgen. Sie war eigentlich für Peter zum Geburtstag gedacht. Da ich mich jedoch verschrieben habe, kann sie Jürgen haben.

 


Mandlwandhaus 17.11.1944

Liebe Eltern und Geschwister!

Gestern morgen wurden wir aus der Quarantäne entlassen und machen nun wieder den geregelten Dienst mit. Es war doch nicht so schwer uns einzuleben, wie wir es uns vorgestellt hatten. Nun müssen wir wieder früh aufstehen, das wir sonst nicht nötig hatten. Die Schneebrille kommt mir jetzt gut zu statten, denn die Sonne scheint jetzt unaufhörlich auf den hier ungefähr 1 m hoch liegenden Schnee. Dadurch wird man natürlich tüchtig geblendet. In der Schule bekommen wir jetzt noch CHEMIE dazu, und die Klasse 3 erhält Physik. Wir freuen uns schon auf die erste Chemiestunde bei Herrn Dr. Kellner. Sonst bleiben die Fächer genau so. In Latein müssen wir jetzt die Zahlen bis 2000 lernen. So ein Mist. Heute sind Jungen nach St. Gilgen, um dort die Uniformen und Schuhe für das Lager abzuholen. Hoffentlich bekommen sie für alle was. Gestern erhielt ich einen Brief von Onkel Hermann, der mir einen ganz noblen Kamm sandte. Bei ihm regnet es schon seit Tagen und das Wetter will nicht besser werden. Also genau das Gegenteil zu unserem Klima. Von Theda habe ich noch keine Post erhalten, und ich glaube, daß sie ohne Erlaubnis der Eltern nicht einmal an Jungen schreiben dürfen. Das wäre ja schade, aber Ihr könnt Theda dann wenn notwendig die Erlaubnis schicken. Gestern besuchte uns wieder eine Inspektion, die wie üblich sofort an zu meckern fing. Als erstes verbat sie das Ofenanmachen von uns. Es soll dafür ein Angestellter dafür eingesetzt werden, der jedoch für die ganzen Öfen unmöglich aufpassen kann. Gestern mittag bin ich einmal richtig satt geworden. Ich habe fünf Teller gute Erbsensuppe gegessen und zum Nachtisch gab es noch eine Untertasse fabelhaften Pudding. Abends bekamen wir drei Teller Erbsensuppe und Grießbrei hinterher.

Doch nun will ich schließen,
denn die Freizeit ist wieder einmal vorüber.
Viele Grüße und Küsse
von Eurem Otto-Horst!

 


Mandlwandhaus, 26.11.44

Liebe Eltern und Geschwister!

Zunächst einmal die besten Adventsgrüße. Als erstes möchte ich Euch berichten, daß am nächsten Donnerstag die Klassen 2 u. 3 also das Mitterberghaus in ein anderes Lager verlegt werden. Sie sollen nach Abtenau bei Golling kommen. Jedoch kommen sie da auch wieder 20 km von der nächsten Bahnstation entfernt. Als Lehrer fahren Herr Schumann und Herr Albrecht mit, die ja die besten im Unterricht sind. Der einzige Lehrer unserer Schule ist nun Dr.Kellner. Englisch haben wir vorläufig nicht, bis ein neuer Lehrer aus Osnabrück eintrudelt. Es sieht also nicht gerade rosig für uns aus. Auf ein besseres Essen hoffen wir immer noch, jetzt noch mehr. Es hat sich in der letzten Woche sowieso schon stark gebessert, aber an Kümmel fehlt es nie. Wir werden jetzt auch schon öfter satt, jedoch hat die Küche viel zu tun, um gegen unseren Hunger aufzukommen, denn wir Großen essen durchschnittlich 5-7 Teller voll Eintopf. Gestern kam urplötzlich der Bruder von Heinz Sollmann hierher, der als Luftwaffenh. (Luftwaffenhelfer) in einer Stellung bei Wien tätig ist. Jetzt hat es wieder angefangen zu schneien. Wir sitzen in der warmen Bude am Tisch und beschäftigen uns mit dem Abzeichnen von Wappen. Ist man gut, daß ich meine Farben mitgenommen habe, sonst hätte ich noch mehr Langeweile. Das Wappen auf dem Kopf des Briefes ist das Wappen von Salzburg, das ich auch gemalt habe. Für Jürgen lege ich ein kleines Andenken bei, so nebenbei aufgezeichnet.
Die Grödigfahrer zum Unterführerlehrgang sind nun wieder da und haben so allerlei erlebt. Beim Angriff auf Salzburg mußten sie Verschüttete ausbuddeln. Ich wäre gern dabei gewesen. Wie habt Ihr denn den letzten Angriff überstanden? Ich hörte, daß sie ihren Segen auf die Wüste herabgelassen hätten. Hoffentlich ist es bei uns gut abgegangen.
Die Zeit vergeht hier sehr schnell und jeder beschäftigt sich schon eifrig mit dem Anfertigen von kleinen Weihnachtsgeschenken. Ich werde Euch einige kleine Büchlein im Doppelbrief zusenden und für Papa einen Kriminalroman, den ich in Bischofshofen aufgetrieben habe. Es ist nicht viel, aber wenigstens etwas. Doch nun will ich schließen, denn ich muß noch einen Brief an Onkel Hermann beantworten. Viele Grüße und Küsse

Euer Otto-Horst!

In der letzten Mathematikarbeit bekam ich nur eine 2, da sie so leicht war.

 


Mandlwandhaus, den 28.11.1944

Liebe Eltern!

Wir haben jetzt im Augenblick ein wenig Freizeit, die ich dazu ausnutzen, Euch wieder einige Zeilen zu schreiben. Heute mittag trafen die Beförderungen ein, jedoch so falsch wie möglich. Ich wurde z.B. anstatt zum Rottenführer zum Hordenführer bestätigt und B. Sturm wurde zu dem gemacht, was er schon ist, Hammans unser Hptlmf (Hauptlagermannschaftsführer) hat uns aber nachgereicht, denn auch bei Wilfried Spannagel unterliefen sie demselben Fehler.
Das Wetter ist prima, der Schnee gefällt uns tadellos und der Weg von uns bis zum Mitterberghaus wird mehr und mehr zur Eisbahn. Wenn wir vom Essen kommen, stellen wir uns bloß in die Bahn und jagen bis vor unser Haus. Die Wirtschaftsleiterin hat uns schon allerlei zukommen lassen, da jetzt über die Hälfte in ein anderes Lager kommen. Donnerstag will die Küche für Weihnachten an zu backen fangen. Es läßt sich natürlich auch besser für 40 als für 100 Jungen kochen. Unser Brot nehmen wir oft mit auf die Stube und rösten es uns auf dem Ofen. Ich lege eine schöne Blumenkarte für Jürgen bei.

