Dworzynski, Theodor, Dr.
Fächer: Mathematik / Biologie
Die Schülerzeitung „neue realität“ führte von Zeit zu Zeit Interviews mit Lehrkräften durch.
Nachdem Herr Dr. Dworczynski 1965 in den Ruhestand getreten war, haben Redakteure mit ihm gesprochen:
Das Interview
heute mit Herrn Dworzynski
-nr-: Herr Dworzynski, Sie sind ja aus dem Schuldienst entlassen, und nun wollen die Schüler natürlich auch einmal etwas über Sie persönlich erfahren. Könnten Sie vielleicht zuerst etwas über Ihr Leben erzählen?
D.: Ja, also ich wurde 1902 in Glatz geboren und habe dort auch das Abitur gemacht, und zwar am 22. 2. 1922, das kann man natürlich nicht vergessen. Dann habe ich in Breslau studiert – nur ein Semester lang war ich in Freiburg im Breisgau – und ich habe auch in Breslau mein Staatsexamen gemacht. Dann kamen die Referendarzeit und das Assesorenexamen, alles in Breslau. Danach war ich an verschiedenen Schulen – Liebental, Neurode, Schweidnitz, Neusalz an der Oder, Ratibor – kurz vor Beginn des 2. Weltkrieges versetzte man mich dann nach Liegnitz, das war Ostern 1939. Und es war dann meistens so, daß man den Stundenplan erst ohne mich machte, weil ich vier Fächer hatte — Mathematik, Physik, Biologie und Sport — und deshalb, gewissermaßen als Lückenbüßer, überall eingesetzt werden konnte. Ich habe auch zum Beispiel im 3. Reich hauptsächlich Sport gegeben, nach dem Krieg dann sehr viel Mathematik, weil es da wenig Mathematiklehrer gab, und jetzt zum Schluß dann eben Biologie, weil es wieder keine Biologen gab.
-nr-: Welches Fach haben Sie denn am liebsten gegeben?
D.: Obwohl Mathematik ja für den Lehrer recht einfach ist, weil eben doch der Verlauf einer Mathematikstunde eigentlich vorgeschrieben ist, habe ich immer besonders gern Biologie gegeben; denn die Biologie hängt ja unmittelbar mit dem Leben zusammen, und da hat daher auch der Schüler mehr Möglichkeiten, sich zu entfalten.
-nr-: Und wie verlebten Sie dann den Krieg?
D.: Also das war so, ich hätte eigentlich schon zum Polenfeldzug eingezogen werden sollen. Aber als der Gestellungsbefehl kam, war ich gerade verreist, und meine Zimmerwirtin hatte dem Postboten das Schreiben wieder mitgegeben. Bei den zuständigen Stellen sagte man mir dann, die Truppe würde sich schon melden; und das hat sie dann auch getan, allerdings ein halbes Jahr später, als der Polenfeldzug schon vorbei war. Ich wurde dann erst eingezogen im Jahre 1943, und nach einem Vierteljahr Ausbildung als Rekrut – diese Ausbildung habe ich noch in unangenehmer Erinnerung, ich war damals ja schließlich auch schon 40 Jahre alt – nach dieser Ausbildung also wurde ich Bildauswerfer bei einer Fernaufklärerstaffel an der Ostfront. Die Kapitulation erlebte ich dann auf einem Flugplatz in Kopenhagen; wir brauchten dort aber nur unsere Waffen abliefern und sind dann in ein Lager gekommen. Nach der Entlassung wurde ich dann von den Engländern 1946 wieder für den Schuldienst zugelassen, und ich war dann bis Ostern 1953 am Max-Planck-Gymnasium in Göttingen tätig. Danach kam ich dann gleich nach Osnabrück.
-nr-: Haben Sie sich für die Zeit nach Ihrer Entlassung etwas Bestimmtes vorgenommen?
D.: Ja, da ist einmal meine Tätigkeit in der Vertriebenenbewegung. Ich bin ja der 1. Vorsitzende der Landsmannschaft Schlesien in Osnabrück und außerdem im Kreisvorstand Osnabrück-Stadt vom Bund der Vertriebenen. Dort betraut man mich natürlich besonders mit kulturellen Aufgaben. Außerdem bin ich noch auf einem anderen Gebiet tätig, und zwar in der Bekämpfung der Suchtgefahren – Alkohol und Nikotin.
-nr-: Was halten Sie davon, wenn junge Menschen rauchen?
D.: Ich würde es durchaus nicht ablehnen; denn früher oder später kommt ja jeder notgedrungen dahin, wenn ihm bei einer Gesellschaft eine Zigarette angeboten wird und er es eben einmal probiert. Man muß natürlich die Grenze kennen, und es darf nicht zu einer Sucht werden. Es scheint jallerdings so zu sein, daß die meisten nur;aus Langeweile oder aus Angewohnheit rauchen, nicht aus Freude am Genuß.
-nr-: Was halten Sie speziell vom Rauchen während der Schulzeit?
D.: Ich bin der Meinung, daß der einzelne Schüler sich daran gewöhnen muß, eine gewisse Ordnung einzuhalten, und daß er auch einmal sich dazu zwingen sollte, sich dieser Sache zu enthalten, schon um sich selbst zu prüfen. Andererseits ist es natürlich so, daß der Schüler genauso alt ist wie der Lehrling, der ja auch während der Arbeitszeit rauchen darf. Man hat aber auf diesem Gebiet nicht die nötigen Erfahrungen sammeln können.
-nr-: Haben Sie ein besonderes Hobby?
D.: Ja, ich habe ein besonderes Hobby, und zwar das Briefmarkensammeln. Ich beschäftige mich besonders mit einer Bautenserie, die 1948 nach der Währungsreform herauskam. Diese Serie ist sehr interessant, weil sie in drei Druckereien gedruckt wurde, und zwar mit verschiedenen Platten, die natürlich wieder verschiedene Fehler aufwiesen, mit verschiedenen Zähnungen und außerdem noch mit verschiedenen Wasserzeichen. Das wäre neben meinen anderen Beschäftigungen noch besonders zu erwähnen.
-nr-: Glauben Sie,daß die Schüler heute anders sind als früher?
D.: Nein, durchaus nicht, sie sind dieselben geblieben. Sie sind nur immer den Zeitumständen entsprechend anders. Wir haben natürlich in einer ganz anderen Welt gelebt: wir kannten bis zum Abitur nur gutbürgerliche Verhältnisse, während heute natürlich eine gewisse Freizügigkeit eingetreten ist. Das drückt sich ja auch in den Schülermitverwaltungen aus. Ich habe ja als Schüler die ganzen Kämpfe miterlebt. Damals stiegen ja die Schüler auf die Barrikaden und forderten ihre Freiheit – das hing auch mit der Jugendbewegung nach dem 1. Weltkrieg zusammen. Aber deshalb bleiben die Schüler doch immer dieselben, die Natur liefert uns kein besseres oder schlechteres Material. Und was die schlechten Seiten betrifft – die gab es auch früher, die gibt es heute noch. Es ist da natürlich nötig, dem jungen Menschen gewisse Beschränkungen aufzuerlegen. Die Bildung zeigt sich ja auch nicht in der Freizügigkeit, sondern in der Freiheit, sich zu beherrschen.
-nr-:
Vielen Dank, Herr Dworzynski!
(aus: „neue realität“ 23/Sommer 1965)