„Plötzlich war uns klar, dass der Krieg Osnabrück erreicht hatte.“

Ehemalige Pennäler erzählen Schülern von ihren Erfahrungen im Krieg  (NOZ, 15.01.2005)
Osnabrück (Iö) “Wir haben von zu Hause Stühle mitgebracht, uns aus Platten Tische gebaut und saßen dann in der leeren Klasse”, erinnerte sich Horst Oberbrodhage an die ersten Schultage nach dem Krieg.
“Bevor im Oktober 1945 die Schule wieder begann, mussten wir Steine schleppen und Mörtel von den zerbombten Ziegeln klopfen”, erzählte sein Schulfreund Gert Tosberg. Für Reinhard Brockmann war es damals eine schöne Zeit: „Keine Angriffe und endlich beruhigt durchschlafen – man kann sich nicht vorstellen, wie wir uns gefühlt haben.”
Vier Abiturienten, die 1951 die Schule beendeten, sind an das Ernst-Moritz-Arndt­-Gymnasium gekommen, um Schülern ihre Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg zu erzählen. Zehn Jahre waren sie alt, als Bomben die Stadt zerstörten.
„Beim ersten Lufttangriff setzte eine Bombe zwei Häuser in Brand, und plötzlich war uns klar, dass der Krieg Osnabrück erreicht hatte”, sagte Tosberg. Zu Beginn gab es noch Unterricht: “Wir waren nie ausgeschlafen, weil nachts Angriffe kamen”, sagte Willi Austel. 1942 brannte die damalige Oberschule an der Lotter Straße aus. Später verübten die Alliierten auch tagsüber Angriffe. “Hundert Flieger rasten über Osnabrück – es war ein Strom von blitzenden Flugzeugen”, sagte Austel. “Ich fuhr mit dem Rad zur Schule, und als ich dort ankam, war Alarm – ich drehte sofort um”, erinnerte sich Tosberg. “Bei Angriffen durften wir nach Hause, doch es waren so viele, dass wir gar nicht hätten zu kommen brauchen.”
Tosberg und Brockmann kamen bereits 1942 in die Tschechoslowakei. Mit zunehmenden Bombenangriffen auf die Städte ordnete Adolf Hitler die “Erweiterte Kinderlandverschickung” (KLV) an. Osnabrücker Schüler kamen in Orte wie Bad Essen oder Jeggen, aber auch nach Holland, Österreich und die Tschechoslowakei.
“Wir wurden damals gefragt – wir wollten weg” , sagte Brockmann. 30 Stunden waren die Kinder unterwegs, da die Züge größere Städte umfahren mussten. “In Bresnitz ließen uns unsere Lehrer und Hitlerjugendliche täglich antreten zur Flaggenparade mit Gebet und Trommeln”, erinnerte sich Tosberg. “Mir hat es dort gut gefallen. Wir haben oft Kissenschlachten gemacht, das Stroh flog aus den Bezügen und lag dann überall herum – das hat gejuckt.”

Als die Alliierten von Osten vorrückten, kamen die Kinder in die Niederlande. Doch auch dort war es bald nicht mehr sicher, und sie mussten fluchtartig zurück nach Osnabrück. „Die haben den Holländern die Milchkannen von den Wagen geworfen und unsere Koffer aufgeladen. Wir mussten zu Fuß 70 Kilometer bis zur Grenze laufen”, erzählte Brockmann.

Während die Kinder in den Lagern relativ sicher weiter unterrichtet werden konnten, erlebten diejenigen, die in Osnabrück geblieben waren, den Krieg hautnah. “Wir lebten immer in einemZwiespalt”, erzählte der damals zehnjährige Austel. “Man dachte national und gegen den angreifenden Feind, der unsere Häuser zerstörte, doch man sah auch, wie unsere Männer Deutsche mit Knüppeln zu Tode schlugen. Wer aufmerksam war, wusste von den Konzentrationslagern und dass dort Unrecht geschah. Aber man durfte nichts sagen.

Nach Kriegsende dauerte es fünf weitere Jahre, bis das Leben in Osnabrück wieder an Normalität gewann. “Die Briten brachten viel Neues: Musik, Theater und Literatur. Da vergaßen wir schnell all das, was wir im Nationalsozialismus gelernt hatten”, waren sich die vier Zeitzeugen einig.

Das im obigen Artikel geschilderte Projekt wurde von Dr. Friedemann Neuhaus mit der Klasse 11c initiiert und betreut. Ausgangspunkt war die Ausschreibung eines Wettbewerbs des Volksbundes – Bezirk Weser Ems zum 60. Jahrestag des Kriegsendes, der auch von der Stadt Osnabrück unterstützt wird.
Das Projektthema lautet: “Die Staatliche Oberschule für Jungen in Osnabrück während des Zweiten Weltkriegs und in der unmittelbaren Nachkriegszeit”.

Die Gesprächspartner waren:

Willi Austel, Reinhard Brockmann, Horst Oberbrodhage, Gert Tosberg

NOZ, 15.01.2005

Das Projekt wird präsentiert:

Tafel 1: “Kein Kapital trägt bessere Zinsen als der Aufwand für Schulen” (J. Miquel).
Das Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium (vormals Oberschule für Jungen, vormals Realgymnasium) … mehr

Tafel 2: “… Jetzt ab in den Bunker oder in den Keller … ” Der Bombenkrieg über Osnabrück … mehr

Tafel 3: “Immer noch regiert Mars die Stunde.” Die Staatliche Oberschule während des Krieges … mehr

Tafel 4: “… was hier, du deutscher Junge, an dir getan wird“. Die Kinderlandverschickung der Staatlichen Oberschule … mehr

Tafel 5: Die KLV-Lager in Holland und Österreich … mehr

Tafel 6: “Vom Steinepicken zu Torquato Tasso”. Die Staatliche Oberschule für Jungen nach dem Krieg – mehr

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