Doch nun will ich schließen.
Viele Grüße und Küsse Euer Otto-Horst!

 


Mandlwandhaus, den 29.11.44

Liebe Mama!

Habe heute Euren lieben Brief vom 13. Nov. erhalten, den ich Dir Mama beantworten möchte, obwohl heute morgen schon ein Brief an Euch abgegangen ist. Ich habe mich sehr gefreut nach fast drei Wochen wieder einen Brief von den Eltern zu erhalten. Die Marken (gemeint sind Essensmarken, denn Lebensmittel waren rationiert: Nur wer Marken hatte, bekam in den Läden Lebensmittel) kann ich gut gebrauchen, denn heute mittag ging ich, trotz der schönen Kartoffelpuffer, hungrig vom Tisch. Sie waren prima gebacken, aber leider zu wenig. Morgen werde ich erst einmal einkaufen gehen und mir gleichzeitig die Haare schneiden lassen. Für die Roggenbrotmarken kann ich mir 3 Brote kaufen, da die Brote hier nur 1 kg wiegen. Für die Fleischmarken organisiere ich mir Wurst. Und für die Zuckermarken hole ich teilweise Zucker und Marmelade. Die Briefe von mir scheinen sehr unregelmäßig anzukommen, wie ich aus Eurem Brief ersehe. Von Theda habe ich immer noch keine Post, obwohl ich ihr schon geschrieben habe. Jedoch habe ich ihre Adresse von Georg Baumgarten. Der Drahtfunk scheint wohl für alles da zu sein, wenn er auch schon Nachrichten solcher Art durchgibt. Den Brief überbrachte mir H. Klaassen, der mit seinem Bruder hier ist. Daß Du Otto Schlippschuh gesehen hast, ist gar nicht unmöglich. Ich wollte, ich wäre an seiner Stelle. Bei uns geht es im Moment sehr bewegt zu. Das Mitterberghaus dampft morgen ab, und Herr Albrecht überrascht uns dauernd mit neuen Nachrichten. Wir hoffen auch noch von hier fort zu kommen. An Sachsen und Thüringen knobeln wir herum. Wenn es schlimmer wird, so berichte ich noch Näheres. Ich hoffe aber, es hier noch aushalten zu können, wenn sich das Mitterberghaus verzogen hat. Jetzt beim Schulamt beschweren hat noch keinen Sinn, denn vorläufig geht es noch. Wenn ich es nicht mehr aushalten kann, dann meldet mich man von der Schule ab und ich komme sofort heim. Jedoch muß es noch eine Stange schlimmer kommen, die mich zu solchen Sachen zwingen, mit Jürgen ist es auch so eine Sache. Wenn ich zu Hause wäre, könnte ich ihm tadellos Unterricht geben. Soviel wie er lernen muß, kann ich Ihm bestimmt beibringen. Hans Lange kann schlecht in Osnabrück sein, da er ja mit Scharlach bei uns im Krankenhaus liegt und mir kürzlich noch geschrieben hat. Vielleicht war es Rolf Hepe aus Osnabr.? Papa kennt seine Mutter noch von Holland her. Er hat ihr am Fenster Streichhölzer geliehen. Heute nachmittag gefeiert. Alle Jungen, die in diesem Monat Geburtstag gehabt haben, bekamen eine Torte und auch wir bekamen einige Plätzchen. Es war sehr feierlich und den Abschluß bildete ein großes Tanzen im Saal. Wir Großen mußten mit den Küchenmädchen tanzen. Wir traten uns gegenseitig gewaltig auf die Füße, Spaß hat es jedoch gemacht. Mit gleicher Post traf ein Brief von Tante Lissi hier ein, für den ich mich auch noch bedanken muß.

Nochmals vielen Dank für die Marken und viele Grüße und Küsse

Euer
Otto-Horst!

Bitte keine Pakete mehr schicken, da wir wahrscheinlich von hier fortkommen.

 


Mandlwandhaus, den 1.Advent

Liebe Eltern und Geschwister!

