1. klv-petzer-1941
KLV „Braunbergbaude“, Petzer bei Trautenau / Trutnov (Böhmen, heute Tschechien) 1941

Bereits 1941 wurden Schüler der “Staatlichen Oberschule für Jungen”, wie die Schule damals hieß, ins Riesengebirge verschickt nach Trautenau* in Böhmen. Der Ort heißt heute Trutnov und gehört zu Tschechien.

Die Bilder unten hat uns Kurt Kreckel überlassen. Er hat 1948 die Abiturprüfung abgelegt.
Das Zeitungs-Faksimile stammt von Georg Thörner; er hat 1947 Abitur gemacht.

Die Fotos zeigen die Gruppe mit ihrem Lehrer Dr. Herbert Schnepel in der sog. Braunbergbaude (heute heißt das Haus Smetánka) in Petzer im Kreis Trautenau sowie den Abmeldeschein, außerdem einen Zeitungsausschnitt und Bilder von einem Ausflug nach Prag im Juni 1941.

Schnepel war NAPOLA-Absolvent gewesen. Er kam nach dem Referendariat auf Betreiben des Schulleiters Dr. Heinze an die Schule. Seine Klasse begleitete er bis zum Herbst 1941; er wurde in der Betreuung der Klasse von Lehrer Schwabenski, einem gebürtigen Sudetendeutschen abgelöst. Dr. Schnepel wurde im Herbst 1941 zur Wehrmacht eingezogen und an die Ostfront kommandiert. Er ist am 16. Januar 1943 im Kaukasus am Kuban-Brückenkopf gefallen, wie der Schulleiter Dr. Heinze im Mitteilungsblatt der Schule schreibt.

Die Bilder zeigen Szenen aus dem Lagerleben – Appell, Antreten – Dchnepel nimmt die Formation ab.
Eines der Gruppenbilder ist mit Namen versehen.

 

1 Kurt Kreckel, 2 Günter Hurrelbrink, 3 Heino Wiemeyer, 4 Georg Thörner, 5 Fritz Schlehmeyer, 6 Hans-Ludwig Schärf, 7 ?, 8 Gerhard Hegels, 9 Egon Hellbrecht, 10 Werner Johannlükens, 11 Heinz Müller (Henry), 12 Klaus Erdmann, 13 Karl-Hans Schröder, 14 Hans Fricke (Weichsler), 15 ?, 16 Wilfried de Jong, 17 Günter Schäffer, 18 Günter Finkemeyer, 19 Friedel Wartenpfuhl, 20 Rolf ?, 21 Hans-Jürgen Dietrich, 22 Norman Müller, 23 Friedhelm Schüürink, 24 Dr. Herbert Schnepel
Dank geht an Georg Thörner, der die Namen zugeordnet hat.

Abmeldeschein Kurt Kreckel lebt seit 1955 in den USA. Er hat uns auch Bilder und Erinnerungen zu seiner Zeit als Flakhelfer überlassen.
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Artikel aus der Tagespesse (Transkription; Faksimile des Artikels unten – Georg Thörner hat den Artikel aufbewahrt und uns überlassen):

Osnabrücker Quarta auf der Braunbergbaude

Begeisterte Jungen – dankbare Eltern

Schon seit einigen Wochen hat die Quarta (1) der Staatl. Oberschule für Jungen(2) an der Lotter Straße ihre Schulklasse in Osnabrück mit den luftigen Räumen der Braunbergbaude in Petzer im Riesengebirge vertauscht. Der Unterricht hat durch diesen Aufenthalt keine Unterbrechung erfahren. Der Klassenlehrer der Jungen setzt ihn dort ebenso fort wie hier. Im Rahmen der erweiterten Kinderlandverschickung der NSV. Osnabrück Stadt ist es gelungen, diese und noch mehrere Klassengemeinschaften zusammen loszuschicken und in den landschaftlich schönsten Teilen Deutschlands unterzubringen, wo die Jungen ungestört ein herrliches Jungendasein führen.

„Wir wollen gar nicht wieder weg von hier“, wurde dem Osnabrücker Kaufmann Carl Schäffer im Chor geantwortet, als er bei einem Besuch in der Braunbergbaude die Jungen fragte, wer von ihnen denn mit nach Hause wolle. Das ist wohl der beste Beweis, wie wohl die Kinder sich dort fühlen und wie ausgezeichnet es der Lehrer verstanden hat, im Verein mit den Einheimischen ihnen in etwas das Elternhaus zu ersetzen.