Gestern habe ich endlich die erste Post von Theda aus Wald erhalten. Sie berichtete mir, daß sie dort gut untergekommen seien und es ihr ganz gut gehe, Ich werde nun wahrscheinlich Theda an einem der nächsten Sonntage besuchen. Vom Lagerleiter habe ich die Erlaubnis. Muß bloß noch mit der Eisenbahnverbindung klarkommen. Es fahren nämlich am Sonntag keine oder nur wenig Züge. Der Junge, der mir den Brief mit der Sonnenbrille überbrachte, war nicht Karl Blücher. K.B. war vorher noch einmal beim Gesundheitsamt gewesen, doch hat ihn der Amtsarzt nicht mit ins Lager gelassen. Hermann Klaassen hat mir den Brief von Papa mitgebracht. Hans Lange muß noch bis zum 19.12. im Krankenhaus liegen. Wir sind schon seit dem 16.11. aus der Quarantäne raus und sind alle gesund. Was die Sauberkeit anbetrifft, können wir es wohl noch aushalten. Über das Waschbecken will ich nicht klagen. Bloß, daß wir kein warmes Wasser haben, ist nicht gerade schön, denn Morgens und Abends in eiskaltem Wasser waschen ist das höchste der Gefühle. Wir machen uns wohl manchmal auf dem Ofen etwas Wasser in Konservenbüchsen heiß und schrubben unsere Kopfhaut ab. Wir werden jetzt bald in das Mitterberghaus umziehen, weil in unser Haus die Wehrmacht kommt. Dort werden wir es nicht mehr so gemütlich haben, wie es jetzt in unserem Kotten ist. Es sind nämlich keine Tische und Spinde in den Zimmern. Nur Betten zieren die Stuben. Wir werden dort noch vieles entbehren müssen. Zum Schulunterricht gehen wir ins Hochkeilhaus, Also eine wüste Rennerei jeden Morgen. Englisch und Deutsch haben wir schon gar nicht mehr. Dafür aber um so mehr Physik und Chemie, was viel Spaß macht. Die Marken von Mama habe ich schon zum größten Teil in Ware umgesetzt und zwischen unseren Doppelfenstern liegen. Immer wenn ich Hunger habe, fasse ich bloß nach links zwischen die Fenster in den sogenannten Eisschrank, denn ich sitze meistens direkt neben dem Fenster und schmiere mir eine anständige Stulle. Mit dem Numerieren der Briefe bin ich ganz durcheinander gekommen, deshalb muß ich schon aufhören oder von vorne anfangen. Ich beginne darum gleich bei 10, obwohl ich schon mehr als 10 Briefe seit dem 9. Nov. an Euch abgesandt habe. Unser Hauptlagermannschaftsführer ist Heinz Hammands, der ja in Holland auch schon als Lmf tätig war. Der Unteroffizier ist schon wer weiß wie lange nicht mehr da und die vormilitärische Ausbildung hat überhaupt nicht stattgefunden. Wir haben nur einmal bei ihm Dienst gehabt. Bodo Sturm erhielt gestern auch so einen urkomischen Brief von seiner Mutter, indem sie schrieb, daß sie im Bunker gehört habe, wir würden zur Partisanenbekämpfung eingesetzt. Es laufen ja scheinbar die niedlichsten Gerüchte über uns und die Partisanen herum. Wir können im Dorf wohl manchmal den Ausdruck „Saupreußen“ hören, jedoch lachen wir darüber. Das Wetter ist immer noch tadellos und wir tollen uns die meiste Zeit draußen im Schnee herum. Vor ein paar Tagen beobachteten wir an der Manndlwand ungeheuere Schneestürze. Fabelhaft sah es aus. Gerade höre ich, daß Jörn Uenke morgen früh nach Golling fährt und Schuhe wegbringt. Natürlich nimmt er gleich wieder einen Brief für mich mit, indem ich Euch wieder einiges mehr schreiben kann. Wir müssen jetzt in das Mitterberghaus ziehen, wogegen wir uns selbstverständlich gewaltig sträuben werden. Es ist aber nichts daran zu machen, denn der Hauptmann jagt uns aus seinem Kotten hinaus. Wir werden es dann noch schlechter als zuvor haben. Die Stuben sind winzig klein. Stühle gibt es gar nicht und Tische noch viel weniger. Unsere Kleidung müssen wir schon in die Koffer propfen denn Spinde sind auch nicht vorhanden. Die Buden werden allein schon durch die drei rissigen Doppelbetten ausgefüllt. Wir werden noch ein beschissenes Leben führen müssen. Unsere Köchin fährt nun auch weg, so daß wir auch sogar keinen mehr zum Kochen haben. Der einzige, der noch kocht, ist eine Frau aus Kroatien, die wir „Neger aus Kroatien“ nennen. Sie versaut uns jedes Mal das Essen durch Paprika und Kümmel. WIR haben eine Stinkwut am Balg.
Daß wir hier gerade sicher vor dem Tommy sind, kann ich auch nicht behaupten. Wenn Salzburg angegriffen wird, sind wir bis jetzt jedesmal draußen gewesen und haben die Flugzeuge über die Manndlwand schnurren sehen. Als wir aus der Quarantäne entlassen wurden, sprang sogar ein Amerikaner in unserer Nähe ab. Die Soldaten haben ihn dann sofort gefangen genommen und abgeführt. Einen Arzt haben wir auch nicht und die Schwester weiß genau so viel wie ich von der Medizin. Sie sagt einfach: „Wenn Ihr krank seid, dann geht nach Mühlbach zum Arzt. Ich kann Euch auch nicht helfen; denn ich habe keine Binden.“ Einer von der Ratsoberschule hat sich von seinen Eltern in der Schule abmelden lassen und fährt nun nach Haus. Ihr sollt Euch den nun nicht zum Vorbild nehmen und mich auch abmelden. Wenn es wirklich unerträglich ist, was ich aber nicht glaube, dann schreibe ich früh genug, daß Ihr mich abmelden sollt. Vorläufig bin ich nach nicht verhungert. Doch jetzt will ich den Brief beschließen, Viele Grüße und Küsse

Euer Otto-Horst!

Schreibt bitte bald wieder. Keine Päckchen oder Pakete schicken.

 


Mandlwandhaus, den 1. Dez. 1944

Liebe Eltern und Geschwister!

Die besten Grüße aus dem Lager sendet Euch Euer Otto!

Mir geht es immer noch ausgezeichnet und das Essen wird bei uns von Tag zu Tag besser. Das Mitterberghaus ist gestern nach Golling-Abtenau abgereist, um dort ihr neues Lager zu beziehen. Auch wir werden höchstwahrscheinlich das Lager räumen müssen, da in unser Haus die Wehrmacht ziehen soll. Deshalb schickt bitte keine Pakete mehr ab. Wenn Ihr das Weihnachtspaket noch zu Hause habt, laßt es bitte bei Euch und schickt es nicht an mich ab. Das Essen ist jetzt gut und reichlich. Heute mittag bekamen wir zum Beispiel einen tiefen Teller voll Reis mit Zucker, der prima geschmeckt hat. B. Sturm hat mir heute nachmittag 2 Brote, 1 Weißbrot, Zucker, Marmelade und Wurst mitgebracht. Auch die anderen aus der Stube sind mit Marmelade reichlich versorgt. Zwischen unseren Doppelfenstern hat sich schon die reinste Kolonialwarenhandlung entwickelt.

Nun seid vielmals gegrüßt und geküßt
von Eurem Otto-Horst!

Mitterberghaus, den 5.Dez. 44

Liebe Eltern!

Jetzt sind wir schon in unsere neuen Stuben eingezogen. Gestern nachmittag sind wir wurden wir auf die Stuben verteilt. Ich kam natürlich wieder mit den alten Kameraden auf die Stube 2. Es hat sich also bloß der Name des Hauses verändert. Unsere Bude ist aber nicht sehr groß, so daß wir es nicht mehr so groß haben; trotzdem haben wir es uns einigermaßen gemütlich eingerichtet, Meine Koje hat sich zum Kramladen entwickelt. Da wir keine Spinde haben, habe ich mir eine ganze Anzahl Regale an das Kopf- und Fußende des Bettes gebastelt, auf dem von der Marmelade an alles zu finden ist. Wenn ich Hunger habe, brauche ich nur über den Kopf zu fassen und schon habe ich einen Kanten Brot in der Hand. Das allgemeine Leben spielt sich auf dem Bette ab. Vorteilhaft ist, daß wir am morgen keine Schuhe anziehen müssen, da wir ja auch Schule unten bei uns im Bau haben. Doch nun Schluß.

Viele Grüße und Küsse
Otto-Horst!

 


Mitterberghaus den 7.Dez,1944

Ihr Lieben!

Soeben habe ich vom letzten Terrorangriff auf die Heimatstadt erfahren. Dieses setzt mich natürlich ein bißchen in Sorge, da ich nämlich seit dem 20. Nov. keine Post mehr von Euch habe. Frau Hartung und Frau Schwedes fahren morgen nach Osnabrück. Frau Hartung nimmt Erich und Helmut mit in die Heimat zurück. Wenn Papa Zeit hat, kann er ja mal Frau Hartung aufsuchen und sich einiges von ihr erzählen lassen. Heinz Hammans sitzt auch am Telefon, da er annimmt, daß seine Eltern beim letzten Terrorangriff auf Düsseldorf umgekommen sind. Wir hören hier von all diesen Dingen gar nichts. Das Einzigste, was ich Gestern gehört habe, ist, daß unsere Truppen eine Frontverbesserung im Raume Aachen zu verzeichnen haben. Wir sind nun in das Mitterberghaus übergesiedelt und das Leben scheint ein bißchen besser zu werden. Jedoch ist von Bequemlichkeit keine Spur. Alles ist so eng wie möglich, Frau Lange schrieb mir, daß sie Hans aus dem Krankenhaus nach Haus holen wollen, damit er das Weihnachtsfest zu Hause verleben kann. Ich hatte ihr vorher geschrieben, daß Hans Scharlach hatte und er im Krankenhaus läge. Frau Hartung und Frau Schwedes sind heute vom Gebiet aus dem Lager herausgeschmissen worden. Frau Schwedes fährt erst zu ihren Töchtern nach Wald, aber hinterher dampft sie auch nach Osnabrück. Wie das hier mit uns noch so weitergehen soll, weiß ich selbst nicht. Es kommt uns allen sehr abenteuerlich vor, und wir befassen uns mit den abenteuerlichsten Fluchtplänen. Wenn ich nicht so viel Zeug hier im Lager hätte, wäre ich auch schon bei Euch in der Heimat, dafür kann ich Euch garantieren, ich will bloß meine Sachen nicht im Stich lassen. Der Direktor soll gesagt haben, das wir entweder nach Abtenau in ein anderes Lager kämen oder nach Osnabrück. Hoffentlich stimmt das Behauptete, denn in ein Lager nach Abtenau kommen wir ganz bestimmt nicht. Es bliebe also nur die andere Möglichkeit. Sonst geht es uns allen tadellos, Des Nachmittags sind wir im Schnee oder auf dem Verandadach und machen große Schneeballschlachten, Mutsprünge veranstalten wir vom Dach aus in den hohen Schnee. Es macht riesigen Spaß. Wenn man auch weiß wie ein Schneemann aussieht, das macht uns wenig, dafür schwitzen wir wie die Bullen.
Am Montag abend, als wir um neun Uhr unsere Sachen herüberschleppten, polterten in der Ferne die Lawinen und ein fürchterlicher Schneesturm pfiff um unser Haus. Es war schauerlich und wir hatten schwer zu tun, unsere Sachen hinüber zu bringen. Vorgestern spielten wir Skifahrer auf unseren Gummisohlen. Wir glitschen einen Steilhang hinunter und wollten unten eine Sprungschanze bezwingen. Doch keiner kam heil unten an. Alle purzelten schon auf halber Strecke mit dem Kopf zuerst in den Schnee und man war dann naß bis auf die Haut. Auch mir passierte dieses Unglück, klatschnaß und weiß kam ich jedesmal halb tot unten an, denn die Bahn war lang und nicht weniger steil. Die Küchenmädchen vom R.A.D. (R.A.D.: „ReichsArbeitsDienst“) dürfen sich schon garnicht mehr draußen sehen lassen, denn sofort sind wir hinter ihnen her und salzen sie ganz gewaltig ein. Schulunterricht ist jetzt bei uns auch nicht mehr das Richtige. In den meisten Fächern haben wir Herrn Hölscher von der Ratsoberschule. Er kann bald genau soviel wie ich, und was er mir beibringt, ist von Pensum der vierten Klasse Volksschule. Er erklärt uns, wie man Tätigkeitswörter beugt. Geschichte kann er schon gar nicht. Für die Geschichtsstunden nimmt er meistens Deutsch, da er auf diesem Gebiete am meisten kann und weiß. In Erdkunde fragt er die ganze Stunde nur Größen ab. In der letzten Stunde fragte er sogar, ob wir wüßten, wie hoch der Weizen auf dem Westerberg wächst. Wir haben ihm nur geantwortet, daß wir auf dem Westerberg noch keinen Weizen gesehen hätten, bloß Immer Runkelrüben und Hafer. In Mathematik kommen wir sehr rasch vorwärts, da wir jeden Tag zwei Stunden bei Herrn Dr. Kellner haben. Chemie und Physik läßt sich auch noch ertragen. Im Physikunterricht haben wir schwer zu tun, da wir den anderen Klassen drei um ein Jahr zurück sind. Latein haben wir bei Herrn Jasch, wir lernen viel bei ihm. Natürlich müssen wir bei ihm im Unterricht viel pauken, da er im Lateinunterricht nach den unmöglichsten Dingen fragt, die wir dann wissen müssen. Für den englischen Unterricht sollen wir eine Lehrerin bekommen, da Herr Schumann in Abtenau bei den Kleinen ist. Ob Herr Vesper wieder zu uns zurückkehren wird, ist auch eine Frage der Zeit. Wir sollen dann Herrn Livingmann (?) aus Osnabrück bekommen. Er ist von der Ratsoberschule, also wieder einer unserer Gegner. Über das Essen will ich nicht lange schreiben. Im groSen und ganzen ist es gut mit viel Paprika und Kümmel. Gestern bekamen wir als Nachtisch eine Untertasse voll Haferflocken und heute gab es Rote Grütze. Mein Vorrat an privaten Eßsachen ist ungefähr erschöpft. Es ist aber auch nicht nötig, ihn wieder aufzufrischen. Ich komme jetzt auch ohne Nebensachen aus. In diesem Briefe lege ich einen Bogen bei, auf den ich so allerlei über den Urlaub geschrieben habe. Unter anderem auch, daß man wegen Schulentlassung nach Haus kommen kann, Frau Hartung hat es ja nun versucht und ihre Jungen von der Schule abgemeldet. Ich will natürlich nicht gesagt haben, daß ihr seinesgleichen tun sollt, denn mir geht es immerhin noch gut, und das Leben hier ist ein nicht gerade schlechtes. Die Freizeit vertreiben wir uns in der Hauptsache mit Kartenspielen. Es haben sich schon richtige Spielerklubs gebildet, die sich zu jeder Zeit zum Kartenspielen einfinden. Das Leben spielt sich nur auf Stühlen, Tischen, Bänken und Betten ab. Wenn man zur Tür hereinkommt, steigt man sofort auf einen Hocker und turnt in sein Bett. Doch nun will ich den Brief beschließen.

Viele Grüße und Küsse
Euer Otto-Horst!

 


Mitterberghaus den 8.Dez.1944

Ihr Lieben daheim!