Wie schön sie es dort haben, davon konnten sich die Eltern am Dienstagabend überzeugen. Carl Schäffer, der auf einer Geschäftsreise zu den schlesischen Glashütten begriffen war, hörte zufällig, daß Petzer nicht weit entfernt sei und entschloß sich, zwei Tage dran zu geben, um einmal nach seinem Jungen zu sehen und sich gleichzeitig über die Unterbringung usw. zu überzeugen. Bei dieser Gelegenheit drehte er einen kleinen Film auf der Braunbergbaude und fing, soviel er nur eben konnte, von dem Leben und Treiben der Osnabrücker Jungen mit seiner Kamera ein. Sehr zur Freude der gesamten Elternschaft der Quarta, die nun Gelegenheit hatte, ihren Sprößling unter den 30 anderen herauszufinden und, wie jeder sich denken kann, der Vorführung begeistert folgte.

Nicht nur die Eltern, auch die Vertreter der NSV. Osnabrück-Stadt sowie der Schule folgten mit sichtlichem Vergnügen der in so liebenswürdiger Weise arrangierten Vorführung.

Carl Schäffer erzählte den Eltern jede Einzelheit, die sie interessieren konnte, von der wundervollen Lage der Baude am Südhang der Schneekoppe, von den Schneevergnügen der Jungen zum 1. Mai und natürlich von den begeisterten Kindern selbst. Die Unterbringung kann nicht besser sein. Die Jungen sind nicht nur hundert-, sondern tausendprozentig begeistert.

Als ich zur Baude aufstieg, kamen mir drei Jungen mit großen Pappschachteln unterm Arm entgegen. Als ich Osnabrücker in ihnen erkannte und sie fragte, erzählten sie, aß sie Kuchen im Dorf holen wollten und erst mal den Bürgermeister fragen müßten, wo sie denn welchen bekommen könnten. Ich ging mit ihnen zum Bürgermeister und lernte einen Mann kennen, der so recht seinen Posten ausfüllt und sich der Jungen in wirklich rührender Weise annimmt. Er sorgt wie ein Vater für seine kleinen Gäste.

Nun, als ich zum 1. Mai heraufkam, war Feiertag für die Junge, es wurden keine Schularbeiten gemacht. Mein eigener Bengel kam mir mit dem Hornschlitten, auf dem vier, fünf saßen, entgegengerodelt. Ich habe dann oben zu Mittag gegessen. Es schmeckte vorzüglich und es gab reichlich. Nach dem Essen ist Freizeit. Hinterher wird draußen exerziert. Dr. Schnepel hat seine 30 Jungen tadellos im Zug, und bei aller Ungebundenheit und Fröhlichkeit herrscht dort oben Disziplin. Um 20.30 Uhr abends liegt alles in den Betten. Um 7.30 Uhr morgens wird geweckt. Gretel, das Hausmädchen der Baude, allen Eltern wohlbekannt aus den Briefen der Kinder, sorgt wie eine Mutter für die Jungen, mit denen sie sich schon sehr angefreundet hat.

Durch Unterstützung Carl Schäffers und der Elternschaft konnte eine direkt an der Baude gelegene Bergwiese für die Jungen gepachtet werden und ihnen manches Besondere, wie beispielsweise eine Fahrt nach Prag geboten werden. Carl Schäffer schloß seinen Bericht mit den überzeugenden Worten, daß alle Eltern ihre Kinder getrost der Kinderlandverschickung anvertrauen könnten. Die Kinder haben nur Nutzen davon.