Ich habe heute mittag Euer liebes Päckchen zum Nikolaus erhalten. Vielen Dank dafür und vor allen Dingen für die ausgezeichneten Plätzchen. Ich habe mich gefreut wieder einmal etwas von Euch zu hören, da ich nämlich schon so lange nichts mehr von Euch aus Osnabrück gehört hatte und nicht wußte, ob Ihr die beiden letzten Angriffe gut überstanden habt. Unsere Nikolausfeier findet erst übermorgen statt. Die Küche backt schon eifrig, damit anständig was in die Tüten hineinkommt. Was Papa da schreibt, das wir entweder nach Hause oder in ein anderes Lager sollen, habe ich hier auch schon verschiedentlich gehört, aber man redete zum größten Teil dagegen. Ich wollte wohl ganz gern nach Haus, lieber, als in noch ein anderes Lager kommen. Wegen meiner also kann es ruhig stimmen. Daß Ihr zwei Angriffe gehabt habt, wußte ich noch nicht einmal. Ich hatte nur von einem Angriff am 21. Nov. gehört. Das Holz, von dem Du schreibst, haben wir schon am 16. Nov. in der Quarantäne gesägt. Bodo und ich hatten uns so halbe Telegraphenmasten aus dem Schnee gebuddelt. Wir hatten sie auf den Flur geschleppt, über zwei Hocker gelegt und begannen nun mit einer riesigen Säge, diese nassen „Priakel“ durchzusägen. Zuerst ging ja alles ganz schön und gut; aber zuletzt wurden wir immer langsamer und die Stämme wollten nicht entzwei gehen. So haben wir beiden uns den ganzen Nachmittag gequält, aber Abends hatten wir unseren Teil Holz weg. Unter sämtlichen Betten lag das Holz aufgestapelt. Und jetzt im Mitterberghaus haben wir Zentralheizung und können es also schlecht verwerten. Daß wir ins Mitterberghaus umgezogen sind, habe ich Euch schon im vorigen Brief berichtet und Euch das Gebäude ausführlich beschrieben. Mir persönlich geht es tadellos. Mamas Bild, wo sie mit Peter auf dem Arm drauf steht, habe ich eingerahmt und an meinem Bette aufgehängt. Sonst ist es ganz bequem. Tagsüber lungert man, wenn es die Zeit erlaubt, auf dem Bett herum, und haut sich für einen Augenblick aufs Ohr. Auf das Weihnachtspaket bin ich sehr gespannt und neugierig auf das, was in ihm enthalten ist. Die Zahnpasta kann ich gut gebrauchen, denn meine andere Tube ist schon zu Neige gegangen. In der letzten Mathematikarbeit habe ich eine drei gebohrt.
Nun Schluß, am Sonntag mehr.

Viele Grüße und Küsse
Euer Otto-Horst!

 


B’ hofen den 16.12.1944
morgens 9:45 Uhr

Ihr Lieben daheim!

Die besten Grüße aus der Bahnhofswirtschaft auf dem Bahnhof B’ hofen sendet Euch Euer Otto. Befinde mich auf der Fahrt nach Wald, um Theda zu besuchen. Ich sitze hier schon seit 7 Uhr und muß noch bis 12 Uhr auf den Zug nach Zell a. S. warten. Ich habe bis Montag abend Urlaub. Werde also voraussichtlich bis Montag mittag bei Theda bleiben. Morgen fährt wieder einer nach Osnabrück und andere warten noch auf die Abmeldescheinigung. Unsere Klasse wird von Tag zu Tag weniger. Sechs Jungen sind bis jetzt nach Hause gefahren. Obwohl wir jetzt im Mitterberghaus wohnen, fahren wir voraussichtlich wieder in ein anderes Lager. Wir sind mit dem Lagerleiter zusammen alle dagegen, aber die Wirtschaftsleiterin ist schwer dafür und ist schon auf dem Gebiet deswegen gewesen. Habe Euren Brief vom 5,Dez,erhalten, den ich von Wald aus beantworten werde.
In Eile viele Grüße
Otto-Horst!

 


Wald, den 17.12.1944

Liebe Eltern!

Bin in der letzten Nacht um 11:30 Uhr glücklich bei Theda im Lagerangekommen und möchte nun von hier aus einen Brief an Euch absenden. Die Fahrt war fürchterlich. Es war 5 Stunden Fliegeralarm, so daß die Züge aus dem Bahnhof hinausfuhren und auf freier Strecke stehen blieben. 5 Stunden kannte ich da im Zug stehen und warten, bis der Führer sich endlich bequemte und ihn in den Bahnhof einlaufen ließ. Hier hätte ich beinahe den Anschlußzug nach Zell a. S. verpaßt. In Zell hatte ich bis um 20:00 Uhr Aufenthalt, deshalb traf ich erst so spät im Lager ein. Das Wohngebäude ist tadellos. Wenn ich es mit dem unsrigen vergleichen sollte, dann müßte ich behaupten, daß unser Bau ein Saustall ist. Fabelhaft sind die Einrichtungen. Alles ist durch Geweihe verziert. An den Wänden hängen bemalte Teller. Bloß der Betrieb ist nicht gerade besonders. Wenn Ihr den Bettenbau sehen würdet, würdet Ihr ganz bestimmt an zu lachen fangen. Ich habe dann mal Thedas Koje gebaut. Alle standen drumherum und sahen gespannt zu. Ich hatte es jedoch sehr schlecht gebaut, aber sie waren ganz begeistert. Die Gegend ist ausgezeichnet. Die Verpflegung ist auch nicht zu verachten und doch will Theda gern nach Haus. Wenn ich bedenke, daß wir kein Deutsch, Englisch, Turnen und Zeichnen haben, dann nähme ich am liebsten hier Unterricht. Im Augenblick brummen die Flugzeuge wieder über uns hinweg.
Viele Grüße und Küsse
Otto-Horst!

Den nächsten Brief werde ich vom Lager aus starten lassen.

(Verzierter Weihnachtsbrief 44)

Liebe Eltern und Geschwister!

Ein frohes Weihnachtsfest wünscht Euch aus der weiten Ferne Euer Otto-Horst!

Nun ist es schon wieder bald so weit. Weihnachten steht vor der Tür. Zum zweiten Male verlebe ich dieses herrliche Fest ohne Euch im K.L.V. Lager. Theda ist ebenfalls nicht da, so daß Ihr das diesjährige Weihnachtsfest allein ohne uns beiden feiern müßt. Es ist ja alles im sechsten Kriegsjahr nicht mehr so wie in Friedenszeiten, aber damit müssen wir uns eben abfinden. Mit dem Schenken wird es in diesem Jahre wohl nichts werden. Alles muß der Zeit entsprechend gefeiert werden. Hoffentlich braucht Ihr an den Weihnachtstagen nicht im Keller zu sitzen und könnt an diesen Tagen wenigstens noch in Ruhe in der Stube sitzen und das Weihnachtsfest feiern. Wir werden es uns auch so gemütlich wie es eben geht machen, damit alles möglichst Weihnachten ähnlich sieht. Bei uns gibt der Schnee seinen guten Teil dazu. Ob das aber bei Euch der Fall sein wird, kann ich Euch ja nicht sagen. Nochmals ein frohes Weihnachtsfest

Euer Otto-Horst.

 

1945

Mitterberghaus den 1.Januar 45

Ihr Lieben!

Habe vorgestern Euer liebes Einschreibpäckchen mit den Plätzchen erhalten, für das ich mich vielmals bedanken möchte. Es freute mich, etwas von Euch zu hören, obwohl es nur ein Päckchen ohne Brief war. Hans Lange fährt morgen nach Osnabrück zurück. Seine Schwester ist mit der Schulabmeldebescheinigung eingetroffen, um ihn abzuholen. Ich gebe ihm diesen Brief mit, damit er schneller nach Osnabrück kommt. Seine Schwester erzählte, daß die Jungen in Osnabrück wieder Schulunterricht haben. Wenn das der Fall ist, meldet mich nur von der Schule ab und holt mich zurück; irgendwo bekomme ich schon Unterricht. Wir haben keine einzige Kohle mehr im Lager, so daß wir den ganzen Tag über im Kalten sitzen. Die Stuben sind jetzt die reinsten Eiskeller, und wir sitzen den ganzen Tag über im Speisesaal. Skifahren kann ich, nebenbei bemerkt, auch schon. Morgens und nachmittags jagen wir abwechselnd, Bodo Sturm und ich, auf der Sommeralm herum, wogegen die Blumenthalstr. ein Kinderspiel ist, und springen die tollsten Dinger. Bodo und ich haben zusammen ein Paar ausgezeichnete Ski mit Stahlkante und einer fabelhaften Federbindung. Vorgestern kam es zu einer Schlägerei größten Ausmaßes mit den Einheimischen. Auf der Skibahn wurde sie ausgetragen. Trotz der Überlegenheit der Salzburger konnten die Osnabrücker den Sieg davontragen.
In der ersten Woche im neuen Jahr habe ich sogar die Ehre U. v.D. spielen zu können. Morgens Wecken und zu den Mahlzeiten pfeifen ist immer noch die alte Aufgabe. Gestern erhielt ich Post von Tante Lissi, die mir schrieb, daß sie für mich ein Weihnachtspäckchen abgeschickt habe. Ich freue mich jetzt schon. Von Theda habe ich noch keine Post wieder erhalten, bloß Onkel Hermann läßt fleißig von sich hören. Habt Ihr und Oma eigentlich die von mir abgeschickten Weihnachtsbriefe erhalten? Es wäre schade, wenn sie nicht übergekommen wären. Ins neue Jahr sind wir gut hineingekommen. Bis 1 Uhr haben wir gefeiert und viel Geschirr an die Wand geschmissen. Einer schoß mit einem Schreckschuß und aus den Töpfen wurde die Emaille herausgeschlagen. Das Licht wurde ausgeknipst, so daß die Schlacht im Dunkeln stattfand.
Hiermit will ich schließen.

Viele Grüße und Küsse
Euer Otto-Horst!

Meldet mich bitte ab, da ich gesehen habe, daß man in Osnabrück doch wieder aufgenommen wird.

 


Mitterberghaus d. 4. Januar

Ihr Lieben daheim!

Zwar habe ich im vorigen Brief schon geschrieben, Hans Lange den Brief mitzugeben. Jedoch ist seine Abfahrt nicht frühzeitig geglückt, so daß der Brief auf anderem Wege abgegangen ist. Er fährt nun Morgen ab, deshalb will ich schnell noch einen schreiben, damit er ihn mitnehmen kann. Seine Schwester, die hier ist, um ihn abzuholen, erzählte, daß die Jungen in Osnabrück Schulunterricht hatten. Aus diesem Grunde bitte ich Euch, mich abzumelden und mich aus dem Lager abzuholen. Wie Ihr es mit Theda machen wollt, ist mir gleich. Meinetwegen will ich sie wohl aus Jäger Lehsen abholen. Jedenfalls möchte ich nicht länger in der K. L.V. bleiben. Die Hartungs haben ja auch wieder Schulunterricht. Werde jetzt jeden Tag auf die Ankunft Papas in Uniform warten. Bin schon gespannt darauf. Nun Schluß. In Eile.

Viele Grüße und Küsse
Otto-Horst!

Abholen lieber heut ‘ als morgen.

 


Mitterberghaus den 7.1.45

Ihr Lieben!

Habe gestern abend Euren lieben Brief vom heiligen Abend mit vielem Dank erhalten, den ich Euch jetzt beantworten möchte. Zuerst fragt Mama an, ob ich Theda schon mal besucht hätte. Ich war vom 16. bis zum 18. Dezember bei Ihr im Lager und habe mir den Betrieb mal gründlich angesehen. Hierüber habe ich aber am 17. aus Wald geschrieben. Daß Ihr am 24. sogar Alarm hattet, tut mir ja leid.
Kerzen hatten wir auch am Baum. 18 Stück hatten wir von der K.L.V. Dienststelle aus Salzburg besorgt. Die anderen Lichter hatten Jungen von ihrem eigenen Vorrat gestiftet. Wir hatten die Wände mit Tannenzweigen benagelt. Den Tisch hatten wir durch ein weißes Bettlaken geschmückt. Theda wird sich sicher zu der Puppe freuen. Ich habe auch schon lange keine Post mehr von ihr.
Mit dem Essen hat es ja bei Euch auch noch einigermaßen geklappt. Ich freue mich, daß Ihr hiermit wenigstens versorgt wart, Frau Steller, die Schwester von H.L. hat es mir schon erzählt. Wir freuen uns schon auf Herrn Dr. Lichtenberg, aber lieber wäre ich zu Hause. Dieser Brief wird auch wieder von zwei Jungen bis nach Osnabrück gebracht, die von der Schule entlassen sind, und zu den Eltern zurückfahren.
Unsere Wirtschaftsleiterin haben wir jetzt einmal von einer ganz anderen Seite kennengelernt, Werner Vahrenkamp hat mit seinen eigenen Skiern „Skisalat“ (Bruch) gemacht und hatte dafür vom Lagerleiter ein paar Bretter zu Verfügung gestellt bekommen. Plötzlich waren sie mit W.V. Bindung dran verschwunden. Dietriche wurden gebastelt und die Tür zur Vorratskammer aufgeschlossen. Hinter der Tür haben wir sie wiedergefunden. Ich entwickle mich hier zum Kriminalbeamten.
Das Essen ist ganz gut, wenn das Brot auch manchmal nicht ganz echt ist. Neulich sind zwei Salzburger Jungen jenseits der Manndlwand verschollen. Die Soldaten konnten auf Skiern nicht herankommen, da haben sie Flugzeuge suchen lassen, die die Jungen aber nicht gefunden haben. Am Neujahrstag war nämlich ein fürchterlicher Schneesturm, in dem sie wahrscheinlich umgekommen sind.
Doch nun will ich schließen.