Direktor Heintze machte sich zum Sprecher der Eltern und der Schüler, wenn er Carl Schäffer herzlich dankte für die von ihm organisierte zusätzliche Betreuung und Unterstützung der Jugend. Ohne NSV. Und die Hitler-Jugend wäre die Unterbringung in der herrlich gelegenen Braunbergbaude und dem dahinter gelegenen Bergschlößchen niemals möglich gewesen. Er klärte dann die Eltern über die unterrichtliche Betreuung auf und beruhigte sie über das Leistungsbild ihrer Jungen, das sich gerade hier oben in der abgeschlossenen Klassengemeinschaft, die fern von den Ablenkungen einer Großstadt auf sich selbst gestellt ist, sehr zum Vorteil jedes einzelnen abrundet. Diese Klassengemeinschaft, die die engste Fühlungnahme zwischen dem Lehrer und den Jungen gestattet, stellt das idealste Erziehungswerk überhaupt dar. Die Jungen werden nicht nur gekräftigt an Leib und Seele, sondern auch gefestigt in unterrichtlicher Beziehung. Wenn ich nur könnte und genügend Lehrkräfte zur Verfügung hätte, schickte ich gleich wieder eine Klasse los. Es hat sich aber auch gezeigt, dass die Primaner der Anstalt, die als Lagerführer ausersehen und mitgeschickt wurden, sich glänzend bewährt haben, so daß viele Bauden nach den Osnabrücker Lagerführern riefen.

Pg.(3) Ahrends von der NSV. Osnabrück-Stadt dankte Carl Schäffer für die Mühe, die er sich gemacht habe und für die Propaganda, die er diesmal der NSV. Abgenommen habe. Er richtete einen weiteren Appell an die Elternschaft, Mundpropaganda für dieses großartige Werk der NSV. Zu machen, damit noch viele Osnabrücker Kinder Gelegenheit habe, schöne Ferienwochen draußen zu verbringen. Der Filmstreifen soll in den Schulen gezeigt werden und auf Elternabenden weiter werben für die Kinderlandverschickung.

„Wenn ich meinen Jungen auch sehr entbehre, so freue ich mich doch, daß er es so gut dort hat“, meinte eine Mutter, die mit den kleineren Geschwistern gekommen war, um ihren Filius auf der Leinwand zu sehen. So werden viele Osnabrücker Eltern denken, wenn sie die begeisterten Briefe ihrer Kinder erhalten und dankbar sein, daß die NSV. Im Kriege dieses Erholungswerk ermöglichte.

1 Quarta: entspricht unserem Jahrgang 7. In dem alten Schulsystem wurde vom Abiturjahrgang „Prima“ heruntergezählt: Oberprima (13), Unterprima (12), Ober-Sekunda (11), Unter-Sekunda (10), Ober-Tertia (9), Unter-Tertia (8), Quarta (7), Quinta (6), Sexta (5)

2 Hier fett gesetzt, im Original g e s p e r r t

3 Pg.: „Parteigenosse“

* Roda Roda (eigentlich hieß er Sandór Friedrich Rosenfeld) erwähnt in einer seiner Satiren über die kaiserliche und königliche österreichisch-ungarische Doppelmonarchie den Ort Trautenau: „Es gibt töriche Wiener, … die sich mit dem winzigen Restreich-Österreich bescheiden; die ‚froh sind‘, nichts mehr vom gemischtsprachigen Kreisgericht in Trautenau zu hören…“ (Roda Roda, „Die Gans von Podwolotschyska“, in: Roda Roda, Alexander, Scherz und Satire von Roda Roda. Ausgew. von Dieter Zimmer. Niedernhausen/Ts. (Falken) 1989, S. 16

 

Die Bilder unten zeigen die Klasse mit ihrem Begleiter Dr. Schnepel und geben einen Rindruck vom Leben in der „Braunbergbaude“.

Georg Thörner (Abitur 1947) hat uns die Bilder überlassen – vielen Dank dafür.

Ansichtskarte "Braunbergbaude 900 m u. M." POST PETZER
braunberg-klassenfoto202
Klassenfoto; Namen untenstehend
vordere Reihe, 3. von links: Fräulein Gretel; ganz vorn, Männchen machend: “Fips, der Baudenhund”

 

Im Juni unternahm die Gruppe einen Ausflug nach Prag – Werner Brinkmeyer schreibt „überraschend“. Finanziert wrude das von Elternseite unter Beteiligung des Osnabrücker Geschäftsmannes Carl Schäffer, wie die Zeitung berichtet.

Die Bilder hat uns Kurt Kreckel (Abitur 1947) überlassen – vielen Dank dafür.

In einer Straße in Prag in HJ-Unifom
Ankunft m Bahnhof in Prag im Wagen 2. Kl., Juni 1941
Im Wagen 2. Kl. im Bahnhof in Prag, Juni 1941
In Prag in HJ-Unifom
Beim Mittagessen im ”Deutschen Haus” in Prag
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