Viele Grüße und Küsse
Otto-Horst!

Geht mal zu Lange, Lutherstr.2, bei Wahlbrink im Haus, und laßt Euch vom Lager erzählen.

 


Mitterberghaus den 16.1.1944 (muß heißen „1945“)

Abends um 20:00 Uhr

Lieber Papa!

Dir möchte ich zuerst zu Deinem K. v. K. („Kriegsverdienstkreuz“ – eine Auszeichnung für besondere Leistungen im nichtmilitärischen Bereich) gratulieren. Es ist ja ein Wunder, daß Papa den Orden noch verliehen bekommen hat, denn gewöhnlich ist er ja nur für die „Schreibstubenhengste“ da. Mama fragt an, wie ich mich dort zurechtgefunden habe. Am Bahnhof habe ich einen Reisenden gefragt.. Er wies mich um so etliche Kurven, woraus ich jedoch nicht recht schlau wurde. Ich bin dann noch ungefähr eine Stunde herumgeirrt, bis ich das Lager gefunden hatte. Alle Fenster waren dunkel und die Türen schienen verschlossen zu sein. Ich mußte also auf Deutsch gesagt einbrechen, denn draußen war es arschkalt. In einer Tür steckte ein vergessener Schlüssel. Also aufgeschlossen und auf gut Glück hinein. Zuerst habe ich einmal den Lichtschalter gesucht. Ich befand mich da in der Klasse 1. Das Klassenbuch lag auf einem Tisch. Ich habe dann erst einmal nach „Theda-Luise Reinecke“ gesucht, natürlich im Buch, und nach den Arbeiten geschaut. Zu den Mädchen konnte ich ja schlecht hinaufgehen, also mußte ich es mir so gut es ging gemütlich machen. Ein Stuhl diente zur Ruhestätte und als Kopfkissen benutzte ich die Mütze. Morgens um 1/2 8 Uhr erschien als erste die Lagermädelführerin, die alsbald Theda aus dem Bette holte. Sie erschien dann im Schlafanzug und begrüßte mich. Sie klagte über Heimweh. Zur Beruhigung hat sie da erst einmal meine Marschverpflegung aufgegessen. Naja, mittlerweile kam die Lehrerin und begrüßte mich. Die Mädchen mußten blitzartig den Waschraum räumen, und ich hatte Gelegenheit mich gründlich zu waschen. Dann wanderte ich mit den Mädchen zum Märzenhof hinunter, wo sie einen kleinen Morgenappell hatten. Ich bin dann mit Theda spazieren gegangen. Gegessen habe ich ausgezeichnet und wurde sogar von Mädchen bedient. Für das Essen brauchte ich noch nicht einmal Marken abgeben, obwohl ich genügend bei mir hatte. Ich habe dann im Märzenhof übernachtet und bin morgens um 5 Uhr zu uns zurückgefahren, wo ich nachmittags um 4 Uhr ankam. Daß ich Sissi in Zell auf dem Bahnhof getroffen habe, wird sie Dir ja wohl erzählt haben. Marlies Schilling und Ilse Junghans habe ich auch getroffen. Hoffentlich heilt Deine Wunde bald. Wenn Du meine neue Frisur sehen würdest, kämst Du aus dem Staunen nicht heraus. Die Haare liegen ausgezeichnet, wenn ich sie auch schon in den Mund nehmen kann. Ich möchte hier gerne Paßbilder machen lassen, aber ich glaube nicht, daß es glückt.

Die herzlichsten Grüße
an Euch alle daheim
sendet Euch Euer
Otto-Horst!

 


26.1.1945

Ihr Lieben!

Dieses wird nun wohl der letzte Brief sein, den an Euch schreiben kann, nach den neuen Bestimmungen kann ich also nur noch Karten an Euch absenden. Mir geht es ausgezeichnet. Mein Fuß ist wieder besser und ich laufe schon wieder Ski. Wir haben gerade eine Deutscharbeit gebohrt. Von der Zeit sind noch gerade 30 Minuten übrig geblieben, in der ich noch schnell den letzten Brief an Euch schreiben möchte. Meine Schrift müßt Ihr schon mal entschuldigen, denn ich schreibe ohne jede Linien und Hilfsmittel. Bei uns hier oben geht es immer noch ganz lustig zu. Ein Radio haben wir hier oben jetzt. Wir hören täglich, wie der Feind näher rückt. Dr. Lechtenb. spricht schon Skilanglauf nach Haus. Also schöne Aussichten, was?

Das Paket habe ich bis jetzt noch nicht erhalten. Habe letzte Post vom Silvester 44, einen Brief von Mama.

Nun Schluß
Es grüßt und küßt
Euer Otto-Horst!

Morgen geht die erste Karte ab,

 


27.1.45 (Karte aus Mühlbach)

Liebe Eltern!

Dieses ist die erste Karte, die ich an Euch absende. Nach den neuen Bestimmungen kann ich ja keine Briefe mehr schreiben, deshalb muß ich sehen, möglichst viel auf die Karte draufzukriegen. Es geht mir immer noch ausgezeichnet. Ein paar Jungen haben ein Radio aus dem Lager Wald geholt. Jetzt können wir natürlich Nachrichten hören und erfahren auch von dem Näherrücken der Ostfront. Die Lage ist ja kritisch, aber nicht hoffnungslos. Ich hoffe ja, daß sich die Lage bald ändern wird. Im Westen geht es ja, wollen wir mal sagen.
Die letzte Post habe ich vom Silvesterabend von Mama. Hoffentlich ist Papas Daumen bald kuriert, daß er mir mal wieder schreiben kann. Ob Ihr mich nach Hause holt, überlasse ich vollkommen Euch. Wegen meiner gern, aber Theda sitzt ja noch im K.L.V. Lager. Fräulein Heier gibt die G.-Scheine ja nicht raus. Also entweder beide oder keiner. Wir haben gerade einen Aufsatz über den Korpsgeist gebohrt. Ich hoffe, ihn gut hingekriegt zu haben.
Viele Grüße und Küsse Otto-Horst!

 


Mitterberghaus den 28.1.1945

Liebe Eltern und Geschwister!

Da die üble Briefsperre jetzt wieder aufgehoben ist, kann ich Euch ja den zweiten erhaltenen Brief anständig beantworten. Mir geht es immer ausgezeichnet. Das Essen ist im Augenblick nicht gerade besonders. Es könnte wohl besser sein. Heute abend hatten wir ein Drama mit dem Dörrgemüse. Unser Tisch weigerte sich einfach solch einen Fraß zu essen. Daher bekamen wir kein anderes Essen. Doch das Ende vom Lied war, daß wir unsere Portionen bekamen, ohne Trockengemüse gegessen zu haben. Augenblicklich ist das sogenannte Organisieren an der Tagesordnung. Auch ich bin nicht müßig gewesen. So einige hundert Laubsägeblätter sind schon in der Kassette verschwunden. Von den Lagerskimützen werden die H.J. Abzeichen abmontiert. Als Silberlitze für den Rittf. (?) mußte das Gummiband aus der Lagertrainingshose herhalten. Löffel, Messer, Gabel, Teller, Zahnbecher aus Glas, alles habe ich mir schon organisiert. Bei uns im Lager herrscht in solchen Dingen eine solche Unordnung, daß es auf ein Messer gar nicht ankommt. Die Laubsägeblätter liegen zu tausenden im Werkraum rum und keiner zählt sie, so daß es auf 100 gar nicht ankommt. Bei der letzten Lagerbesteckzählung fehlten z.B. über 60 Messer. Die sind alle an Private übergegangen. Skistöcke habe ich die besten Dinger als Eigentum. Von der Schwester haben manche sich Leukoplast meterweise organisiert. Ich bin aber längst nicht der Einzigste, sondern jeder nimmt was er kriegen kann, neulich wurden die Decken, Bettlaken und Kopfkissenbezüge aus Holland gezählt. Ich habe vorsorglich angegeben: „Zwei Laken, ein Kopfkissenbezug und eine Decke aus Holland in Osnabrück gelassen und wahrscheinlich beim Angriff verschütt gegangen“. In dieser Beziehung werde ich also reich nach Hause kommen.

Doch nun habe ich noch eine Bitte an Euch. Könnt Ihr mir keine Strümpfe besorgen? Ich habe bloß 4 Paar mitgenommen. Meine Stopfwolle ist bald alle, Ich weiß bald nicht mehr, was ich an die Füße ziehen soll. Die Löcher kann ich sogar schon nicht mehr stopfen, überhaupt die beiden Paare Graue reißen jetzt wie Zunder.
Hiermit will ich schließen.
Viele Grüße und Küsse
Euer Otto-Horst!

 


Mitterberghaus den 4.2.45

Liebe Eltern u. Geschwister!

 

Da Morgen wieder einer auf Heimaturlaub fährt, möchte ich die Gelegenheit nicht versäumen, an Euch einige Zeilen zu schreiben. Mir geht es immer noch tadellos. Gerade komme ich von einer Skitour von der Sommeralm zurück. Es war einfach unbeschreiblich schön. Angezogen hatte ich nur Oberhemd, den roten Pullover und die Windjacke, dazu kamen noch Skimütze, Handschuhe und gutgewachste Ski. Der Schnee ging so einigermaßen. Ich war kaum auf der Hälfte, das Lager sah schon aus wie ein Spielzeug, da konnte ich es vor Hitze nicht mehr aushalten. Bis auf das Oberhemd habe ich mich dann ausgezogen, die Sachen in die Windbluse eingerollt und um den Bauch gebunden. Dann wurden die Ski lang in den Schnee gelegt. Man fühlt sich richtig wohl in der Sonne.
Wenn Papa mich nicht holt bzw. die Abmeldung schickte, bitte ich ihn, auf dem schnellsten Wege Beweise für meine Konfirmation zu schicken, damit ich eventuell auf Urlaub kommen kann. Ich möchte aber nur für ganz nach Haus, wenn Theda auch mit zurück fährt. Ihr wißt ja auch, wie die Lage augenblicklich an den Fronten steht. Deshalb stelle ich Euch das frei. Ich ahne jetzt schon, was am Ende dabei rauskommt. Eine nette Langstreckenfahrt auf Ski nach Haus. Heute kriegen wir wieder Besuch von einem Vater, der als Lagerlehrer nach Krimmel fährt. Wie sieht es denn bei Euch in Osnabrück aus? Hoffentlich habt Ihr nicht soviel Fliegeralarm.
Heute nachmittag werde ich wieder zur Manndlwand steigen.
Viele Grüße und Küsse

Otto-Horst!

 


Mitterberghaus d. 11.2.45

Ihr Lieben!

Da Morgen wieder einer vom Hochkeilhaus nach Osnabrück fährt, will ich ihm gleich noch einen Brief mitgeben. Mir geht es immer noch ausgezeichnet. Wie wird es denn nun mit dem Zurückholen? Allein kann ich nicht mehr nach Haus, auch nicht in Papas Begleitung. Deshalb muß ich schon auf den nächsten Sammeltransport von Salzburg aus warten. Also überlegt es Euch und schreibt es mir. Doch nun möchte ich Buch um ein Paßbild von mir bitten, da ich gerne eins verschenken möchte. Tut mir bitte den Gefallen und schickt es mir bald, obwohl nur wenige da sind. Bodo Sturm und andere haben sich Heute als R.O.B. („Reserve-Offizier-Bewerber“) zur Waffen SS gemeldet. Doch ich habe es sein gelassen, obwohl ich es gerne getan hätte. Die paar Bilder von den Soldaten lege ich für Jürgen bei. Nun Schluß.

Viele Grüße und Küsse
Otto-Horst!

P.S. Das Paket ist noch nicht eingetroffen. Theda hat Ihr Paket erhalten. In Eile.

Otto-Horst!

 


 

Nachwort:

Herrn Reineckes Tochter hat noch folgende Informationen geschickt:
Die Jungs sind ohne Lehrerbegleitung nach Hause gekommen. Es gab wohl keine Möglichkeit mehr, sie geschlossen heimzubringen. Sie sind in Gruppen zu je 5 eingeteilt worden, um auf eigene Faust heimzukehren.
Otto-Horst Reineckes Mutter habe erzählt, er sei viel “von Negern (also afroamerikanischen Soldaten) mitgenommen worden, die ihn sehr gut behandelt haben”. Er sei bis Melle gekommen und von dort mit einem Milchwagen bis Osnabrück.
Erst am Anfang der Lotterstraße habe er einen Bäckersohn getroffen, der ihm bestätigen konnte, dass die Eltern noch immer in der Lotterstraße 35 wohnten. Und so habe es auf einmal geklingelt und der Sohn sei die Treppe hoch gekommen und habe, wie früher, dabei gepfiffen “Es steht eine Brücke im Schwarzwaldtal”.

Otto-Horst Reinecke, Mai 2014

 

 

 

 

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